Rathaus-Geschichte mit Führung

Von Christian Zimmer

Im Büro des Bürgermeisters. Foto: Christian Zimmer

Dank der Organisation des Heimat- und Brauchtumsstammtisches gab es am 26. August 2023 einen interessanten Vortrag über die Geschichte von Rathaus und Bürgermeister mit anschließender Führung.

Obwohl man sich für die Veranstaltung nicht anmelden musste und ein Blick hinter die Kulissen des Rathauses nicht alltäglich ist, hatten sich lediglich rund 25 Menschen im Rathaus eingefunden – Mitglieder des Stammtisches mit eingeschlossen. Somit blieb es eine überschaubare Gruppe. Da Bürgermeister Schultz am Vormittag einen Termin in Gütersloh hatte, wurde die Planung umgedreht: Los ging es im großen Sitzungssaal im Rathaus-Anbau, wo Holger Johan einen Vortrag über die Geschichte des Rathauses und auch über die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister hielt. Die Führung mit dem Bürgermeister folgte im Anschluss.

Die Stadt hatte Wasser bereitgestellt, der Heimat- und Brauchtumsstammtisch zeigte auf einem Tisch alte Sammel-Teller mit Erkrather Motiven und ein Buch über Toni Turek. An der Wand hingen Fotos und zusätzlich lag ein Stapel weiterer Fotos zum Ansehen bereit, sie zeigten vorwiegend das Kurhaus und den Kaiserhof. „Im Jahr 1914 war das Kurhaus ein Lazarett für Soldaten im Ersten Weltkrieg. Dies ist das erste und einzige Bild aus diesem Jahr“, erklärte Johan und hielt besagtes Bild hoch.

Vortrag zur Rathaus-Geschichte

Zunächst stellte Johan den Stammtisch vor: Seit fünf Jahren treffen sich die Heimat- und Brauchtumsbegeisterten monatlich, in dieser Zeit haben sie bereits einige Vorträge über andere Sehenswürdigkeiten in Erkrath gehalten, beispielsweise über die Stindermühle, den Kaiserhof oder das Kurhaus. Die Geschichte des Rathauses fing Johan mit Gerresheim an. Erkrath gehörte früher zu Gerresheim – und Gerresheim wehrte sich dagegen, dass Erkrath eigenständig sein wollte. Nach mehreren Versuchen wurde 1897 schließlich der Antrag gestellt, dem letztendlich zugestimmt wurde und für die Trennung sorgte. Am 1. Juni 1898 wurde Erkrath mit Dorp, Bruchhausen-Hochdahl und Trills selbstständig. „Die Erkrather pushten nach vorne, die wollten nicht nach Gerresheim fahren“, sagte Johan fast schon wie ein Fußballkommentator.

Das Gelände des Rathauses gehörte früher dem Industriebetrieb Bernsau. „Die Leute von Bernsau wollten das Rathaus hier haben“, so Johan. Im Frühjahr 1899 war Baubeginn, bereits im Oktober desselben Jahres ging das Rathaus in Betrieb. 1913 wurde das Bürgermeisterhaus, gegenüber des Rathauses an der Ecke Bahnstraße/Bismarckstraße gelegen, gebaut und bezogen. Im gleichen Jahr wurde im Rathaus die Gemeindesparkasse untergebracht, die erst 1957 ausziehen sollte. Von ihr ist der Spruch „Spare in der Zeit, dann hast du in Not“ geblieben, der über dem damaligen Sparkassen-Eingang und heutigen Eingang zum Standesamt prangt. Dort, wo einst die Sparer ihr Geld hinbrachten, ist heute das Trauzimmer.

Mitten im Vortrag lobte Johan die Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv. „Das Stadtarchiv ist toll“, befand er. Dort holen sich die Mitglieder des Heimat- und Brauchtumsstammtisches viele Informationen her, unter anderem auch für diesen Vortrag. Weiter erzählte er vom Bürgermeisterhaus, dass von der Idee bis zum Baubeginn gerade einmal acht Monate vergingen – heutzutage kaum vorstellbar. Bis 1953 wohnten die Erkrather Bürgermeister dort.

