Haushaltsrede DIE LINKE

Markus Lenk/ Foto: Die Linke Erkrath

Markus Lenk bildete mit seiner Rede zum Haushalt 2022 den Abschluss, bevor eine Sitzungsunterbrechung zu einem möglichen Kompromiss führen sollte.

Herr Bürgermeister, Vertreter*innen unserer Verwaltung, Kolleg*innen aus dem Rat der Stadt Erkrath, Vertreter*innen der Presse und Bürgerschaft

„Zu sagen was ist, bleibt die revolutionärste Tat.“ Das Zitat von Rosa Luxemburg von1906 gilt als eines ihrer wichtigen Zitate. Darin veränderte Luxemburg leicht eine Kernaussage von Ferdinand Lasalle in seinem Vortrag zum „Verfassungswesen“, die schon1862 klug war: „Alle große politische Aktion besteht in dem Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit. Alle politische Kleingeisterei besteht in dem Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist.”

Aber was haben diese noch heute starken Worte verstorbenen Denker*innen in einer Haushaltsrede eines Erkrather Stadtrates zu suchen?
Sie gehören hierhin, weil wir Klartext reden müssen, um ehrlich über den Haushalt sprechen zu können:

Die erste Wahrheit ist:
Egal wie wir uns drehen und wenden, egal ob wir so genannte „Freiwillige Leistungen“ kürzen oder nicht, egal ob wir zusätzliche kommunale Abgaben erheben und Deckelungen bei Personal- und Bauprojekten einrichten:

Wir bekommen bei den aktuellen Rahmenbedingungen keinen sozialen und ausgeglichenen Haushalt hin!

Und dabei müssten wir viel mehr investieren. Der Deutsche Städtetag bemängelt einen Investitionsstau von insgesamt knapp 150 Milliarden Euro. Notwendige Klimaschutzmaßnahmen und das Auffangen der Klimafolgeschäden sind dabei nicht mal eingerechnet. Zusätzliche Mittel für die Kommunen sind nötig.

Als LINKE befürchten wir, dass die Zeche wieder von den Armen bezahlt wird.

Der Städte- und Gemeindebund sowie der Deutsche Städtetag fordern zurecht, was die Kommunen für einen ausgeglichenen Haushalt brauchen:

Die Kommunen brauchen höhere Schlüsselzuweisungen, einen höheren Anteil an dem Steueraufkommen.

Bei der Übertragung von (Pflicht-) Aufgaben muss das Konnexitätsprinzip („Wer bestellt, muss auch bezahlen“) vollständig durchgesetzt werden (§ 3.4 GO NRW / Art. 104a Grundgesetz).

Es muss eine rasche Lösung für die Altschulden geben (Altschuldenfonds für Kommunen auf Landes- und Bundesebene)

Das System von Europa-, Bundes- und Landesprogrammen für Sonderfinanzierungen sollte zugunsten von verstetigten Zuweisungen überholt oder zumindest entbürokratisiert werden.

Der „Corona-Sonderfonds“ darf nicht zu Lasten der Gemeinden gehen. Eine Abschreibung der Kosten in 2025 komplett oder ab 2025 über 50 Jahre verschiebt die Kosten nur an spätere Generationen.

Als LINKE fordern wir darüber hinaus die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer, die als Landessteuer überwiegend den Kommunen zugutekam und wieder kommen soll.

Was wir für den Erkrather Haushalt brauchen, ist also klar. Aber was bekommen wir?

„Da es nicht für alle reicht, springen die Armen ein“, sagte Ernst Bloch und verwies damit auch auf solche Situationen wie heute:

Um für den Haushalt zusätzliche Mittel zu bekommen, soll die Grundsteuer angehoben werden. Diese wird auf die Mieter:innen umgelegt und von Eigennutzern der Immobilien bezahlt. „Nur ein paar Euro mehr im Monat“, wie der Kämmerer bei der Einbringung des Haushaltsplanentwurfes formuliert hat.

Ja, nur ein paar Euro mehr pro Monat bei den Haushalten, die in diesem Jahr durch radikale Preiserhöhung bei Strom, Gas, Wärme und vielerorts Mieterhöhungen schon arg gebeutelt wurden und werden. Dazu kommen Benzinpreiserhöhungen, Erhöhungen bei den Kosten des ÖPNV, explodierende Lebensmittelpreise. Keine Lohn- oder Rentenerhöhung, die das ausgleicht, Hartz 4 Bezieher erhalten 3 (!) Euro mehr. „Nur ein paar Euro mehr“ hört sich für all diejenigen, die schon jetzt den Euro dreimal umdrehen müssen, an wie Hohn.

„Da es nicht für alle reicht, springen die Armen ein“

Genau deswegen können wir der Grundsteuererhöhung nicht zustimmen.

