Nachhaltigkeitsgrundsätze durchsetzen

BmU Erkrath

BmU Fraktionsvorsitzender Bernhard Osterwind/ Foto: TB

Stellungnahme der BmU zum Haushalt 2022

Manch einer würde gerne mit unseren Problemen tauschen. „Ohne Frieden, wenigstens die Abwesenheit von Krieg, ist alles Nichts.“ Einmal mehr lassen Fragen wie Krieg oder Frieden die Erkrather Probleme klein und nichtig erscheinen. Trotzdem müssen wir diese Erkrather Probleme angehen und gründlich bearbeiten. Wir sehen weiterhin einen gefühlt exponentiellen Anstieg der Aufgaben und langfristig nur linearen Anstieg der Einnahmen. Die Steuern werden erhöht und trotzdem rechnen wir mit einer Entnahme aus der allgemeinen Rücklage in Höhe von 3 Mio. €, zusammen mit dem Corona-Schaden 13 Mio.€.

Das geht nicht gut.

Der neuen FDP-Fraktion sei Respekt gezollt vor ihrem Anrennen gegen die schlechte Finanzsituation durch ihre Einzelanträge und auch für ihre senkrechte Haltung in der Fernwärmefrage. Das Ziel ist richtig, gleichwohl die Einzelanträge meist untauglich sind.

Der Haushalt ist nicht mit Luxusmaßnahmen oder Geschenken, die leichter Hand gestrichen werden können, übersät.
Einen auskömmlichen Haushalt erreicht man nur durch konzeptionelles Handeln, bei welchem Leitplanken festgeklopft werden müssen und vielleicht auch ganz normale Ansprüche nicht mehr erfüllt werden können. Unsere vielen Anträge (zuletzt vom 16.02.2020) und Mahnungen zur Aufstellung eines freiwilligen Haushaltssicherungskonzeptes dienten diesem Zweck. Je später man dieses Mittel benutzt, umso härter ist der Bremsprozess und umso unsozialer sind die Folgen!

Also, weder Kopf in den Sand stecken noch Sand in die Augen streuen ist das richtige Konzept. Dazu sind nur noch systemische Änderungen durch ein Haushaltssicherungskonzept unter Einbindung externer Analysten so schnell wie möglich tauglich. Im Dezember 2021 hat der Rat mit Mehrheit beschlossen, eine kommunale Nachhaltigkeitsstrategie für Erkrath zu verfolgen. Ein richtiger, auf einen Antrag der BmU zurückgehender Ansatz, aber er verlagert Konsequenzen zu sehr in die Zukunft und wenn ihm das gleiche Schicksal droht, wie dem Stadtentwicklungskonzept, dann wird daraus nichts, außer Beschäftigungstherapie für das Publikum.

These 1: Unabdingbarer Teil einer Nachhaltigkeitspolitik ist Transparenz

Beispiel: Der Kauf des Fernwärmenetzes und seiner Bedingungen ist für die Allgemeinheit völlig intransparent. Die derzeitigen Überlegungen, was wir denn mit dem maroden Fernwärmenetz nun machen, werden in nichtöffentlichen Gremien geführt. Und in letzteren werden „Gutachten“ mit Inhalten vorgelegt, die keinen Erkenntnisfortschritt aufzeigen.

Beispiel: Unter Missachtung der Geschäftsordnung des Rates und der GO NRW wird die Beschlusskontrolle nichtöffentlich behandelt und den Sachkundigen Bürgern erst gar nicht zugestellt. Eine Bestandsaufnahme des Zustandes der städtischen Immobilien (Antrag der BmU von 2017), insbesondere Schulen, ist bis heute, bis auf die Erstellung eines Formulares, unerledigt.

Beispiel: Arbeitskreis “Freiwillige Haushaltskonsolidierung“, der grundsätzlich nichtöffentlich getagt hat (der BmU-Fraktion wurden noch nicht mal Protokolle dieses AK übersendet).