Ein Besucher erzählte: „Das Bürgermeisterhaus hatte früher den Ruf der ‚Nazi-Villa‘. Meine Eltern haben mir immer erzählt, ‚wenn du einkaufen gehst, gehe nicht dort rum!‘, also ging ich immer über die Freiheitstraße zur Innenstadt.“ In der NS-Zeit hatte im Bürgermeisterhaus ein von der NSDAP eingesetzter Bürgermeister gewohnt. Der Parkplatz an der Bahnstrecke gegenüber war früher ein riesengroßer Garten. Während dem Vortrag hörte das Publikum gespannt zu und am Ende des Vortrags wurde auf den Tischen geklopft und applaudiert.

Um die Zeit bis zum Eintreffen des Bürgermeisters zu überbrücken, zeigte Johan noch einen historischen Film und weitere historische Bilder aus Erkrath. Dabei wurden manche Bilder mit Fachwissen der Besuchenden kommentiert – keine Frage, hier waren vor allem Geschichtsinteressierte gekommen.

Rundgang durch das Rathaus

Nach dem Eintreffen von Christoph Schultz gab es zunächst Informationen von ihm: An den zehn bis elf Standorten der Verwaltung arbeiten mittlerweile über 900 Mitarbeitende, darunter auch Teilzeitkräfte. Unten am Rathaus-Eingang hängt ein Nietnagel der Neandertal-Autobahnbrücke, die 1936 gebaut und 1985 abgerissen wurde. Schultz erklärte, dass die Autobahnbrücke ursprünglich auch im Stadtwappen war, bis die Zusammenlegung mit Hochdahl kam und das Millrather Mühlenrad die Brücke im Wappen ersetzte. „Die Autobahnbrücke wäre heute auch nicht mehr modern“, meinte Schultz.

Als jemand dazwischen redete, scherzte der Bürgermeister: „Bitte nicht dazwischenreden, wir sind hier nicht im Stadtrat!“ Nach großem Gelächter fügte er hinzu: „Nein, nein, der Stadtrat ist immer ganz lieb!“ In den Keller des Rathauses wollte die Gruppe nicht, laut Schultz wäre dieser unspektakulär. Aber er konnte erzählen: Früher gab es im Rathaus tatsächlich ein kleines Gefängnis, allerdings wären Bösewichte dort wohl nur für einige Stunden eingesperrt worden, zur Übernachtung taugte dieses Gefängnis nicht.

Schultz führte die Gruppe in das alte Rathaus. Zuerst ging es durch ein Büro des Ordnungsamts im Erdgeschoss. „Hier werden Ihre Strafzettel bearbeitet“, sagte er. Neben dem Eingang hängt der Nietnagel der Autobahnbrücke, der aus einem Nachlass stammt. Die Treppe in das erste Geschoss führt an zahlreichen Bürgermeister-Porträts vorbei. Schultz sagte, diese Porträts hätte sein Vorgänger Arno Werner „etwas eigenwillig“ platziert. Werner war der Auffassung, dass lediglich die hauptamtlichen Bürgermeister (seit 1999) Beachtung finden würden, da das Bürgermeisteramt zuvor ein Ehrenamt war.

Christoph Schultz sah das anders und hat daher die Porträts sämtlicher Erkrather Bürgermeister sowie der beiden Bürgermeisterinnen seit 1898 aufhängen lassen. Mit einer Ausnahme: „Den Nazi-Bürgermeister hänge ich hier nicht auf, weil das ja auch eine Ehrung ist, die ihm nicht geben möchte.“ Zwischen 1933 und 1945 wurde in Erkrath ein Bürgermeister durch die NSDAP bestimmt, noch heute zeugen die Stolpersteine von den Taten der Nationalsozialisten in Erkrath.

Ein goldener Rahmen

Eine Besonderheit gibt es auch bei dem Bilderrahmen mit dem Porträt von Arno Werner: Dieser ist golden, während die übrigen Rahmen silbern sind. „Dazu hat er mir gesagt: Als sein Porträt aufgehangen werden sollte, hätte es keine silbernen Rahmen gegeben – also hat er einen goldenen für sich genommen“, erzählte Schultz mit einem Schmunzeln, auch in der Gruppe konnten die meisten ein Schmunzeln nicht verbergen. Da Werner sein direkter Vorgänger war, habe er dies aus Respekt nicht korrigiert. Vielleicht wird irgendwann sein Nachfolger den Rahmen gegen einen silbernen austauschen.

