Wenn der Notfall zum Ernstfall wird: St. Marien Krankenhaus schließt

von Ria Garcia

Foto: Jana Witt

Ratingen | Die Investorensuche des St. Marien Krankenhauses ist gescheitert. Letzte Woche wurde das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet. Weitere Krankenhausbetten und eine Notaufnahme fallen damit weg.

Anfang Februar haben wir mit der Intensivkrankenschwester Andrea gesprochen, die gemeinsam mit Kollegen eine Petition zum Erhalt des St. Marien Krankenhauses in Ratingen gestartet hatte (unser Bericht). Zu dem Zeitpunkt hatte das Krankenhaus ein Schutzschirmverfahren beantragt und versuchte Investoren zu finden. Letzte Woche dann die schlechte Nachricht: Die Investorensuche war gescheitert. „Der wirtschaftliche Betrieb des Krankenhauses als Grund- und Regelversorger war und ist auf Basis der aktuellen Finanzierungsbedingungen im Gesundheitswesen nicht darstellbar. Auch sind keine belastbaren Planungen auf Basis der aktuell vorliegenden Entwürfe zu einer Gesundheitsreform möglich, die eine relevante Verbesserung der wirtschaftlichen Eckdaten erwarten lassen“, wurde der Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht Dr. Kruth in einer Pressemitteilung des Krankenhauses zitiert. Anders als in Bezug auf das Krankenhaus, verläuft der Sanierungsprozess der von der Gesellschaft betriebenen Altenpflegeeinrichtungen offensichtlich planungsgemäß, sodass sie wohl nicht von Schließungen betroffen sind, ist der Pressemitteilung zu entnehmen.

Krankenhausreform als Insolvenztreiber?

Mit der Krankenhausreform werden drei zentrale Ziele verfolgt: die Entökonomisierung, die Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität sowie die Entbürokratisierung des Systems. Darüber hinaus ist die Gewährleistung der Versorgungssicherheit (Daseinsvorsorge) ein zentrales Anliegen„, heißt es auf der Homepage des Bundesgesundheitsministeriums. Aber genau diese Versorgungssicherheit gerät vieler Orts durch die Insolvenzen vieler Krankenhäuser mehr und mehr ins Wanken. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft titelte Mitte März in einer Pressemitteilung: „Krankenhäuser sind gefährdet wie nie zuvor„. 40 Standorte wurden insovenzbedingt in den letzten zwei Jahren geschlossen, wird ausgeführt. Wie drastisch der Anstieg der Insolvenzen im zeitlichen Ablauf war, schreibt die Wirtschaftsprüfungs- und -beratungsgesellschaft Curacon Anfang Februar: „2021 meldeten lediglich drei und 2022 sieben Krankenhäuser Insolvenz an. 2023 stieg die Zahl der Insolvenzverfahren bei deutschen Krankenhäusern auf 30.“ Für dieses Jahr wird eine Verdoppelung der Insolvenzen befürchtet, schrieb der MDR unter Berufung auf die Deutsche Krankenhausgesellschaft Anfang Januar.

Versorgungssicherheit im Kreis

In unserem Bericht Anfang Februar sind wir auf die Krankenhausbettendichte eingegangen. Der Kreis Mettmann hat eine vergleichsweise hohe Anzahl von Einwohnern über 65 Jahre. Wir berichteten, dass die Krankenhausbettendichte deutschlandweit 573,3 pro 100 Tsd. Einwohner beträgt. NRW-weit sind es mit 625,9 etwas mehr. Vor der Insolvenz der Kplus-Gruppe lag die Krankenhausbettendichte im Kreis bei 318,3, also fast bei der Hälfte des NRW-Durchschitts und das obwohl der Kreis dichtbesiedelt und überaltert ist. Mit dem Wegfall des Haaner Krankenhauses und der genehmigten Bettenaufstockung des EVK (die nicht von heute auf morgen realisiert werden kann) lag Krankenhausbettenzahl für die Zukunft pro 100 Tsd. Einwohnern bei 282,2. Mit dem Wegfall von Ratingen sinkt sie auf 245,21, also auf fast die Hälfte des deutschlandweiten Durchschnitts und liegt auch noch deutlich unterhalb des Bundeslandes mit der niedrigsten Krankenhausbettendichte in Deutschland. Die hat Baden-Württemberg mit 478 Krankenhausbetten pro 100 Tsd. Einwohnern.

Besorgniserregende Aussichten

„Wenn Ihr uns nicht helft, liegen wir in Euren Betten“, – warnt ein Mitstreiter aus Hersbruck in einem unserer kürzlich gedrehten Videoclips vor den Folgen der geplanten Krankenhausreform.
Das ist aus dem aktuellen Newsletter von Gemeingut in BürgerInnenhand. Der Verein setzt sich schon seit vielen Jahren für den Erhalt des Gemeinguts, der Daseinsvorsorge und gegen Privatisierungen ein.

Der Satz aus dem Newsletter könnte im Kreis Mettmann bald Wirklichkeit werden, denn die Krankenhausbettendichte wird mittlerweile bedenklich dünn. Aber das ist nicht das einzige Problem der bevorstehenden weiteren Krankenhausschließung, denn mit ihr fällt auch eine weitere Notaufnahme weg und für die Rettungsdienste im Kreis wird die Lage damit auch immer schwieriger. Längere Anfahrten erhöhen möglicher Weise das Risiko für Patienten, sie sorgen aber auch dafür, dass die Rettungsfahrzeuge länger für einen Patienten unterwegs sind. Das macht dann über kurz oder lang eine Aufstockung mit Fahrzeugen und Besatzungen notwendig, um dem Notfall auch künftig noch halbwegs gerecht werden zu können.

Darüber macht sich auch Intensivkrankenschwester Andrea Gedanken, für die – wie auch für ihre Kollegen – nun das Aus des St. Marien Krankenhaus in Ratingen bevorsteht. Wir haben sie noch einmal kontaktiert und natürlich ist sie traurig, dass der Rettungsversuch gescheitert ist. Voraussichtlich heute sollen sie und ihre Kolleginnen und Kollegen erfahren, wie und wann die endgültige Schließung erfolgt.

Update: Bis einschließlich 30. April 2024 können noch Patienten aufgenommen werden. Dann ist Schluss. Die Klinik schließt zum 15. Mai 2024. Patienten, die bis dahin nicht entlassen werden können, sollen auf andere Kliniken verlegt werden.

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