
Vor etwas mehr als einem Jahr kam Laura Kadur als neue Pfarrerin in die Evangelische Kirchengemeinde Hochdahl.
Wenn man mit Laura Kadur über ihre Arbeit spricht, fällt früher oder später der Satz „Ich liebe Gottesdienste“ und das merkt man ihr auch an, wenn man einen ihrer Gottesdienste besucht. Selbst ein Abschiedsgottesdienst, wie der vom Gemeindehaus Sandheide. Sie besitzt eine unvergleichliche Art die Menschen mitzunehmen, in dem sie „vorstellbare Bilder“ aus dem Leben einfließen lässt, an jenem Sonntag die von ihrem eigenen Abschiedsritual bei Umzügen. Was Laura Kadur offensichtlich noch liebt, ist die Arbeit mit Menschen, zuerst die Fürsorge und jetzt die Seelsorge.
Dass sie eines Tages Pfarrerin sein würde, stand indes gar nicht so früh fest. „Ich wollte nach dem Abitur nicht studieren“, gesteht sie. Sie sei des theoretischen Lernens damals ein wenig überdrüssig gewesen. Schon als Oberstufenschülerin arbeitete sie nebenbei in einem Seniorenheim und half dort in der Pflege und in der Küche aus. Nach dem Abi entschloss sie sich eine Ausbildung zur Krankenschwester zu absolvieren. Ihre Schwester war Kinderkrankenschwester, aber Laura Kadur zog es in den Bereich der Pflege von Erwachsenen. Nach der Ausbildung war sie als Krankenschwester in der Neurologie tätig. Dass sie schließlich doch den Weg in ein Studium eingeschlagen hat, war eher Zufall. 2009 interessierte sie sich für eine Fachweiterbildung in Intensivmedizin. Aber es gab eine Warteliste. Zur Überbrückung entschied sie sich für einen Studiengang Anleiten und Beraten im Sozial- und Gesundheitswesen. „Dabei ging es zum Beispiel um die Beratung von Angehörigen von Demenzerkrankten und Schlaganfallpatienten“, erzählt sie. Das berufsbegleitende Fachhochschulstudium wurde in Bielefeld Bethel angeboten. Die Fachhochule für Diakonie bot einen Schnupperkurs Theologie in der Kirchlichen Hochschule Bethel an, die zu dieser Zeit mit der Kirchlichen Hochschule Wuppertal fusionierte.
Mache ich das?
„Ich war damals 26 Jahre alt und habe mich gefragt, ob ich das machen soll. Ein halbes Jahr lang habe ich überlegt und dann im Sommer 2010 an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal mein Studium begonnen“, erinnert sie sich. Vier Jahre lang hat sie parallel zum Studium weitergearbeitet, zuerst noch als Krankenschwester in der Uniklinik und später in einem Seniorenheim. „Das war die Einrichtung, in der ich schon in der Oberstufe gearbeitet habe“, erzählt sie. Der Vorteil des Wechsels: Sie konnte vorarbeiten und dann im Semester die Überstunden abbauen, sodass sich Arbeit und Studium besser kombinieren ließen. Irgendwann musste sie sich dann doch entscheiden, ob sie Krankenschwester die Theologie studiert oder Theologin, die mal Krankenschwester war, sein möchte. Sie konzentrierte sich ganz aufs Studium und ging ersteinmal nach Heidelberg. „Für mich haben Heilung und Spiritualität schon immer zusammengehört“, erklärt sie ihre damaligen Beweggründe. Für ihr Examen wechselte sie dann nach Bonn. 2016 schloss sie ihr Studium ab und begann nach dem ersten Theologischen Examen ihr Vikariat in Radevormwald und später in Wuppertal. 2019 brachte sie ihr zweites Theologisches Examen hinter sich und trat ihren Probedienst in Köln-Weiden an. „Der Wilde Westen von Köln“, wie sie sagt.
Zwei Jahre blieb sie dort. Nachdem sie den Probedienst gesegnet abgeschlossen hatte, übernahm sie die Stelle als Vakanzvertreterin der Evangelischen Kirchengemeinde in Wesseling. Auch dort blieb sie zwei Jahre, bevor die gebürtige Essenerin doch ein klein wenig „Heimweh“ bekam. „Ich wollte einfach wieder etwas näher in Richtung Heimat“, erklärt sie. Auf der Suche stieß sie schließlich auf die Vakanz in Hochdahl. Sie informierte sich und bemerkte schließlich, dass ein ehemaliger Studienkollege bereits in Hochdahl als Pfarrer tätig war: Gabriel Schäfer. So war es für sie einfach im Vorfeld festzustellen, ob sie und Gabriel Schäfer in ihrer Arbeit zusammenpassen und sich vorstellen können zuzusammenzuarbeiten.

