Haushaltsrede der CDU

Foto Wolfgang Jöbges

CDU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Jöbges überraschte in seiner Haushaltsrede 2022 mit dem Ansinnen auf die Steuererhöhung zu verzichten und statt dessen ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept anzustreben.

(es gilt das gesprochene Wort, das in Teilen abweicht)

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Schultz,
sehr geehrte Damen und Herren!

Wir haben uns alle verrechnet. Ein Virus hält die Welt seit dem Frühjahr 2020 im Bann und macht uns im privaten und öffentlichen Leben einen Strich durch die Rechnung. Fachleute hatte schon seit Jahren vor einer weltweiten Pandemie gewarnt. Leider vergeblich. Richtig vorbereitet war man nicht.

Im Juli 2021 traf uns ein Regenereignis mit einem Hochwasser, was erhebliche Schäden am Eigentum vieler Bürgerinnen und Bürger und auch an der städtischen Infrastruktur verursachte. Fachleute hatte schon seit Jahren vor Hochwasserereignissen gewarnt. Leider vergeblich. Richtig vorbereitet war man nicht.
Das ist “Murphys Gesetz”, so sagt man. So nennt man die Annahme, dass alles, was schiefgehen kann, auch mit Sicherheit irgendwann schiefgehen wird.

Die Redewendung stammt aus den USA und geht auf den Ingenieur Captain Edward A. Murphy zurück. Er machte Ende der 1940er Jahre im Auftrag der “US Air Force”, eine Untersuchung über Arbeitsabläufe. Dabei stellte er fest, dass etwas, was falsch gemacht werden kann, auch immer falsch gemacht wird. Die Frage ist nur wann.

Auch der städtische Haushalt ist seit Jahren in der Schieflage, von selbst wird er sich nicht heilen, die Frage ist nur, wann es kracht.
Der Kämmerer hat bei Aufstellung des Haushaltsplanes erneut die Pandemie bedingten Risiken berücksichtigt und in den Vorbemerkungen die Situation treffend dargestellt. Insgesamt wird für das Haushaltsjahr 2022 ein durch die Corona Pandemie entstandener Schaden in Form von Mindererträgen und Mehraufwendungen gegenüber der Haushaltsplanung für 2022 in Höhe von rd. 10,2 Millionen € eingeplant. Dieser Betrag wird gemäß der Sonderregelung als außerordentlicher Ertrag in der Ergebnisplan aufgenommen, um die coronabedingte Haushaltsbelastung zu isolieren. Diese gebildeten Finanzierungshilfen sind ab dem Jahr 2025 linear über längstens 50 Jahre abzuschreiben. Dies dürfen wir nicht vergessen.

Nach dem Buchungstand zum 01.09.2021 und der Prognosen geht der Kämmerer davon aus, dass das geplante Defizit für 2021 von 6,51 Mio. EUR sich auf 8,29 Mio. EUR verschlechtert. Wir kommen 2021 zu einem Eigenkapitalverzehr von rd. 5,4 Prozent. Wir liegen somit über der 5%-Grenze, welche bei zweimaliger Überschreitung ein verpflichtendes Haushaltssicherungskonzept bedeutet.

Die finanzielle Schieflage der Stadt Erkrath hat uns auch der aktuelle Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt eindringlich vor Augen geführt. Der Blick auf andere, mit Erkrath vergleichbare Städte zeigt schmerzhaft unsere Schwachstellen:
Bei den Ausgaben für Personalkosten liegt Erkrath im Bereich der oberen 25 %. Die Personalkosten stellen rd. 31 % der städtischen Aufwendungen dar.
Bei Vollzeitstellen je 1000 Einwohner weisen wir bei der Personalquote 1 aktuell 13,8 Stellen aus. Das Minimum vergleichbarer Städte beträgt 4,23 Stellen. Wir sind von 70 vergleichbaren Städten mit 13,8 Stellen der negative Spitzenreiter.
In der Personalquote 2 – dazu gehören Reinigungskräfte, Feuerwehr und Rettungsdienst, Personal in eigenen kommunalen Tageseinrichtungen, Jugendamt und Aufgaben der Sozialhilfe – liegen wir in Erkrath aktuell bei 8,0 Stellen je 1000 Einwohner. Das ist ebenfalls ein Spitzenwert. Der Mittelwert aller Städte beträgt 5,73 Stellen.

