Neuer Vorsitzender und neue Interessenten für den Integrationsrat

von Susann Krüll

Serra (l.) und Gao. Foto: Sonja Thomson

Mit Azim Abromand hat der Integrationsrat der Stadt Erkrath seit Oktober vergangenen Jahres einen neuen Vorsitzenden. Ihn stellen wir hier vor und haben mit zwei Frauen, die sich für die Mitarbeit in der kommenden Legislaturperiode interessieren, gesprochen, was sie sich von der Arbeit des Integrationsrates erwarten.

Azim Abromand – seit 1976 in Deutschland

Mit einem Stipendium kam Azim Abromand zum Studium der Elektrotechnik aus Afghanistan nach Deutschland. Da sein dort abgelegtes Abitur nicht anerkannt wurde, stand zunächst ein einjähriges Studienkolleg an. „Ich hatte zwar in Afghanistan Deutsch gelernt, aber das Kolleg hat mir auf jeden Fall noch bei der Verbesserung der Kenntnisse geholfen, so dass ich das Studium auch sprachlich gut meistern konnte“, so der Vater zweier Kinder und Opa von vier Enkeln, der seit 1994 mit seiner Frau in Hochdahl lebt.

Der frisch pensionierte Elektro-Ingenieur hat bis Ende des Jahres beim TÜV Nord für die DTM GmbH in Essen gearbeitet. Für seinen Arbeitgeber war er weltweit unterwegs, um in Kokereien dafür zu sorgen, dass zu deren Reinigung das zugelassene Gasreinigung-Verfahren auch korrekt angewendet wurde. Frühere Stationen haben ihn nach dem Studium in Osnabrück zunächst nach Nürnberg geführt. Noch heute erinnert er sich gern an ein spannendes Projekt zurück, an dem er dort maßgeblich beteiligt war: „In der Forschungsabteilung eines privaten Unternehmens in Lauff bei Nürnberg war ich an der Entwicklung des so genannten ‚Schwebe-Schmelzens‘ beteiligt. Das ist ein Verfahren, das heute u.a. auf der Forschungsstation ISS angewandt wird“, erzählt Abromand im Gespräch mit erkrath.jetzt.

Azim Abromand
Vorsitzender des
Integrationsrats in
der zweiten Hälfte
der Wahlperiode.
Foto: privat

Er verrät ebenfalls, dass Familie bei seiner Frau, die in der Pflege tätig ist, und ihm großgeschrieben wird. „Wir treffen uns mit unseren Kindern, deren Ehepartnern und jetzt den vier Enkeln entweder samstags oder sonntags alle bei uns. Dann wird im wahrsten Sinne über Gott und die Welt geredet“, verrät er. Denn den Eheleuten war es wichtig, dass ihre Kinder ihre Meinung in Diskussionen gut vertreten können, so dass sie mit ihnen als Jugendliche Diskussions-Kultur geübt haben. „Ich habe dann immer die Position des Advocatus diaboli angenommen. Denn sie sollten lernen, ihre Meinung zu begründen, aber auch anderen zuzuhören und dann abzuwägen, ob sie etwas übernehmen oder die eigene Ansicht sogar revidieren. Oder bei seiner zu bleiben, wenn alle Argumente ausgetauscht sind. Denn das ist wichtig, sich gegenseitig zuhören und auch andere Meinungen gelten zu lassen”, so Abromand, der sich aus diesem Grund auch wünscht, dass es für Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund mehr Möglichkeiten gibt, Deutsch direkt lernen zu können, wenn sie ankommen.

„Sprache ist der Schlüssel zu allem, zu einem selbstbestimmten Leben. Denn ohne Sprache keine Arbeit und ohne Arbeit kein selbstbestimmtes Leben“, so sein Credo. Ein weiterer Wunsch ist, dass Anerkennungsverfahren schneller gehen mögen. Ein Anliegen, von dem ihm klar ist, dass es an die Entscheider in der Bundespolitik gerichtet ist. „Wir brauchen Arbeitskräfte in allen Bereichen unserer Wirtschaft. Es ist nicht nachvollziehbar, dass denen, die vielleicht auch nach Jahren noch einen ungeklärten Aufenthaltsstatus haben, untersagt wird, einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen.“ Beides Meinungen, die er mit Serra und Gao Hui teilt.

Gao Hui

Gao Hui lebt seit fünf Jahren gemeinsam mit ihrem deutschen Mann in Deutschland. Sie haben sich kennengelernt, als sie gemeinsam in China, ihrem Heimatland, bei einer Automobil-Zulieferer-Firma kennengelernt. Die 54-Jährige hat vor Längerem eine Handelsfirma gegründet und importiert Ersatzteile für Mobiltelefone, deren Geschäfte sie von zuhause aus führt. Bereits zweimal war die gebürtige Chinesin als Gast beim öffentlichen Teil einer Sitzung des Integrationsrats. Wir haben sie interviewt.

Wie haben Sie erfahren, dass es in Erkrath einen Integrationsrat gibt? Und was war Ihre Motivation, zum öffentlichen Teil zu gehen?

