Loverboy: Liebesfalle für junge Mädchen

V.l.n.r.: Andrea Bleichert (SKFM Mettmann), Annegret Pollmann (Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erkrath), Heike Jung (Polizeilischer Opferschutz Kreis Mettmann) und Eva-Maria Düring (SKFM Mettmann). Foto: RG

Wenn Liebe mit Prostitution und Drogenabhängigkeit bezahlt wird, dann sind junge Mädchen in der Regel der Loverboy-Methode erlegen. Der AK Loverboy-Methode Mädchen versucht dem präventiv entgegenzuwirken.

Eva-Maria Düring (SKFM
Mettmann). Foto: RG

Eine bereits für 2020 geplante, durch die Pandemie verschobene Fachtagung informierte in dieser Woche im Mettmanner Weltspiegelkino über die kriminielle Loverboy-Methode. Veranstalter waren der SKFM Mettmann und Erkrath, die Teil des Arbeitskreises Loverboy-Methode sind. Unterstützung gab es von den Frauen des Inner Wheel Club Hilden Haan Neandertal. Nach einer kurzen Begrüßung durch Eva-Maria Düring, Bereichsleiterin Frauen und Familie im SKFM Mettmann, fanden die Teilnehmer den Einstieg ins Thema über den Kurzspielfilm ‘Elenore‘, der darstellte, wie die Loverboy-Methode funktioniert. ‘Eleonore’ wurde von drei Studenten geschrieben und verfilmt. Für die drei war es der erste richtige Spielfilm, der – wie die Teilnehmenden feststellten – ein eindrucksvolles und bedrückendes Fallbeispiel inszeniert.

Was aber ist die Loverboy-Methode denn nun genau?

Als Loverboys bezeichnet man junge Männer, die junge Mädchen und Frauen erst eine Liebesbeziehung vorspielen und ihre Opfer in eine emotionale Abhängigkeit bringen. Dabei isolieren sie die Mädchen mehr und mehr von Freunden und Familie, bis sie sie schließlich in die Prostitution zwingen. Oft findet die Kontaktaufnahme über soziale Medien und Dating-Portale statt. Die jungen Männer informieren sich gut über die Mädchen und ihre Vorlieben und Interessen, sodass sie bei späteren Treffen vermeintliche Gemeinsamkeiten herausstellen können. Sie umwerben die Mädchen, machen ihnen teure Geschenke und versprechen ihnen die große Liebe und eine gemeinsame Zukunft. Ist das Mädchen erst von Freunden und Familie isoliert, manipuliert er sie zunehmend und zwingt sie schließlich mit Drohungen und Erpressungen in die Prostitution. Für das Mädchen folgt ein Alltag, der aus Geld, Drogen und Sex mit fremden Männern besteht. Soziale Kontakte, Schulbesuch, Treffen mit Freunden, all das wird von den Mädchen nicht mehr wahrgenommen. Zunehmend geraten sie in die Kriminalität.

Diskussion nach dem Film

Welche Hinweise hatte es in dem Kurzfilm schon früh gegeben, die das Mädchen hätten misstrauisch machen müssen oder können? Der Anruf eines Freundes des Loverboys, dass jemand bei der Polizei sitzt und die Rückfrage, ‘ob er schon geredet hätte’? Das meinte zumindest eine Teilnehmerin, während eine jüngere widersprach, dass das in jungen Jahren gar nicht so untypisch oder Verdacht erregend sei. Auch Drogen vor einer Party ‘einzuwerfen’ käme eben nicht nur im Umfeld von Loverboys vor. Das allein sei kein Indiz. Einig waren sich die Teilnehmenden, dass es wichtig für Familie und Freunde sei, zuzuhören, zu signalisieren, dass sie immer da sind, wenn das Mädchen reden möchte oder Hilfe benötigt.

Andrea Bleichert (SKFM). Foto: RG

Im Kreis Mettmann gibt es inzwischen ein Netzwerk, dass verschiedene Anlaufstellen bietet und präventiv arbeitet. Viele denken vielleicht: Das gibt es doch nur in Großstädten? Weit gefehlt, wie Andrea Bleichert vom SKFM Erkrath zu berichten weiß. “Ich bin 2016 mit einem solchen Fall in Berührung gekommen”, erzählt Andrea Bleichert den Teilnehmenden. “Ich war irritiert, weil kaum Informationen zu finden waren.” Schließlich half Annegret Pollmann, Gleichstellungsbeauftragte in der Stadt Erkrath ihr bei den Recherchen. Hilfe fanden die beiden schließlich über die inzwischen pensionierte Polizeihauptkommissarin Bärbel Kannemann, die sich intensiv mit dem Thema befasst hat und der Frauenberatungsstelle in Düsseldorf. “Wir sind schließlich zu dem Schluss gekommen, dass hier dringend Präventionsarbeit gemacht werden muss.”