Auch zu der Lampeninstallation im Treppenhaus wusste Schultz etwas zu erzählen: „Die war schon da, als ich erstmals gewählt wurde.“ Das war 2015. Zu seinem Erstaunen waren die Lampen damals nicht auf LED umgerüstet, was er wegen den Energiekosten umgehend in Angriff nahm. Wegen dem Arbeitsschutz musste ein Gerüst aufgebaut werden und die Umrüstung auf LED kostete somit rund 600 Euro. „Nach einem Jahr hat sich das aber bereits rentiert“, so Schultz.

Um in das Büro des Bürgermeisters zu kommen, muss seine Vorzimmer-Dame zunächst die Tür öffnen. Draußen ist nur ein Knauf, zudem eine Überwachungskamera, damit man sieht, wer vor der Tür steht. „Das ist aus Sicherheitsgründen heutzutage leider nötig“, erklärte Schultz. Dann ging es in Schultz’ Büro – und obwohl es groß ist, fand die Besuchergruppe gerade noch so Platz darin. Das Büro ist schlicht gehalten: Ein Besprechungstisch, ein Vitrinenschrank für Geschenke, ein paar Büromöbel und der Schreibtisch. An den Wänden hängen Bilder.

Auf einem Ecktisch steht eine Uhr. „Die habe ich von meinen Eltern geschenkt bekommen. Und wissen Sie, warum die dort steht? Weil ich meistens gegenüber an dem Besprechungstisch sitze und somit immer die Zeit im Blickfeld habe, wenn ich mit anderen Leuten spreche.“ Gegenüber des Schreibtisches hängt eine große Landkarte von Erkrath. „Somit habe ich immer wieder im Blick, dass ich für alle drei Stadtteile zuständig bin und nicht nur für einen.“ Zu einer Eselfigur auf seinem Schreibtisch sagte Schultz: „Ich bin ja Unterbacher und der Esel ist belastbar, da passt er gut hierher.“

In einem Vitrinenschrank ist alles gesammelt, was im Laufe der Zeit (überwiegend vor Schultz’ Amtszeit) an Präsenten im Rathaus gelandet ist. So haben die Briten etwa ein Whiskey-Gefäß geschenkt, auch von der japanischen Botschaft fanden sich Geschenke. An der Fensterfront gab es weitere Dinge wie etwa einen goldenen Feuerwehrhelm aus Frankreich oder eine kleine verzierte Glocke aus Korea. „Die läute ich tatsächlich hin und wieder, weil ich den Klang so schön finde“, verriet Schultz und führte sie sogleich vor. Weiter findet man im Büro ein Bild von einem Kindergarten-Besuch oder auch den kürzlich erhaltenen „Goldenen Neandi“. Ein Preis der BmU ist im Laufe der Jahre hingegen schon kaputt gegangen.

Sitzungssaal

Gegenüber des Bürgermeister-Büros liegt der kleine Sitzungssaal. Hier erzählte Schultz, was nach seinem Amtsantritt alles erneuert wurde: Wände und Lampen wurden erneuert, die alten Tische sind weg und wurden gegen modernere Tische ausgetauscht. Lediglich ein älterer Tisch sei noch übrig, der werde für besondere Trauungen aufgestellt, die dann auch der Bürgermeister durchführt.

Schultz zeigte auf eine Ecke des Sitzungssaals, wo sich draußen die Straßen Bahnstraße und Bismarckstraße kreuzen. Dort, wo heute eine historische Karte von Erkrath und Gerresheim hängt, hing früher etwas ganz anderes: „Als ich hier anfing, hing dort die Ernennungsurkunde von Erkrath zur Stadt – aber keine Kopie, sondern das Original“, führte er aus. Und das war gar nicht gut, denn durch die Sonneneinstrahlungen war das historisch nicht unwichtige Dokument schon vergilbt. Schultz habe es daher umgehend zur Einlagerung in das Stadtarchiv gegeben.

Auch ein Porträt des Bundespräsidenten hing früher nicht im Sitzungssaal, doch den höchsten Repräsentanten Deutschlands wollte er schon dort hängen haben. Bei Besuchen von Kindern würde er immer fragen, wer das denn sei. „Die Rätseln dann: Der Scholz ist es nicht, der hat ja keine Haare mehr.“ Auch eine Uhr hat Schultz im Sitzungssaal aufhängen lassen, damit bei Sitzungen häufiger darauf geschaut wird. „Leider schauen die wenigsten Ratsmitglieder darauf“, ließ er die Besuchenden wissen.