Damit der Haushalt irgendwann mittelfristig „gesund“, d.h. ausgeglichen aussieht, rechnen wir „Förderprogramme“ mit ein, die es nicht mehr gibt, die bisher nicht verstetigt sind oder von denen wir nur hoffen, dass sie in Zukunft neu, verändert oder in gewünschter Form existieren werden. Wir rechnen Verkaufspreise für unser Tafelsilber – wie der Neanderhöhe – mit ein, wir schönen erhoffte Einnahmen aus Gewerbesteuer.

Wir werden uns auch in den nächsten Jahren von kommunaler Finanzkrise zu kommunaler Finanzkrise hangeln – es sei denn, es kommt zu einer grundlegenden Reform der kommunalen Finanzen. Ein Haushalt, der dies verschweigt oder bemäntelt ist – mit allem gebührenden Respekt – „Kleingeisterei“.

Aber schauen wir auf den Haushalt selbst. Können wir als DIE LINKE ihm zustimmen, auch wenn seine Finanzierung „kleingeistig“ ist?

Ausdrücklich begrüßen wir den Ankauf des Fernwärmenetzes durch die stadteigenen Stadtwerke. Als Kommune haben wir richtig entschieden, die Stadtwerke nicht zu verkaufen, sondern zu einem kommunalen Energie-Dienstleister auszubauen. Die Erkrather Stadtwerke versorgen uns mit Strom, Trinkwasser und Gas zu vergleichbar günstigen Konditionen. Sie betreiben das Neanderbad und bauen die Glasfaserinfrastruktur aus. Die Preise halten sie – auch im Vergleich zu umliegenden Gemeinden – günstig. Fallen Gewinne an, gehen die in den Stadt-Haushalt. Jetzt gilt es, das zu machen, was aus Klimaschutzgründen und aus Gründen nachhaltig günstiger Preise mit der Fernwärme geschehen muss: Ein möglichst schneller Umbau auf CO2-Neutralität.

Einverstanden: die Stadtwerke sind nur indirekt Teil des Haushaltes, aber dies ist eines der wichtigsten Zukunftsprojekte unserer Stadt!

Beschäftigen wir uns mit den aktuellen Bauprojekten.

Kriterien für Infrastruktur aus LINKEr Sicht sind nicht die Baukosten, sondern ist die Frage, ob das Projekt nötig ist, es die Situation der Bürger*innen verbessert und den Wohlstand in der Stadt hält – und nicht verkauft.

Wir haben die neue Feuerwache auf dem Cleverfeld – im Naturschutzgebiet – abgelehnt, weil wir einerseits vermutet hatten, dass es dort aus topografischen Gründen teuer wird – und andererseits die Natur nicht zerstören wollen. Und bei dieser Entscheidung bleiben wir

Wir haben der Bebauung der Neanderhöhe nicht zugestimmt und müssen heute nicht zustimmen, wenn es um Erschließung, Verkaufserlöse oder imaginäre Einnahmen daraus geht.

Wir haben den städtebaulich unzeitgemäßen Plänen eines Finanzinvestors Am Wimmersberg nicht zugestimmt und werden deshalb auch die Erschließungskosten dazu ablehnen.

Wir halten nichts von Kleinspielfeldern auf Dächern von Turnhallen, wenn dadurch Bolzplätze zerstört werden.

Zum ökologisch bedenklichen Standort des neuen Neandergymnasiums gab es Alternativen. Zu einer großflächigen Erschließung von Erkrath Nord im Außenbereich werden wir weiterhin nicht JA sagen.

Geflüchtete oder obdachlose Menschen steckt man nicht in Container. Wir fordern kommunale Wohnungen und lehnen Container ab.

Das sind einige Beispiele für Projekte, die von der Ratsmehrheit beschlossen wurden und die Investitionen der Stadt in eine falsche Richtung treiben. Wir werden diesen Projekten auch nachträglich nicht im Haushalt zustimmen.

Und: in diesem Haushalt fehlen Projekte, die kurzfristig und schnell umgesetzt werden müssten – aber nicht werden, weil sie dort keine Berücksichtigung finden.

Beispiele: die Umgestaltung der Hauptstraße, der Bergstraße, der Kattendahler Straße: weil die Schwarz/Gelbe Landesregierung nicht in der Lage war, das Gesetz zu Anliegerbeiträgen fair und bürgerfreundlich zu ändern, und die Kommune vermeintlich kein Geld hat.

Der Ausbau der Solarenergie auf städtischen Gebäuden ist – trotz vorhandener Haushaltsmittel – nicht in Gang gekommen.

Eine Kommunale Wohnungsgesellschaft zum Schutz vor der Mietenexplosion wurde komplett und alternativlos abgelehnt.

Fehlende Ressourcen verzögern bauliche Sanierungen – von Schulklos bis zu Spielplätzen. Die Prioritätenliste des Haushalts verschiebt überfällige Projekte bis ins Jahr 2024, obwohl sie jetzt nötig wären.

Der Stellenplan und die Ausgaben „fürs Personal“ sind ein entscheidendes Thema – mit krummen Lösungsansätzen.