Völlig unklar bleibt auch, warum die Verwaltung vom Rat verabschiedete Beschlüsse mal jahrelang liegen lässt, mal kurzfristig umsetzt. Beispiel ist der BmU-Antrag zum Schulwegeplan vom 5.2.2013. Das läuft im Prinzip darauf hinaus, dass die Ausschussbeschlüsse nach Belieben der Verwaltung nicht umgesetzt werden und die Kriterien und Prioritäten dafür im Dunklen verharren. In Erkrath kontrolliert die Verwaltung manchmal die Politik und nicht umgekehrt.
Das Stadtentwicklungskonzept liegt bis heute nicht evaluiert und unverändert vor. Trotzdem gibt es z.B. im Fall Wimmersberg erhebliche Abweichungen. In der Beschlusskontrolle 2. Quartal 2021 wird das erstmalig so erklärt: „Das Stadtentwicklungskonzept ist weiterhin handlungsleitend für die Verwaltung. Es wird ergänzt durch die weiteren im Bereich des Planungsrechts gefassten Beschlüsse des Rates.“ Zunehmend erleben wir „Neusprech“ Orwellscher Dimension: „Ergänzt“ heißt hier neu „geändert“. Diese neuen Spielregeln, die von der Verwaltung der Politik vorgegeben werden, hebeln das Stadtentwicklungskonzept, dessen Überarbeitung überreif ist, schlicht aus.
Schlimm: Insbesondere die Kolleginnen und Kollegen aus CDU und SPD machen ihre eigene Entmündigung kritiklos mit.

These 2: Nicht ausgeglichene Haushalte sind ein wesentlicher Hemmschuh für kommunalen Klimaschutz und für Investitionen in die soziale Infrastruktur

Der Klimawandel folgt Naturgesetzen, nicht Finanzierungsmöglichkeiten, nicht sozialen Kriterien und nicht irgendwelchen politischen Regeln. Jeder der mehr Geld ausgibt als er hat, handelt nicht nur fiskalisch falsch und ungerecht gegenüber kommenden Generationen, sondern auch klima- und umweltschädlich, da er sich immer handlungsunfähiger macht.

Die Schuldenpolitik der vergangenen Jahre ist wesentlicher Hemmschuh für ein klimafreundliches Verhalten heute. Gerade weil die Haushalte in Einnahmen und Ausgaben nicht auskömmlich sind, können wir uns diese Schuldenpolitik und die hohen Personalkosten nicht leisten. Wer mit dem Geld nicht auskommt, ja noch nicht mal auskommen will, ist nicht „grün“.

Hier muss man als klarstes Beispiel wieder die Fernwärme ansprechen. Wer die Dekarbonisierung hier aus Gewinnerzielungsabsicht nur „in den Blick“ nehmen will, der ignoriert die zwingenden Konsequenzen des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes. Es gibt keine Übergangsfrist mehr für die Umstellung auf regenerative Energiesysteme und die Erreichung der Klimaziele. Wer das in dieser Klarheit nicht umsetzt, hat den Schuss nicht gehört, mal endlich loszulaufen beim Klimaschutz und nicht nur Papier zu produzieren. Für Erkrath heißt das: Verglichen mit 2011 soll bis 2030 die CO2 Emission um mindestens 33 % = 130.000 t/a gesenkt werden (Beschluss des Rates am 3.9.2019). Ohne dekarbonisierte Fernwärme schaffen wir das schlicht nicht.

Die BmU hat sich seit Jahrzehnten mit dem Thema Fernwärme beschäftigt und sich im Sinne von Kunden und Umwelt für eine preisgerechte und regenerative Umgestaltung ausgesprochen. Die Stadtwerke sind jetzt allerdings unter sehr teuren Bedingungen Eigentümer des maroden Fernwärmenetzes geworden. „Wir wollen gemeinsam die Dekarbonisierung in den Blick nehmen“, heißt schlicht: Keine Dekarbonisierung jetzt. Die Konsequenz ist: „Wir setzen weiter auf Gas und weitere CO2-Emissionen“. Gas ist weder nachhaltig, nicht preisstabil, nicht versorgungssicher.
Das geht nicht gut.

These 3: Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken sind wachsende Finanzrisiken und gefährden den sozialen Frieden

Die Überschwemmungskatastrophe hat Erkrath hart getroffen und kann als Beispiel dienen. Richtig war, dass BmU, SPD, Grüne das Programm Soziale Stadt gegen den erbitterten Widerstand des Bürgermeisters, der CDU, der Feuerwehr noch rechtzeitig durchgesetzt haben. Die Entwicklung gibt uns Recht: Man hätte das Programm Soziale Stadt heute schon allein finanziell nicht mehr realisieren können.

These 4: Unvorhersehbare Ereignisse und Krisen entbinden, von kurzfristigen Effekten abgesehen, nicht von einer Pflicht zur nachhaltigen Finanzgestaltung.