2018 holten sie schließlich das Theaterstück ‘Getäuscht’, ein interaktives Theater zum Thema Loverboys in Kooperation mit dem Gymnasium am Neandertal nach Erkrath, dass Mädchen der Klassen 6 bis 8 anschauten und sich interaktiv beteiligten. “Es folgte ein Infoabend für Eltern und Fachleute,” berichtete Andrea Bleichert weiter. “2019 haben wir dann den Arbeitskreis gegründet.”

Dem Arbeitskreis ‘Loverboy-Methode’ gehören heute der SKFM Erkrath, SKFM Mettmann, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erkrath (Annegret Pollmann), der Verein Windrose, die Elterninitiative für Loverboy-Opfer und der Polizeiliche Opferschutz im Kreis Mettmann an.

Ein betroffener Vater

Wer kann eindrücklicher von der Methode erzählen, als einer der es erlebt hat. Ein Vater, der Mitgründer der Elterninitiative für Loverboy-Opfer ist, berichtete. “Erst einmal bin ich froh, das der Loverboy im Film offensichtlich ein Deutscher war. Unser Loverboy, wenn ich das einmal so sagen darf, war Deutscher”, bezog er sich auf den vorher gesehenen Film. Er hatte als Vater hautnah erlebt, was es heißt, wenn die eigene Tochter in die Fänge eines Loverboys gerät. “Meine Tochter war gerade 18. Sie stand kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung, hatte eine eigenes Auto, war kurz vorm Absprung von zu Hause.” Dann bemerkte er, wie sich seine Tochter veränderte. Das war 2007 oder 2008. Bis dahin hatten er und seine Tochter eine innige Beziehung. “Wann und wie merkt man das?”, stellte er die Frage in den Raum. Er habe die Probleme gesehen, aber nicht erkannt. “Heute gibt es viel Hilfe. Das gab es damals noch nicht”, schilderte er. Ich bin damals bis nach Hamburg gefahren, um dort zu erfahren, dass es eine Beratungsstelle in Düsseldorf gibt, beschrieb er die Odyssee. Damals habe er versucht andere Eltern ausfindig zu machen, deren Kinder betroffen waren. “Aber wer geht schon damit hausieren, dass die eigene Tochter Prostituierte ist?”, sprach er provokant aus, wo das größte Problem lag. Schließlich fand er eine Mutter, die reden wollte. “Wir haben 10 Stunden gesprochen und uns dann entschlossen etwas zu tun.” Entstanden ist daraus eine Elterninitiative die heute wichtige Anlaufstelle für betroffene Eltern ist.

Seine Tochter führt heute ein normales Leben. Für ihren Vater ist es allerdings eine Herzensangelegenheit geblieben sich zu engagieren. “Wir haben einen Deal. Ich lasse mich nicht filmen oder fotografieren”, erklärte er, wie er versucht ihr heutige Leben vor der Vergangenheit zu bewahren. Aber sie stehe hinter ihm und dem was er tut, damit es anderen Mädchen nicht so ergeht, wie es ihr damals erging.