Holger Johan meldete sich zu Wort und warf eine Geschichte ein: An dem Fenster, welches im Sitzungssaal zur Bahnstraße hin gewandt ist, hatte Fußballer und Torwart Toni Turek nach der gewonnenen Weltmeisterschaft 1954 der Erkrather Bevölkerung zugejubelt. „Der wollte sich unbedingt bei den Menschen bedanken“, wusste Johan. Ein Detail, welches selbst für den Bürgermeister noch unbekannt war.

Im Sitzungssaal stehen auch die einzigen Flaggen, die Erkrath für offizielle Anlässe hat, die werden auch schon mal in die Stadthalle gebracht. Seit dem Wegfall der Städtepartnerschaften sind nicht nur deren Flaggen eingelagert worden, auch die Partnerschaftsurkunden wurden abgehängt. Von den vier Urkunden waren zwei ebenfalls schon durch UV-Licht stark beeinträchtigt gewesen. Schultz bedauerte die Aufgabe der Städtepartnerschaften. Das habe nicht an Erkrath gelegen, die Partnerschaften wurden von den Partnerstädten aufgekündigt. „Zuletzt hatten wir bei den Briten nochmal angefragt, die uns dann höflich geantwortet haben: Ey, wir haben schon drei mal gesagt, dass wir das nicht mehr wollen.“

Neben einer Kupferprägung des alten Stadtwappens hängt im Sitzungssaal noch eine Urkunde des Japanischen Generalkonsulat, welches sich Stadtauswärts an der Düsseldorfer Straße gegenüber von Haus Morp befindet. Da auch Schultz kein Japanisch kann, befindet sich auf der Rückseite der gerahmten Urkunde eine deutsche Übersetzung. Auch auf das große Öl-Gemälde von Leopold Wenzel aus dem Jahr 1954 kam Schultz zu sprechen: Wie so vieles in dem Raum war auch dieses durch Lichteinstrahlung beschädigt und musste restauriert werden. Rund 3.000 Euro kostete dies, da in mühsamer Handarbeit mit Watte und Tinkturen gearbeitet werden musste.

Kein Stadtkönig

Der Abschluss des Rundgangs fand in dem Büro statt, wo die Beschwerdestelle sitzt. Direkt hinter dem Büro des Bürgermeisters gelegen, war dies einst mal das Büro von Thomas Hendele. Der heutige Landrat des Kreises Mettmann war früher Beigeordneter in der Stadt Erkrath. Auch hier kann man von einem schlichten Büro sprechen – Computer, Drucker, Aktenschränke. An der Wand Bilder von Erkrath und Poster mit den Erkrath-Motiven von Karnevals-Künstler Jacques Tilly.

Christoph Schultz wiederholte den bereits bei den Stadtgesprächen getätigten Spruch „Ein Bürgermeister ist kein Stadtkönig“ und warb dafür, sich zu engagieren – beispielsweise in Vereinen. „Man soll sich nicht wichtig nehmen“, so seine Devise. Sorge bereite ihm die niedrige Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen. „Dabei entscheiden wir hier vor Ort vieles, was direkten Einfluss auf die Menschen hat“, erläuterte er. Schultz befürchtet, dass es zukünftig zu immer mehr „Verteilungskämpfen“ kommt, dabei gibt es „Kühe, die wir nicht schlachten wollen“, so Schultz. Als Beispiel nannte er die Kinderförderung oder auch Einwanderung. „Ohne Einwanderung geht es gar nicht“, ist sich Schultz sicher.

Und so ging ging die Veranstaltung nach ca. zwei Stunden zu Ende. Der Heimat- und Brauchtumsstammtisch plant bereits den nächsten Vortrag: Dieser wird über den alten Bahnhof gehen und natürlich in dem denkmalgeschützten Gebäude gegenüber des Kaiserhofs stattfinden. Der genaue Termin wird noch bekannt gegeben.

Weitere Bilder gibt es in der Galerie:

3 Kommentare

  1. Danke für den ausführlichen Bericht. Fast, als wäre ich dabei gewesen. Herr Johan ist für solche Veranstaltungen ein fachkundiger Informant, der die Geschichte der Stadt Erkrath sehr gut kennt.

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