Sicherlich: es gibt gute Gründe, lokale Abweichungen von statistischen Zahlen zu begründen. Wir haben in Erkrath drei Stadtteile. Wir haben einen hohen Wert von Beziehern von Transferleistungen und es gibt sicherlich noch andere gute oder schlechte Gründe.

Wir müssen uns dennoch eine weitere Zahl vor Augen führen. 2012 betrugen die Personalkosten rund 22,5 Millionen €. Für 2022, d. h. zehn Jahre später sind nunmehr 46,59 Millionen € eingeplant.
Ja, es ist auch richtig, dass die Zahlen nicht 100 % vergleichbar sind, da zum Beispiel die Reinigung von Schulen und anderen städtischen Gebäude in Eigenleistung durchgeführt wird und nicht mehr fremd vergeben wird. Ferner waren im Feuerwehr- und Rettungswesen notwendige Stellen auszuweiten und darüber hinaus auch der Nachfrage im Bereich der Kinderbetreuung Rechnung zu tragen.
Nichtsdestotrotz liegt innerhalb von zehn Jahren rund eine Verdopplung der Personalkosten vor, ohne dass die Einnahmen nur ansatzweise gewachsen sind. Das wurde auch von der Verwaltung erkannt und deshalb sollen die Personalkosten auf dem Stand von 2022 eingefroren werden. Die Deckelung der Personalkosten ist sicher ein erster richtiger Schritt. Er wird jedoch den strukturellen Problemen nicht gerecht.

Die Details zu den Einnahmen und Ausgaben der Stadt Erkrath stellt der Vorbericht zum Haushaltsplan ungeschönt und exzellent dar. Den Kolleginnen und Kollegen des Rates sind die Daten bekannt. Interessierten Bürgerinnen und Bürgern steht der Haushaltsplanentwurf nebst den Vorbemerkungen auf der Homepage der Stadt Erkrath zur Verfügung. Insoweit spare ich es mir auf die einzelnen Punkte dort einzugehen.

Die finanziellen Probleme in Erkrath sind nur teilweise hausgemacht. Der Bund, das Land NRW, der Landschaftsverband Rheinland und der Kreis Mettmann lassen die Städte schon seit Jahren mit den finanziellen Problemen im Stich. Die seit langem geforderte Gemeindefinanzreform lässt weiterhin auf sich warten. Aufgaben werden nach wie vor auf die Gemeinden übertragen, ohne dass die Kosten 1:1 erstattet werden.

Den Herausforderungen muss man sich stellen und nicht weglaufen.
Nach Auffassung der CDU-Fraktion ist nunmehr eine Grenze erreicht, es sind alle Anstrengungen der Verwaltung und des Rates gefordert, um die strukturellen finanziellen Probleme in den Griff zu bekommen. Insoweit müssen alle Ausgaben und Einnahmen Positionen auf den Prüfstand gestellt werden.

Dies ist nicht im Rahmen der laufenden Haushaltsberatungen möglich. Ich hatte in meiner Haushaltsrede 2021 schon angeregt, dass losgelöst von den unter Zeitdruck stehenden Haushaltsberatungen, es dringend geboten ist, sich über die Zukunft der Erkrather Finanzen ausführlich zu unterhalten und in einem Arbeitskreis Haushaltskonsolidierung über Standards und Einsparrungen diskutieren und durch die Verwaltung dem Rat Vorschläge für Einsparungen zur unterbreiteten. Dazu ist es leider nicht gekommen. Der von uns angeregte Arbeitskreis Haushaltskonsolidierung fand bei anderen Fraktionen keine Gegenliebe.
Bevor wir nächstes Jahr durch die Aufsichtsbehörde zu einem Haushaltssicherungskonzeptes gezwungen werden, schlagen wir deshalb vor, dass der Rat heute beschließt, ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept aufzustellen.

