Der Haushaltskrimi und der Kompromiss

Es dauerte bis fast 21.30 Uhr bis sich nach einem Antrag eine Mehrheit fand, mit deren Stimmen der Haushalt beschlossen werden konnte. Foto: RG

Wird es einen beschlossenen Haushalt geben oder passiert das Gleiche wie im vergangenen Jahr?

Das war gestern zu Beginn der Ratssitzung die spannende Frage, nachdem auch der Ortsverband der CDU Alt-Erkrath sich in der letzten Woche gegen Steuererhöhungen ausgesprochen hatte. Zur Erinnerung: Der Haushaltsentwurf sah eine Erhöhung der Grundsteuer um 50 Prozentpunkte vor. Die desolate Finanzlage mit zunehmendem Eigenkapitalverzehr und einer früher oder später drohenden Haushaltssicherung teilt Erkrath mit vielen anderen Kommunen. In der Nachbarstadt Mettmann stand im vergangenen Jahr eine Anhebung der Grundsteuer um 300 Punkte zur Debatte. Geworden sind es am Ende 195. Damit stieg die Grundsteuer B in Mettmann auf 675 Prozentpunkte. In Erkrath liegt sie aktuell bei 520 Prozentpunkten.

Wäre es nach der Verwaltung gegangen, läge sie jetzt bei 570 Punkten. In der SPD war man sogar der Meinung, dass diese Anhebung das Problem nicht löse und so floss in den Haupt- und Finanzausschuss ein SPD Antrag ein, der eine Erhöhung der Grundsteuer B um 100 Prozentpunkte auf 620 vorsah. Zur Abstimmung stand das nun gestern in der Ratssitzung. Die im Raum stehende Grundsteuererhöhung hatte auch einige wenige Zuschauer angelockt.

Ein Rückblick in die Haushaltsberatungen der Ausschüsse

Schon früh hatte die FDP in ihren Fraktionsberatungen den Haushaltsentwurf durchkämmt und mit 22 Haushaltsanträgen versucht eine solche Steuererhöhung durch Einsparungen an anderen Stellen zu vermeiden. Viele dieser Anträge betrafen den Stellenplan und wurden erst im Haupt- und Finanzausschuss behandelt. Im Ausschuss für Umwelt und Planung wurde über die FDP Anträge zur Streichung von Mitteln für das Grünflächenkataster und Mitteln im Bereich Umweltinformation und Koordination diskutiert. Da die Mittel für die Digitalisierung des Grünflächenkatasters und für Hochwasserschutz benötigt werden, fanden die Anträge keine Mehrheit. Auch Anträge der Grünen, die zusätzliche Mittel für die Steigerung der Recyclingquote und Beratung im Bereich von Energie forderten, fanden keine Mehrheit.

Ähnlich zogen sich die Abstimmungen auch durch die weiteren Ausschüsse. Viele Anträge der kleineren Fraktionen fanden keine Mehrheiten. Ausnahme: Erst einmal kostenneutrale Ziele oder ein Antrag der Grünen zur Schulsozialarbeit. Für ein Aufhorchen hatte ein FDP Antrag in den Begegnungsstätten der Stadt geführt. Dieser forderte die Reduzierung und spätere Streichung der städtischen Zuschüsse. Für die Begegnungsstätten, die wichtiger ‘Sozial-Anker’ für Senioren in der Stadt sind, hätte das langfristig das Aus bedeuten können. Aber auch dieser Antrag fand keine Mehrheit.

Im Haupt- und Finanzausschuss musste die FDP erfahren, dass Kürzungen im Bereich Personal nicht so isoliert nach einen Stellenbereichen betrachtet werden können, weil diese Kürzungen Auswirkungen in andere Bereiche hätten. Bis zum Rat noch nicht in Ausschüssen beschlossen, waren die Produktbereiche Kultur und Steuern und Finanzen. Im Kulturausschuss hatte es eine von der CDU ausgelöste Debatte über den Zuschuss von 8.000 Euro zur künstlerischen Gestaltung am Forum Sandheide gegeben, der eigentlich schon im letzten Jahr beschlossen wurde, aber wegen der verspäteten Fertigstellung des Forums in dieses Jahr übertragen werden sollte. Die Mittel sollen abhängig von weiteren Förderungen ausgezahlt werden, die die Umsetzung ermöglichen. Ein Antrag der Grünen ‘Kulturfokus 2022’, der mit 20.000 Euro zusätzlich kulturschaffende Institutionen und Personen unterstützen sollte, konnte sich nicht durchsetzen.

