Radverkehrskonzept verabschiedet und nun?

von Ria Garcia

V.l.n.r.: Planungsamtsleiter Georg Görtz, Michael Vieten von der IGS, Planungsdezernent Dr. Stephan Kopp und Landrat Thomas Hendele. Foto: Ria Garcia

Am Montag wurde im Kreistag das Radverkehrskonzept für den Kreis Mettmann mehrheitlich verabschiedet. Die eigentliche Arbeit am Radwegenetz beginnt aber erst.

Zwei Jahre lang hat sich die Ingenieurgesellschaft Stolz mbH aus Neuss (IGS) mit dem Radwegenetz für den Alltag im Kreis Mettmann intensiv beschäftigt und im Auftrag des Kreises ein Radverkehrskonzept erarbeitet. “Wir waren uns klar, dass das ein Weg wird und dann kam auch noch Corona”, sagte Landrat Thomas Hendele am Montag bei einer Pressekonferenz anlässlich des vorliegenden Konzepts. Mit der Ausweitung der Radwege solle ein Mehrwert für Radfahrer entstehen. Das Ziel: 2035 sollen als Beitrag zur Mobilitätswende 25 Prozent der aller im Kreis Mettmann begonnenen oder endenden Wegstrecken mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Der Weg dahin: Ein weiter, denn für die Straßen und Wege im Kreis mit seinen zehn kreisangehörigen Städten gibt es insgesamt 12 Baulastträger. Neben den zehn Städten sind das der Kreis für die Kreisstraßen und Straßen NRW für die Landesstraßen.

“Amsterdam hat 40 Jahre gebraucht, bis es zu der Fahrradstadt wurde, die wir heute kennen”, erklärt Michael Vieten von der IGS und verdeutlicht damit, dass noch ein ‘langes Stück Weg’ vor den Baulastträger liegt, die die über 800 Einzelmaßnahmen, die erreichen sollen, dass ein regionales Zielnetz mit Vorrang- und Basisrouten entsteht, umsetzen müssen. Das regionale Netz soll die Städte im Kreis idealer Weise auch auf kurzen Trassen miteinander verbinden. Dabei wurden auch die Hauptstrecken durch die Ortslagen selbst aufgezeigt.

Beteiligung und daraus entstandene Maßnahmen

Das Konzept wurde in enger Abstimmung mit kommunalen Vertretern aus des zehn Städten des Kreises sowie Vertretern des ADFC und des VCD erarbeitet. Die IGS hat im Rahmen der Konzepterarbeitung etwa 880 Kilometer Radwege im Kreis befahren. “Wir bedanken uns noch einmal für die Arbeit der IGS und die vielen ‘Wegedetektive’, die uns rund 1.100 Anregungen eingereicht haben”, betont Planungsdezernent Dr. Stephan Kopp. Im Herbst 2020 war dazu drei Monate lang eine Internetseite mit dem Wegedetektiv online, über die Bürgerinnen und Bürger Anregungen einreichen konnten. Aus den gewonnenen Erkenntnissen der Wegebefahrung, den Hinweisen der Kommunen und Vereine sowie den Anregungen der Bürgerinnen und Bürger sind schließlich die mehr als 800 Einzelmaßnahmen entstanden, von denen cirka 400 streckengebunden sind, wie der Neubau von Radwegen und die Anpassung von Breiten. Etwa 425 Maßnahmen sind punktuelle Aufgaben, wie etwa fahrradfreundlichere Lichtsignaleinstellungen an Kreuzungen, den Abbau behindernder Umlaufsperren oder den Aufbau sicherer Fahrradabstellanlagen. Das Konzept enthält auch Empfehlungen zur Pflege der Radwege, wie beispielsweise den saisonalen Grünschnitt und Winterdienste.