Aufgabe der Verwaltung und gegebenenfalls externer Experten wird es sein, alle Möglichkeiten aufzuzeigen und die Auswirkungen darzulegen, um Einnahmen und Ausgaben zu überprüfen. Die Aufgabe von uns Ratsmitgliedern ist es sodann, Prioritäten zu setzen und unangenehme Entscheidungen zu fällen. Ohne ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept sehen wir jedoch keine Zukunft für die Finanzen der Stadt Erkrath.
Erkrath bewegen und gestalten, dies ist auch angesichts der schwierigen Finanzlage klares Ziel der CDU. Zu dem Neubau der Feuer und Rettungswache, des Gymnasiums Alt-Erkrath, der Campus Sandheide und der Errichtung von zusätzlichen Kinderbetreuungsmöglichkeiten, um nur einige Beispiele zu nennen, gibt es keine Alternative.

Die einzelnen geplanten Maßnahmen werden in den Vorbemerkungen zum Haushalt und der aktuellen Prioritätenliste für Investitionen aufgeführt. Insoweit spare ich mir die Aufzählung an dieser Stelle.
Wichtige Vorhaben, die unsere Stadt attraktiv und lebenswert machen, sind auf den Weg gebracht. Auch das gehört zu einer ehrlichen Bilanz:

Die größte Wohungsbaumaßnahme seit Jahrzehntenn ist auf den Weg gebracht worden. Für die Düsselterrassen in Alt-Erkrath wurde Baurecht geschaffen.
Mit einer Investition von fast. 300 Millionen € werden dort ca. 700 Wohnungen in einem attraktiven Umfeld geschaffen. 40 Prozent aller Flächen, fast 300 Wohnungen sind in dem Neubaugebiet. preisreguliert. Die Planung setzt auf regenerative Energien und ein optimiertes Nahversorgungsnetz durch die Stadtwerke Erkrath. Dies dient sowohl dem Klimaschutz und auch der Reduzierung der Nebenkosten für die Bewohnerinnen und Bewohner. Die neuen Einwohner stärken auch die Kaufkraft und Attraktivität der Fußgängerzone Bahnstraße.

Des Weiteren ist es nunmehr endlich geglückt, das Fernwärmenetz des Ortsteils Hochdahl zu übernehmen. Hier gilt es nun kurzfristig einen Weg zu finden, um einerseits die Versorgungssicherheit sicherzustellen und andererseits einen nachhaltigen Schritt zur Dekarbonisierung der eingesetzten Energie zu finden.
Die Weichen für die Zukunft Erkraths klug und weitsichtig zu stellen, ist die Kernaufgabe der Politik, vor allem angesichts der schlechten Einnahmesituation der Stadt.

Sinkende Gewerbesteuereinnahmen durch Corona und gleichzeitig steigende Belastungen durch die Pandemie, die Flutkatastrophe im vergangenen Sommer, dringend notwendige Baumaßnahmen, nicht zuletzt auch als Folge der Brandstiftung in Schule und Kindergarten, belasten den städtischen Haushalt enorm. Wir sind Land und Bund für ihre Hilfspakete sehr dankbar, doch reichen die angekündigten Gelder kaum, um Löcher im Haushaltssäckel zu stopfen. Wir müssen vielmehr dringend und sehr schnell, unsere eigenen Anstrengungen verstärken, denn wir können auf Dauer nur das ausgeben, was wir auch einnehmen. Auch an dieser Stelle muss man den Blick auf unsere Nachbarstädte richten.

Städte wie Haan und Hilden hatten bereits in den letzten Jahren in großem Umfang neue Gewerbegebiete ausgewiesen, Erkrath bleibt weiterhin die Stadt im Kreisgebiet mit den schlechtesten Perspektiven, die kommunalen Einnahmen durch mehr Gewerbesteuer zu konsolidieren. Wir brauchen die gemeinsame, massive Anstrengung aller politisch Verantwortlichen im Rat der Stadt, damit wir die finanzielle Grundlage von Erkrath endlich auf solide Füße stellen können. Attraktive Gewerbegebiete für Unternehmen sind das A und O. Hier geht es auch um die richtigen kommunalpolitischen Signale an die Wirtschaft Wir können es uns – im wahrsten Sinne des Wortes – nicht länger leisten, mit Taktieren, Verzögerungsstrategien und einem Klima der Verunsicherung mögliche Interessenten regelrecht abzuschrecken.