Pfarrer Gabriel Schäfer und Pfarrerin Laura Kadur.
Foto: Lutz Wulfestieg
Heute wissen wir: Pfarrerin Laura Kadur und Pfarrer Gabriel Schäfer haben damals entschieden, dass sie sich gut vorstellen können zusammenzuarbeiten, denn am 1. September 2023 trat Laura Kadur ihren Dienst als Pfarrerin in Hochdahl an. Danach gefragt, warum sie eigentlich nicht in die Krankenhaus Seelsorge gegangen ist, bekennt sie, dass es ihr vermutlich nie gelungen wäre „die Krankenschwester abzulegen, wenn ich das Krankenzimmer betrete“. Allerdings, so sagt sie, profitiere sie sehr von der vorherigen Ausbildung. „Ich sehe mehr“, beschreibt sie es.
Als Gemeindepfarrerin in Hochdahl angekommen
Laura Kadur hatte nach dem Examen die Wahl Gemeindepfarrerin oder Funktionspfarrerin zu werden und entschied sich für ersteres, weil sie Gottesdienste liebt, kreativ ist und gerne auch neue Dinge ausprobiert. Wie etwa die kurzen Andachten für den WDR, von denen sie etwa 12 pro Jahr produziert. Außerdem arbeitet sie für die liturgische Konferenz der EKD und ist Prüferin für das erste und zweite theologische Examen unter anderem im Bereich Gottesdienst, wenn sie gerade nicht im „Gemeindedienst“ aktiv ist. „80 Prozent der Aufgaben als Pfarrerin kommen im Theologiestudium nicht vor“, beschreibt sie den Alltag, der oft eher der Führung eines mittelständischen Unternehmens ähnelt. Entscheidungen, die die Gemeinde betreffen, werden im Presbyterium getroffen, das hier in Hochdahl aus 19 Mitgliedern besteht. Eines der Mitglieder ist Jugendpresbyter. „Im Presbyterium habe ich nur eine Stimme und die wiegt genauso viel, wie die eines ehrenamtlichen Presbyters“, erklärt sie, dass Entscheidungen gemeinschaftlich, demokratisch getroffen werden. „Das ist begrüßenswert, manchmal den Menschen aber gar nicht so bewusst, denn bei schweren Entscheidungen zeigen die Menschen auf Gabriel Schäfer oder mich als ‚Aushängeschilder‘ der Gemeinde.“
So war es auch mit dem Gemeindehaus Sandheide. „Prüft alles und behaltet das Gute“, lautet die Jahreslosung der evangelischen Kirche für 2025. Das Gemeindehaus gehört aufgrund seiner maroden Bausubstanz nicht dazu. Aber das war schon 2019 klar, als im Presbyterium der Entschluss gefasst wurde, das Gemeindehaus perspektivisch aufzugeben. 2035 sollen in den Gemeinden der Evangelischen Kirche im Rheinland nur noch Gebäude betrieben werden, die treibhausgasneutral sind. So will es die rheinische Landeskirche. Längst nicht jedes aktuell noch genutzte Gebäude erfüllt die Bedingungen und muss saniert oder geschlossen werden. Für das marode Gemeindehaus war Sanierung keine Option. Die Kosten wären zu hoch gewesen. Inzwischen ist das Gemeindehaus geschlossen. Am 6. Oktober 2024 fand ein Abschiedsgottesdienst statt, über den wir berichteten. „Die Menschen möchten sehen, dass etwas Gutes kommt“, hatte uns Laura Kadur im Vorfeld gesagt. Die Chance, dass an gleicher Stelle etwas Neues entsteht, stehen nicht schlecht, aber noch ist nichts endgültig entschieden.