Gao Hui: Ich war im letzten Sommer beim ‚Internationalen Fest‘, das ich besucht habe. Dort habe ich erfahren, dass es den Integrationsrat gibt, denn die Veranstalter haben sich dort vorgestellt. Dort habe ich auch Sonja und Irene Thompson kennengelernt, die das ‚Nachrichten Café“ leiten, bei dem online alle teilnehmen können, die ihre Sprachkompetenz verbessern möchten und auch anhand des gemeinsamen Lesens von Zeitungsartikeln über Politik und Gesellschaft ihres Heimatlandes etwas lernen möchten.     

Wie haben Sie die Sitzungen des Integrationsrats erlebt?

Gao Hui: Als vollkommen anders, als erwartet und anders als politische Sitzungen in China. Ich habe als Studentin einmal an einer teilgenommen. Dort gibt es keine Opposition, es kann sich auch nicht jeder zu Wort melden und frei reden. So etwas wie einen Integrationsrat gibt es dort nicht. Hier findet man sogar alle Informationen rund um dessen Arbeit und die der anderen Ausschüsse öffentlich zugänglich im Netz. Das hat mich neugierig gemacht auf politische Arbeit in Deutschland.

Was ist aus Ihrer Sicht als Migrantin die Aufgabe eines Integrationsrats?

Gao Hui: Ich habe das Konzept gelesen, das auf der Website veröffentlicht ist. Ich finde, das sind alles großartige Ideen und Ziele, die man nach und nach angehen sollte. Ich persönlich wünsche mir, dass irgendwo im Internet alle Informationen in den verschiedensten Sprachen zusammengestellt sind, was Menschen mit Migrations- und Flüchtlingshintergrund wissen müssen und wo sie Hilfen bekommen von öffentlichen Stellen. Das Wichtigste allerdings ist, dass alle die Möglichkeit erhalten schneller und besser Deutsch lernen zu können. Das ist das Wichtigste, um sich zu integrieren, einer Arbeit nachzugehen und sich in die Kultur des Gastlandes einzuleben. Ich kann mit meinem Mann Deutsch sprechen und so viel besser üben. Anfangs haben wir miteinander Englisch gesprochen, seit zwei Jahren bestehe ich darauf, dass wir zuhause nur Deutsch reden.

Serra (l.) und Gao während der Sitzung des Integrationsrats. Foto: Sonja Thomson
Serra (l.) und Gao während der Sitzung des Integrationsrats. Foto: Sonja Thomson

Serra

Serra lebt gemeinsam mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern seit rund drei Jahren in Deutschland. Sie sind sie aus politischen Gründen aus der Türkei gekommen. Auch sie haben wir interviewt.

Wie sind Sie auf den Integrationsrat und seine Tätigkeit aufmerksam geworden?

Serra: Ich bin auch regelmäßig beim Sprachcafé dabei und habe von Sonja (Thompson) erfahren, dass es dieses Gremium gibt. Ich habe aus Interesse teilgenommen, denn ich möchte mich in allen gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Strukturen auskennen in meinen neuen Heimatland. Das bedeutet auch Integration für mich. Genauso wie sprachliche Integration, das ist ganz wichtig.

Wie hast Du die Sitzung erlebt?

Serra: Auch ich finde das Konzept toll, das man auf der Website findet. Nun muss es mit Leben gefüllt werden.

Was meinen Sie genau damit?

Serra: Ich würde mir wünschen, dass auch von dieser Seite dafür gekämpft wird, dass Prozesse beschleunigt werden. Z. B. die Anerkennung von Abschlusszeugnissen, damit Migranten und Flüchtlinge schneller in Arbeit gebracht werden können. Ich warte nun schon lange auf die Übersetzung und Anerkennung meines Studien-Abschlusses, denn ich würde gern in einer Kita oder auch in der Schule arbeiten. Denn in der Türkei habe ich als Lehrerin gearbeitet, meinem Studium entsprechend. Auch für mehr Sprachkurse sollten sich alle Organisationen einsetzen. Ich habe bei Vereinen wie „Du-Ich-Wir“ so viel Unterstützung erhalten beim Deutsch lernen. Die Sprache ist der Schlüssel zur Integration in allen Bereichen des Lebens.

Uns ist im Gespräch mit Gao Hui, Serra und Azim Abromand noch einmal sehr deutlich geworden, wie wichtig aus ihrer sich als nicht „Native Speaker“ es ihnen ist, schnellst möglich Deutsch zu lernen. Sprache ermögliche den Zugang zur Kultur und dem gesellschaftlichen Leben in der neuen Heimat sowie dem Arbeitsmarkt. In diesem Zusammenhang lautet ein weiteres Anliegen: die Vereinfachung des „Behörden-Deutsch“. Denn die Post von den unterschiedlichsten Behörden zu verstehen, verlangt nicht nur Geflüchteten und Migranten alles ab.

Infos zum Integrationsrat der Stadt Erkrath
Auf der Website unter http://www.integrationsrat-erkrath.de finden sich alle Informationen rund um die gewählten Mitglieder, die Vertreter der Parteien, die Ziele und Aufgaben sowie das Konzept der Arbeit des Integrationsrates (IR).
Die nächste Sitzung des IR findet am 26. April um 17h m Großen Sitzungssaal im Rathaus Erkrath.

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