Anlaufstellung und Prävention

Informationen gab es für die Teilnehmenden auch über die verschiedenen Anlaufstellen im Netzwerk und über Präventionsangebote. Von der anonymen Spurensicherung nach sexualisierter Gewalt, über Beratungs- und Teraphieangebote, den Hilfecode ‘Luisa ist hier’ hin zu Selbstbehauptungskursen und Cat-Calling. Für Betroffene selbst ist es oft schwer Hilfe zu suchen und in Anspruch zu nehmen. Scham und Schuldgefühle erschweren den ersten Schritt. Da ist es wichtig zu wissen, dass es Anlaufstellen, wie den SKFM gibt, bei dem sie anonym und wertfrei Ansprechpartner und Unterstützung finden. Teil des Arbeitskreises ‘Loverboy-Methode’ ist auch der polizeilische Opferschutz. Kriminalhauptkommissarin Heike Jung, ist eine von zwei Opferschutzbeauftragten im Kreis. “Ich bin über das Theaterstück ‘Getäuscht’ von Inszene in den Arbeitskreis gerutscht”, erinnerte sie sich. “Uns hat es regelrecht geflasht, wie wenig darüber bekannt ist”, sprach sie für sich und ihre Kollegin. Sie berichtete über die Strafen, die Loverboys erwarten, die bei dem Zwang von Minderjährigen zur Prostitution oder auch organisierten Loverboy-Banden, bis zu 10 Jahren betragen können. Wie groß ‘die Szene’ sei, lasse sich überhaupt nicht messen. “Die Polizei geht davon aus, dass ein Großteil im ‘Dunkelfeld’ stattfindet”, erklärte sie, dass viele Fälle gar nicht bekannt werden. Selbst habe sie erst einmal in einem Fall ermittelt und über das Projekt ‘Kurve kriegen’ eine Betroffene kennengelernt. Beide seien minderjährig gewesen und beide hätten sich nicht einmal als ‘Opfer’ gesehen. “Wenn die Einsicht dann kommt, folgt große Scham”, weiß sie aus dieser Erfahrung.

Annegret Pollmann, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erkrath. Foto: RG

Gleichsstellungsbeauftragte Annegret Pollmann hat sich, wie Andrea Bleichert, nach dem Fall in Erkrath, intensiv mit dem Thema beschäftigt. “So etwas, wie die Frauenberatungstelle in Düsseldorf wünsche ich mir auch für den Kreis Mettmann”, resümierte sie aus den Erfahrungen. Sie berichtete, dass Gleichstellungsbeauftragte immer auch ‘politisch tätig’ seien und wichtige Themen anstoßen. In Erkrath ist Annegret Pollmann immer auch Ansprechpartnerin für die finanzielle Förderung von Projekten, wie etwa die WenDo-Kurse.

Vertreterinnen des Vereins Windrose e.V. Foto: RG

Den Abschluss in der Vorstellungsrunde bildete der Verein Windrose. “Wir sind die Praktiker”, stellten sich die beiden Vertreterinnen vor. 2017 in einem Düsseldorfer Wohnzimmer gegründet, hatte der Verein acht Mitglieder, heute sind es 30. Sie beteiligen sich am weltweiten ‘Walk for freedom’, setzen auf Aufklärung und aufsuchende Arbeit. Sie besuchen Frauen in Bordellen und Saunaclubs, bringen ihnen Wertschätzung entgegen und machen ihnen kleine Geschenke. 889 Frauen haben sie auf diese Weise schon erreicht. Sie pflegen regionale, nationale und internationale Netzwerke und gehören zum Bündnis ‘Nordisches Modell’. Ein wichtiger Fokus des Vereins liegt auf der Prävention schon in Schulen. “Liebe ohne Zwang”, Schülerinnen sollen lernen, das Liebe niemals Zwang bedarf. Sie besuchen Schulklassen der Jahrgänge 7 bis 12 und können aus ihrer Arbeit berichten, dass es in so gut wie jeder Klasse ein Mädchen gibt, das selbst betroffen ist oder jemanden kennt, der betroffen ist. “Ladet uns gerne ein”, sprechen sie die Einladung an Lehrer aus. In den Klassen vermitteln sie Inhalte wie “Was macht eine gesunde Liebesbeziehung aus?” oder “Nein, heißt nein” als klare Abgrenzung. Auch Medienkompetenz und die Einschätzung pornografischer Inhalte, gehört zu den Themen, die sie aufgreifen.

Arbeitskreis Loverboy-Methode – Anlaufstellen für Betroffene und Angehörige:
SKFM Erkrath, Andrea Bleichert, Telefon: 0211 22959510, Email: andrea.bleichert@skfm-erkrath.de
SKFM Mettmann, Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt, Telefon: 02104 1419226, Email: sexualisiertegewalt@skfm-mettmann.de
Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erkrath, Telefon: 0211 24071021, Email: gleichstellung@erkrath.de
Windrose e.V., Telefon: 0159 04864055 Email: kontakt@windrose-ev.de
Die Elterninitiative, Telefon: 0211 98740156 (Anrufbeantworter) Email: info@die-elterninitiative.de
Polizeilicher Opferschutz, Telefon: 02104 982 7777 Email: kriminalpraevention.mettmann@polizei.nrw.de

Links zum Thema:
www.frauenrechte.de | www.solwodi.de | www.liebe-ohne-zwang.de | www.sisters-ev.de | www.exit.nrw | maedchenhandel.de | www.die-elterninitiative.de | windrose-ev.de

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