Für die Radwege an den Kreisstraßen wird der Kreis Mettmann nun ein konkretes Umsetzungsprogramm erarbeiten, in dem Machbarkeit und Kosten festgestellt werden. Darin wird dann auch eine sinnvolle Umsetzungsreihenfolge festgelegt. Mit den kreisangehörigen Städten und dem Landesbetrieb Straßenbau NRW will die Kreisverwaltung darüber hinaus über Schritte zur Umsetzung in den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen beraten und versuchen zu koordinieren.

Die Umsetzung der Maßnahmen

Möglicherweise lassen sich nicht alle Maßnahmen umsetzen, denn das Konzept zeigt die besten Verbindungen für Radfahrende auf, ohne dass bisher die Belange Dritter geprüft wurden. Dazu gehören private Grundstücksbesitzer, bei denen noch nicht die Bereitschaft das entsprechende Grundstück zur Verfügung zu stellen, abgefragt wurde. Im Konzept wurden Maßnahmen nach ihrer Bedeutung für das Radwegenetz (hoch, mittel, niedrig) priorisiert und darüber hinaus ihre zeitliche Umsetzbarkeit (kurz-, mittel-, langfristig) bewertet.

Neben dem nun vorliegenden Radverkehrskonzept, dass Routen für den Alltagsradverkehr enthält, befindet sich zur Zeit auch noch ein ‘Knotenpunktsystem’ in der konzeptionellen Erarbeitung, das sich mit dem Freizeit- und Tourismusradverkehr beschäftigt. Mit dem System werden Knotenpunktnummern vergeben, anhand derer sich Freizeitradfahrer Touren zusammenstellen können, deren Wunschlänge und interessanten Ziele sie selbst bestimmen.

Die große ‘Unbekannte’ – Finanzen und Personal

Michael Vieten geht von 5 Prozent ‘Wachstum’ (Umsetzung der Maßnahmen) im Jahr aus. Eine ‘Bremse’ ist dabei immer noch das Planungsrecht, das einzelne Maßnahmen durch vorgeschriebene Planfeststellungsverfahren in die Länge ziehen wird. “Hier ist der Gesetzgeber gefragt, der dem Gemeinwohl Vorrang vor privat geben muss”, wünscht sich Hendele eine Vereinfachung für die Umsetzung solcher Maßnahmen. “Jeder Baulastträger muss einen Umsetzungsplan machen”, erklärt Georg Görtz, Planungsamtsleiter im Kreis. “Wir bleiben mit den Baulastträgern im Gespräch und koorinieren”, beschreibt er die weiteren Schritte. Von der Umsetzung der ersten Maßnahmen verspricht er sich: “Wir hoffen, dass die ersten Maßnahmen Zugkraft entwickeln und das viele Private mitmachen.”

Die Umsetzung der Maßnahmen steht und fällt aber auch mit der finanziellen und personellen Ausstattung der Kommunen im Kreis. Viele Maßnahmen sind förderfähig, sodass sich der finanzielle Aufwand der einzelnen Städte im Rahmen hält. Während die etwas ‘reicheren’ Kommunen möglicher Weise auf Förderanträge verzichten, um Maßnahmen schneller umsetzen zu können, ist es den schlechter ausgestatteten Kommunen nicht möglich auf die Förderung zu verzichten. Aber sowohl für die Planung und Beantragung von Fördermitteln als auch für die Umsetzung zählt ein entscheidender Faktor: Die personelle Ausstattung der Fachabteilungen und Tiefbauingenieure sind am Arbeitsmarkt gerade Mangelware.

Das spürt auch Erkrath, nachdem vier von sechs Ingenieuren aus dem Bereich Tiefbau die Stadt verlassen, ist schon die Umsetzung aktuell geplanter Maßnahmen zeitlich kritisch. (Wir berichteten) Schon jetzt muss vielleicht eine Priorisierung vorgenommen werden. Wie da nun noch die Maßnahmen des Radverkehrskonzepts hineinpassen, wird sich zeigen müssen. Zumindest ist davon auszugehen, dass die Maßnahmen, die in Bereichen bereits geplanter Straßenbauarbeiten liegen, zuerst umgesetzt werden.

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