Für die Aktivitäten, die neben Gottesdiensten bisher im Gemeindehaus stattgefunden haben, müssen neue Räume gefunden werden. So sind etwa die Veranstaltungen des Ökumenischen Bildungswerks Hochdahl inzwischen ins Paul-Schneider-Haus umgezogen. Dort finden auch die Gottesdienste der Winterkirche statt. „Wir sind nicht auf uns allein gestellt“, freut sich Pfarrerin Laura Kadur über die enge Zusammenarbeit mit der katholischen Gemeinde, die es ermöglicht auch deren Räume zu nutzen. Überhaupt hat sie die Ökumene in Hochdahl als etwas Besonderes, fast schon Einzigartiges, erfahren. „Hier begegnen wir uns wirklich auf Augenhöhe“, schätzt sie den Umgang miteinander. „Die Ökumene hier ist ein Segen und die Menschen nehmen das wahr“, beschreibt sie ihre Wahrnehmung, denn häufig bemerkt sie, dass Gemeindemitglieder sowohl evangelische, als auch katholische Gottesdienste besuchen.
Kirche im Wandel – Gestalten, statt festzuhalten
Schon der griechische Philosoph Herklit sagte: „Nichts ist so beständig wie der Wandel.“ Und dieser beständige Wandel ist auch in Kirchengemeinden spürbar. „Ich bin auch jemand, der Veränderungen anstößt“, sagt Laura Kadur. Statt Probleme zu wälzen, sucht sie lieber Lösungen und regt an darüber nachzudenken, wie evangelische Kirche in Hochdahl 2030 seien könnte. „Ich halte mich nicht an Dingen fest. Ich gestalte lieber, als mich überrollen zu lassen“, beschreibt sie sich. Dazu gehören aus ihrer Sicht auch Schritte, wie die Schließung des Gemeindehauses. Die Frage sei auch, was finanziell überhaupt noch gehe.
Die Frage, wie evangelische Kirche in Hochdahl 2030 seien könnte, ist angebracht, wenn die Gemeinde noch selbst mitgestalten möchte. Wie überall nimmt die Zahl der Gemeindemitglieder ab. Sei es, weil Mitglieder versterben oder durch Kirchenaustritte zum Teil aufgrund bekanntgewordener Missbrauchsfälle, die es auch in der evangelischen Kirche gab. „Viele Menschen, die aus der Kirche austreten, machen sich nicht bewusst, dass mit den Austritten auch die Finanzierung sozialer Infrastruktur ins Wanken gerät“, gibt Pfarrerin Laura Kadur zu bedenken. Wohin die Kirchensteuer im Einzelnen fließt, kann man auf der Homepage der Evangelischen Kirche im Rheinland nachlesen. Ganz aktuell ist die soziale Infrastruktur darüber hinaus durch geplante Kürzungen der Landesregierung in Gefahr. Die Herausforderungen für Gemeinden und Wohlfahrtsverbände bleiben also groß, beziehungsweise werden größer.
Die Pfarrerin die Gottesdienste liebt und gerne irritiert

„Ich habe eine diebische Freude, wenn ich Menschen irritiere“, verrät Laura Kadur lachend. Gemeint sind damit ihre Jugend und ihr Äußeres „Kann man so jung schon Pfarrerin sein?“, wird sie manches Mal gefragt und dass Blumen bei ihr nicht nur auf der Fensterbank stehen, sondern gleich auf die Arme tätowiert sind, irritiert viele noch deutlich mehr. „Darf man das als Pfarrerin?“, fragen einige.
Genau das eröffnet ihr aber auch oft den Zugang zu Menschen, die sonst eher nicht mit einem Pfarrer oder einer Pfarrierin ins Gespräch kommen. Und ins Gespräch kommen, sei in der heutigen Zeit nicht einfach. „Das geschieht dann eher bei Taufen oder Hochzeiten“, erklärt sie. Ins Gespräch zu kommen wird aber in Zukunft wichtig sein, wenn Kirche sich auch bei abnehmenden Mitgliederzahlen weiter als spiritueller Ort und Gestalter sozialer Infrastruktur entwickeln will. „Die Kirche ist nicht mehr Marktführer für Spiritualität“, weiß Laura Kadur. Sie verschwinde inzwischen ein wenig in der Masse der Angebote und auch in der Politik spiele sie eine immer kleiner werdende Rolle. Umso wichtiger ist es natürlich vor Ort perspektivisch zu planen, wie Kirche 2030 ‚funktionieren‘ kann. „Wir müssen uns fragen, was wir besonders gut an einem Ort können. Nicht alle müssen alles können. Wo sind die Begabungen in den Gemeinden?“, beschreibt Laura Kadur. Nicht jede Gruppe oder jeder Kreis brauche einen Pfarrer. Ein Kreis sei auch ohne Pfarrer vollständig. Was es in jedem Fall auch weiter geben muss: Räume für das gemeinschaftliche und christliche Leben.
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