Wir haben bei den Haushaltsberatungen der Ausschüsse bewusst darauf verzichtet, Ausgaben erhöhende Anträge zu stellen. Wir hätten uns auch gut vorstellen können, dass die Verwaltung eine zusätzliche Kleinkehrmaschine beschafft, welche elektrisch betrieben ist. Hiermit hätten gut die Fahrradwege gereinigt werden können. Die Frage ist jedoch, ob vieles wünschenswerte auch notwendig ist. Da hierdurch nicht die Not gewendet wird, halten wir es nach wie vor für geboten, die Fahrradwege mit den vorhandenen Mitteln zu reinigen. Wir hoffen, dass dies in Zukunft optimiert wird.

Die Erhöhung der Grundsteuer um 50 Punkte oder mehr erachten wir derzeit für den falschen Weg. Die Bürgerinnen und Bürger sind durch die explodierenden Energiekosten schon zusätzlich belastet. Auch ohne eine Grundsteuererhöhung ist der Haushalt 2022 genehmigungsfähig und überschreitet nicht die 5%-Grenze.

Aber es ist auch klar: Handauflegen hilft bei der finanziell erkrankten Stadt Erkrath nicht. Nächstes Jahr stehen wir wieder vor ähnlichen oder gar noch gravierenden Problemen. Hier sind die richtige Medizin und eine Therapie zur langfristigen Genesung angebracht. Ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept ist die richtige und erfolgversprechende Therapie. Ohne einen durch ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept erfolgenden Kassensturz sehen wir nicht, dass eine Erhöhung der Grundsteuer die strukturellen Probleme im Ausgabenbereich lösen wird.

Losgelöst von den Haushaltsberatungen soll die Verwaltung in den nächsten Monaten die Ausgaben und Einnahmen durchforsten und dem Rat Vorschläge in allen Bereichen unterbreiten. Denkverbote darf es nicht geben. Alles muss auf den Tisch. Der Rat hat dann die Aufgabe die Prioritäten zu setzen, abzuwägen zwischen Wünschenswertem und Notwendigem und auch unerfreuliche Maßnahmen zu beschließen.
Zum Ende meiner Rede möchte ich noch kurz auf das Miteinander im Rat eingehen. In einem Rat mit sechs Fraktionen sind lebhafte Diskussionen vorprogrammiert und das ist auch gut so. Die Bürger haben den Parteien bei der Kommunalwahl ihr Vertrauen ausgesprochen und die Verantwortung für unser Gemeinwesen Erkrath übertragen. Die repräsentative Demokratie hat sich in Deutschland bewährt und wird auch durch Bürgerbeteiligung in vielfältiger Art den Belangen einzelner Bürger und Bürgergruppen gerecht. Der falsche Weg ist es jedoch, wenn man als Fraktion in einer Frage offensichtlich nicht die Mehrheit hinter sich hat, sich hinter dem Rücken einzelner Bürger zu verstecken und diese dann als den Bürgerwillen zur instrumentalisieren.

Zu der Art und Weise von einigen Ratsmitgliedern, wie die Redebeiträge geführt werden, passt das Zitat von
Mohandas Karamchand Gandhi: “Wenn du im Recht bist, kannst du dir leisten, die Ruhe zu bewahren, und wenn du im Unrecht bist, kannst du dir nicht leisten, sie zu verlieren.“
Tatsächlich sind aber doch viele, die im Unrecht sind, nicht in der Lage, die Ruhe zu bewahren.“
Die CDU-Fraktion wird dem durch die Ausschussbeschlüsse modifizierten vorliegenden Haushaltsplanentwurf und dem Stellenplan zustimmen, wenn auf die Grundsteuererhöhung verzichtet wird und ein Beschluss zur Aufstellung eines freiwilligen Haushaltssicherungskonzeptes gefasst wird.


Bleibt mir zum Ende meiner Rede noch der Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, den Kämmerer, die Beigeordneten und den Bürgermeister für die im letzten Jahr geleistete Arbeit zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt Erkrath.
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Wolfgang Jöbges
CDU-Fraktionsvorsitzender

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