Der Stellenplan 2022

Übrig geblieben von den vielen Anträgen der FDP war der Antrag, der den Verzicht einer Grundsteuererhöhung beinhaltet. Der stand nun den Verwaltungsvorschlag einer Anhebung um 50 Prozentpunkte und dem SPD Antrag einer Anhebung um 100 Prozentpunkte gegenüber. Die Diskussion um die 8.000 Euro für Forum Sandheide flammte noch einmal kurz auf. Der Antrag einen Sperrvermerk darauf zu legen, den Marc Hildebrand stellte, wurde nachdem die Verwaltung versicherte, dass eine Auszahlung überhaupt nur erfolge, wenn die restliche Förderung sicher gestellt sei, zurückgezogen.

Vor dem Haushalt stand der Stellenplan zur Abstimmung und in den hatte sich offensichtlich ein Fehler eingeschlichen, den Peter Knitsch rechtzeitig bemerkt hatte. Am Vormittag hatten die Fraktionen eine berichtigte Fassung erhalten. Das stieß bei einigen Ratsmitgliedern auf Kritik. “Das ist extrem misslich heute morgen um 9 Uhr ein komplett neues Zahlenwerk zu erhalten. Das sehe ich sehr kritisch, wenn man prüfen soll, hat man keine Chance mehr dazu”, äußerte sich Ralf Lenger von der FDP dazu. Dennis Saueressig von der AfD wies auf einen Fehler im Zirkelbezug der erhaltenen Excel-Tabelle hin, den auch Peter Sohn von der BmU bemerkt hatte. Die Verwaltung beschwichtigte. Es seien keine neuen Stellen geschaffen wurden. Lediglich die Zuordnung der Stellen zu Tarifbeschäftigten und Beamten habe sich verändert. Auch der genannte Fehler in der Exceltabelle konnte noch in der Sitzung geprüft werden und ergab keine anderen Zahlen. “Ich würde mir grundsätzlich einen restriktiveren Umgang mit Stellen. Die FDP hat versucht einzelne Teile herauszunehmen und musste erfahren, dass der Rest dann nicht mehr funktioniert”, sprach Bernhard Osterwind die Vielzahl der Stellen und die hohen Personalkosten der Stadt an. Schließlich konnte der Stellenplan mehrheitlich beschlossen werden.

Haushalt 2022 ja oder nein? – Tagesordnungspunkt Haushaltsplanentwurf

Man kam überein, dass die Fraktionen zuerst ihre Haushaltsreden halten, damit alle Positionen bekannt sind und man anschließend diskutieren könne. Wolfgang Jöbges machte darin deutlich, dass die CDU bewusst auf ‘Kosten erhöhende Anträge’ verzichtet habe. “Zustimmung zum Haushalt gibt es von der CDU, wenn auf die Steuererhöhung verzichtet wird und statt dessen ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept angestrebt wird.”

Es folgte Peter Knitsch, der ansprach, dass die Grünen mit über 30 Anträgen versucht hätten Akzente zu setzen. Die meisten seien abgelehnt worden. Ein Trost sei es, dass es den anderen kleinen Fraktionen ähnlich ergangen sei. Er sparte nicht mit Kritik an Verwaltung und der ‘Groko’.

Detlef Ehlert verteidigte den Vorstoß der SPD: “Eine Grundsteuererhöhung wäre vernünftig gewesen.” Er kritisierte, dass es seitens der CDU keinen einzigen Antrag zum Haushalt gab. “Die Grundsteuer ist der einzige Hebel, um den Haushalt weiter selbst gestalten zu können”, mahnte er den künftig fehlenden Gestaltungsspielraum an.