Für uns, DIE LINKE, möchte ich zum aktuellen Haushalt und zu den Mitarbeiter*innen der Verwaltung deutlich hervorheben – und gleichzeitig ausdrücklich für die geleistete Arbeit danken:

Für uns sind Ausgaben für unsere Städtischen Mitarbeiter*innen gut angelegte Investitionen in die Zukunft und keine reine Kostenstellen. Sie sind Aktivposten, diejenigen, die den Laden am Laufen halten, in der Verwaltung, in den KiTas, bei den Reinigungskräften, beim Ordnungsdienst – ohne die Mitarbeitenden geht nichts im Alltag der Selbstverwaltung unserer Kommune.

Wir halten es für falsch und pure „Haushaltskosmetik“, wenn der Personalkostenanteil über die nächsten Jahre einfach starr gedeckelt wird. Gerade stehen Tarifverhandlungen bei den Erzieher*innen und den Sozialberufen an. Als LINKE stehen wir an der Seite der Beschäftigten und hoffen, Euer Tarifkampf wird angemessene Lohnsteigerungen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen bringen. Die Lohnsteigerungen müssen sich auch im Haushalt abbilden sowie tariflich vereinbarte Entgelterhöhungen. Ein Haushalt, der eben solche Lohnsteigerungen nicht abbildet, ist „Bemäntelung“ oder „Vertuschung“ – „Kleingeisterei“.

Wir vermissen im Haushalt für die nächsten Jahre eine Ausbildungsoffensive. Wir wissen alle, dass die „Boomer“-Generation in den nächsten 10 Jahren aus dem Berufsleben ausscheiden wird. Nach öffentlich einsehbaren Angaben werden 1/3 der kommunalen Mitarbeiter*innen in dieser Zeit in Rente oder Pension gehen. Schon jetzt wird das Personal in der Verwaltung knapp, und die offenen Stellen werden nur langsam neu besetzt. Wir müssen das mit „Eigengewächsen“ ausgleichen.

Wir wollen rekommunalisieren – zum Beispiel im Grünflächenamt. Statt die Grünpflege an Fremdfirmen zu vergeben, brauchen wir die Identifikation der Mitarbeitenden mit ihrer Aufgabe und unserer Stadt und dadurch wieder die Kontrolle über die Qualität. Mit dem Festschreiben von Personalkosten über Jahre würden wir uns selbst als Stadtrat die Chancen dafür verwehren. Das machen wir nicht mit.

Gute Arbeit, guter Lohn und viel Ausbildung – im Haushalt wird das nicht abgebildet.

Und schließlich fehlt uns in dem so genannten „freiwilligen“ Bereich vieles, was die lebenswerte und zukunftsorientierte Stadt ausmacht. Hier ein paar Beispiele:

Bildung und Ausbildung werden nur eingeschränkt von Bund-, Land, Kommune gewährleistet. Gerade wenn es um Bildungsgerechtigkeit geht, steht auch bei der Stadt Erkrath Vieles nicht im Haushalt, was da eigentlich hingehört: Angefangen von einem Inklusiven Ausbau unserer Schulen, der personellen Gewährleistung von Inklusion, einer „Schule für Alle“ mangelt es an personeller Besetzung und an simpelsten Ausstattungen vom Hausmeister zum dichten Dach, über funktionierende und zumutbare Toiletten bis zu fehlenden Räumen.

Kunst und Kultur als „Freiwillige Aufgabe“? Auf Landes- und Bundesebene initiieren wir LINKE, Kunst und Kultur als Pflichtaufgaben festzulegen. Wir wollen Nutzenden kostenfreien Zugang bieten. Wir wollen eine Stadt sein für Kunst und Kultur, denn sie sind notwendige Lebensmittel.

Demokratie kostet Geld: Wir sind entsetzt, dass es kein digitale Bürgerbeteiligungsplattform im Haushaltsplan der nächsten Jahre gibt.

Jetzt mag der Eine oder die Andere anmerken, dass es doch nur um den lokalen Haushalt geht und wir am besten die Spielregeln der Kommunen einhalten sollen, damit wir nicht unter „Haushaltssicherung“ fallen. Die Drohung der schwarz-gelben Landesregierung mit der „Austerität“ der Haushaltssicherung ist nichts Besonderes. Wir haben die doch jetzt schon im Kopf.

In der Summe von dem, was wir eigentlich machen müssten und in Relation zu dem, was wir machen, ist dieser Haushalt nicht sozial, nachhaltig, nicht zukunftsweisend und noch nicht einmal für eine Bestandssicherung gut.

Wir lehnen den Haushalt ab. Mit uns gibt es keinen kleingeistigen Haushalt und keinen, der die Armen in die Pflicht nimmt, wenn es „für alle nicht reicht“.

„Die Vergangenheit ist geschrieben, aber die Zukunft ist noch nicht in Stein gemeißelt.“ Das ist von Jean-Luc Picard aus „Startrek Enterprise“. Es braucht eine Utopie, auch für einen Erkrather Haushaltsplan. Diese Utopie Wirklichkeit werden zu lassen, sehen wir – DIE LINKE- als herausfordernde Aufgabe an.

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