Stadt will Plätze für Flüchtlinge auf 585 aufstocken

von Tobias Schürmann

Das ehemalige Hotel Arcadia. Foto: Lutz Wulfestieg

Im Haupt- und Finanzausschuss (HFA) war das Wohnraumkonzept für Geflüchtete, formal „Standortkonzept 2030“ genannt, ebenso umstritten wie im Ausschuss für Soziales und Wohnen (SoWo) Anfang Mai.

Die Planung zur Vorhaltung von ausreichend Wohnplätzen bis 2030, so wie sie in den Verwaltungsvorlagen erläutert wird, ist gekennzeichnet von Sachlichkeit und Pragmatismus. Das gefällt vor allem den Grünen gar nicht. Sie fordern statt einer technokratischen Kalkulation von Plätzen in Sammelunterkünften mehr Anstrengungen, um so viele Flüchtlinge wie möglich in privaten Wohnungen unterzubringen. Dieser Aspekt wird in der Konzeption nur kurz angesprochen: Die Verwaltung rechnet mit etwa 50 Plätzen von insgesamt 585, die auf angemietete Wohnungen entfallen könnten. Die Stadt muss sich an Restriktionen halten, wie den Zustand der Bausubstanz, die eigentumsrechtliche Lage, oder die Dauer und Kosten, die Anmietung und Herrichtung von Objekten mit sich bringen.

Das Konzeptpapier beginnt mit einer Einleitung zur weltpolitischen Lage. Krisen, Konflikte und Katastrophen würden weltweit gehäuft auftreten und seien nicht vorhersehbar. Die Auswirkungen seien auch in Erkrath zu spüren, in Form der Flüchtlingsströme, die aus den Krisengebieten nach Deutschland kommen und auf die Kommunen verteilt werden. Für die Verwaltung ist es selbstverständlich, dass diese Menschen aufgenommen werden und so gut wie möglich versorgt werden müssen. Dafür bedarf es eines Wohnraumkonzeptes, dass auch nicht-vorhersehbare Spitzen bei den Zuzügen abfedern kann, aber gleichzeitig flexibel genug ist, um in Zeiten von weniger Zuzug reagieren und Kapazitäten vorübergehend abbauen zu können. Die Verwaltung bekennt sich dazu, dass die individuellen Lagen der Familien oder jungen Erwachsenen zu beachten sind, damit diesen alle Chancen in ihrer neuen Heimat erhalten bleiben.

Von der Theorie in die Praxis

In der Praxis ist das nicht ganz so leicht. Die überwiegende Mehrzahl der Geflüchteten wohnt in Gemeinschaftsunterkünften und muss dort oft mehrere Jahre verbleiben. Vermieter, die Geflüchteten eine Wohnung anbieten würden, fordern oft Sicherheiten und die Übernahme der Mietzahlungen durch die Stadt. Sammelunterkünfte sind ungleichmäßig über das Stadtgebiet verteilt und baulich in sehr unterschiedlichen Zuständen. Die Unterkunft an der Freiheitstraße in Alt-Erkrath wurde zum Beispiel durch das Hochwasser 2021 zerstört, so dass dort nun deutlich weniger Menschen in provisorisch errichteten Containerbauten leben müssen. Die Unterkunft am Thekhaus in Hochdahl ist abgängig („eine Ruine“) und muss dringend neu gebaut werden. Das und die Notwendigkeit, mehr Plätze (bis zu 600) schaffen zu müssen, setzt die Stadt unter Handlungszwang. Im Konzeptpapier wird deshalb jeder (potentielle) Standort ausführlich betrachtet und mit einer Art Steckbrief versehen.

Positiv vermerkt die Verwaltung, dass die bekannten Standorte etabliert seien, was die Nahversorgung, Beschulung und Kitas, sowie die Akzeptanz in der Nachbarschaft angeht. An der Freiheitstraße etwa kann eine neue dauerhafte Gemeinschaftsunterkunft an Stelle der Container entstehen. Für den Standort war im Schulausschuss die Entscheidung gefallen, dass dort keine neue Schule gebaut werden soll. An der Gruitener Straße in Hochdahl könnte noch einmal das gleiche Gebäude nebenan gebaut werden, was nur deshalb vorerst zurückgehalten wurde, weil es Nutzungsüberschneidungen mit der benachbarten Grundschule gibt. Zudem gab es dazu in der Vergangenheit schon kontroverse Diskussionen. Auch bei Anwohnern und Eltern der Grundschule stieß diese Option auf wenig Gegenliebe.

Heute schon eingeplant werden können dagegen die Immobilien am Steinhof und am ehemaligen Hallenbad in Hochdahl. Diese Flächen können in  vier bis fünf Jahren zu neuen Standorten für „betreutes Wohnen“ entwickelt werden. Die Fläche Erkrath-Nord und das ehemalige Hotel Arcadia wurden dagegen vom HFA abgelehnt.

Peter Knitsch (Grüne) hält Sammelunterkünfte für ein notwendiges Übel, das so weit wie möglich reduziert werden muss. „Die Menschen leben da auf engem Raum zum Teil über Jahre. Das sind vulnerable Gruppen, auch Kinder, die noch nie ein anderes Leben gekannt haben“, echauffierte sich der Fraktionsvorsitzende. „Es geht nicht darum, in zwei Jahren von allen Gemeinschaftsunterkünften wegzukommen. Wir sind nur der Auffassung, dass, wenn etwas neu errichtet wird, Wohnmöglichkeiten im zivilen Bereich entstehen müssen.“ Ralf Lenger (FDP) stimmte dem zu und forderte, einen Passus in die Beschlüsse aufzunehmen, dass Mütter mit Kindern nicht länger als zwei Jahre in einer Sammelunterkunft bleiben dürfen. Dazu kam es nicht, was Bernhard Osterwind (BmU) unverständlich fand.

„Sie tun gerade so, als ob wir gar keinen Anspruch an die Qualität der Unterbringung hätten. Wir wollen diese durchaus weiterentwickeln“, sagte Dezernent Michael Pfleging nach weiteren emotionalen Ausführungen Knitschs. Die Stadt müsse auch auf ihre Haushaltslage achten und wirtschaftlich handeln. Das Hotel Arcadia zum Beispiel hätte entweder bei einer Zwangsversteigerung erworben und umgebaut, oder aber für lange Zeit von einem Investor teuer gemietet werden müssen. Entsprechend der Gespaltenheit der politischen Lager fielen die Abstimmungen nur mit knapper Mehrheit zugunsten der Verwaltungsvorschläge aus.

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