Bei der so breit aufgestellten Aufgabenfülle einer Stadt ist die Krise eigentlich so etwas wie der Regelzustand, die Abwesenheit einer Krise wird zu wenig genutzt, um sich auf die nächste Krise vorzubereiten. 1975 bin ich zum ersten Mal in den Rat gewählt worden. Direkt in eine langjährige „Krise“ hinein. Da lebte man mit den tiefgreifenden ökonomischen Nachwirkungen des Ölpreisschocks. Eine massive Rezession war die Folge und dauerte über 7 Jahre bis 1982. Hinzu kam eine Hochzinsphase, welche die kommunalen Haushalte bis weit über 1982 hinaus stark beeinflusste. Ganz zu schweigen allein von den steigenden Sozialaufwendungen durch die hohe Arbeitslosigkeit. In diese Rezessionsjahre fiel trotzdem der weitere Aufbau der Neuen Stadt Hochdahl. Rathauspolitikerinnen und Politiker haben damals diese Aufgaben bewältigt und nicht nur das: Sie haben das Vermögen erwirtschaftet, das seit 2008 Jahr für Jahr durch die derzeitige Politikgeneration abgeschmolzen wird. 1993 gab es erneut ein Rezessionsjahr. 2002 bis 2006 lag die Jugendarbeitslosigkeit bei 10%, dann gab es die Finanzkrisen.

Krise ist also leider eher der häufigere Zustand und kann nicht als Ausrede für eine nicht auskömmliche Finanzpolitik dienen. Letztere darf nur ein sehr vorübergehendes Phänomen sein. In Erkrath gab es seit 2008 einen auskömmlichen Haushaltsplan mehr. Besonders in den letzten Jahren nahm die Ausgabenseite zu, was sich nicht direkt niederschlug, da wir auch phasenweise exorbitante Steuerzuwächse sahen.

Weitere Risiken

Die Coronakrise hat erhebliche, nachhaltig belastende Finanzdaten für die Kommunen bewirkt (allerdings hat durch sie Deutschland insgesamt seine CO2 Ziele tatsächlich erreichen können und zumindest 2020 übertroffen). Entgegen der Beschlusslage hat man beim Wimmersberg auf eine fiskalische Wirkungsanalyse verzichtet. Möglicherweise weil alle (!) Untersuchungen derartiger Neuansiedlungen zu dem Ergebnis führen: Das kostet die Stadt viel mehr Geld als es einbringt.

Auch wenn Förderprogramme punktuell helfen können. Für eine langfristige und damit nachhaltige Investitionspolitik wäre eine bessere Ausstattung der Städte durch Bund und Land mit frei verfügbaren höheren Anteilen am Steueraufkommen zielführender. Dass Förderprogramme auch unberechenbarer geworden sind, zeigt die Aufgabe der Fortführung der KfW-55-Förderung.

Dass durch Brandstiftung der Stadt massiver, auch finanzieller Schaden zugefügt wurde, ist nicht vorhersehbar gewesen, müsste aber in einer resilienten Kommune auch haushaltstechnisch zu bewältigen sein.
Leider haben die planerischen politischen Vorgaben für die Grundschule Sandheide sowie eine unglückliche Juryentscheidung bei der Preisvergabe uns viel Geld und noch mehr Zeit gekostet. Diese Schule wird Kinder haben, die in ihrer ganzen Schulzeit nur das Provisorium kennen.

Aus jahrzehntelanger Vernachlässigung des Ablassbauwerkes am Stadtweiher resultierte u.a. der Vorschlag, den Stadtweiher bis auf einen kleinen Rest praktisch aufzugeben, was von der Verwaltung und den großen Fraktionen zunächst für richtig gehalten wurde. Sie ruderten zu Recht zurück. Nur bürgerschaftliches Engagement (=Transparenz) hat die Stadt vor erheblichen Fehlern bisher bewahrt.

Die Alternative zum „Kopf in den Sand stecken“ ist nicht „Sand in den Kopf stecken“! Vieles wäre noch zu sagen z.B. zum Standortfaktor CO-Pipeline, Mobilfunkerschließung, Erschließungskostenproblematik bei Straßen, der Schwierigkeit, Konsequenzen aus dem Klimawandel zu ziehen und wie man mit Bürgerbegehren umzugehen hat.
Das Gesagte reicht aber, um eine Schlussfolgerung zu ziehen:
Den Anforderungen, wie sie in These 1 (Transparenz), 2 (Ausgeglichenheit), 3 (Nachhaltigkeit)und vier (Resilienz in der Krise) genannt sind, wird dieser Haushalt erneut nicht gerecht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen des Rates: Klopfen Sie den Treibsand weiterer Verschuldung fest! Das freiwillige Haushaltssicherungskonzept wäre die letzte Chance, aber politisch bei der CDU, der SPD, den Grünen, dem Bürgermeister, dem Kämmerer bisher ohne jede Chance.
Solange die Regeln der Mathematik noch gelten, kommt es übrigens sowieso. Allerdings nicht freiwillig.
Je später umso heftiger und unsozialer. Im lockeren Treibsand geht man unter.

Daher lehnen wir den Haushalt in dieser Form ab.
Bernhard Osterwind
15.02.2022

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