“Was nun?”, fragte Bernhard Osterwind von der BmU, als er ans Rednerpult trat. Seine Haushaltsrede hatte er schon am 16. Februar 2022 nach dem Haupt- und Finanzausschuss öffentlich gestellt. “Der Haushalt weder in der vorgelegten Version der Verwaltung noch in einer anderen Version eine Mehrheit.” Es müsse doch möglich sein pragmatische Lösungen und Kompromisse zu finden. Er begrüßte, dass auch die CDU ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept möchte und forderte einen transparenten Prozess. (Das hatte die BmU bereits im vergangenen Jahr gefordert, aber keine Mehrheit dafür gefunden.) Er lobte den Fleiß der kleinen FDP Fraktion und den Mut der SPD. Damit ein Kompromiss gefunden werden könne, forderte er eine Sitzungsunterbrechung nach den Haushaltsreden.

„Die Definition von Wahnsinn ist: immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten“, griff Dennis Sauereßig von der AfD in seiner Rede auf ein Zitat von Albert Einstein mit Bezug zur Haushaltsdebatte zurück. Er stimmte Bernhard Osterwind zu, dass einen transparenten Prozess bei einem freiwilligen Haushaltssicherungskonzept geben müsse.

“Es hat uns frustriert, dass unsere vielen Anträge zu Einsparungen nicht einmal ansatzweise diskutiert wurden”, gibt Ralf Lenger von der FDP in seiner Rede zu. Geblieben war bis zu diesem Zeitpunkt allein der Antrag, der forderte die Grundsteuer nicht zu erhöhen. Alle Anträge, die zu Einsparungen hätten führen können, fanden in den Ausschüssen keine Mehrheit.

Den Abschluss der Reden bildete die von Markus Lenk für Die Linke, die im Wesentlichen darauf zielte, ‘dass die Armen die Zeche zahlen müssen’.

Bevor es dann in die geplante Sitzungsunterbrechung ging, meldete sich Bürgermeister Christoph Schultz zu Wort. Er führte den Fraktionen vor Augen, welche Kosten verursacht würden, wenn der Haushalt an diesem Abend nicht beschlossen werden könnte. “Ein Monat Verzögerung bedeutet allein auf den Neubau des Gymnasiums mit veranschlagten Kosten von 80 Millionen bei einer jährlichen Baukostensteigerung von 6 Prozent ein halbes Prozent Kostensteigerung. Das sind 400.000 Euro!”, betonte er an diesem Beispiel.

Die Suche nach dem Kompromiss

In der Sitzungsunterbrechung gab es schließlich rege Gespräche zwischen den Fraktionen. Anschließend stellte Bernhard Osterwind von der BmU einen Kompromissantrag vor. Dieser beinhaltete, das der Rat ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept beschließen, das bis 2030 reichen soll. Dabei soll bis 2025 ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden. Das Haushaltssicherungskonzept soll spätestens bis zur Haushaltseinbringung 2023 vorliegen. Der Antrag soll im Haupt- und Finanzausschuss beraten werden und sollten die Einsparmöglichkeiten nicht ausreichen, sollten auch Optionen der Steuererhöhung aufgezeigt werden.

“Diesem Antrag würde die FDP zustimmen”, ließ Ralf Lenger vernehmen, woraufhin er Kritik von Peter Knitsch zu hören bekam. “Man muss auch einmal kompromissbereit sein”, erwiderte Leonhard Kern-Wagner daraufhin. Die FDP wünschte sich Steuererhöhungen auszuschließen.

“Wenn sich ein Kompromiss findet: Gut”, kommentierte Detlef Ehlert den Vorschlag. Steuererhöhungen dauerhaft auszuschließen hielt er für schwierig. Auch Uli Schimschock, der inzwischen als fraktionsloses Mitglied dem Rat angehört, hatte sich zuvor schon für eine Grundsteuererhöhung ausgesprochen, weil aus seiner Sicht auch Bürger in einer schwierigen Situation ihren Beitrag leisten müssten.

In der später zwischen CDU, BmU und FDP abgestimmten Endfassung des Antrags wurde in Bezug auf Steuererhöhungen dann folgende Formulierung gewählt: Auf Steuererhöhungen soll möglichst verzichtet werden.

Trotz Gegenstimmen und Enthaltungen fanden am Ende der vorgelegte Antrag, als auch anschließend der Haushalt 2022 die notwendige Mehrheit im Rat. Eine Grundsteuererhöhung gibt es vorerst nicht und wenn es nach dem Wunsch der FDP gehen würde, auch auf lange Sicht nicht.

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