Bulli in der Stadthalle

von Timo Kremerius

Szene aus "Bulli. Ein Sommermärchen". Foto: Timo Kremerius

Das Düsseldorfer Kom(m)ödchen war mit „Bulli. Ein Sommermärchen“ zu Gast in Erkrath

Es ist immer etwas Besonderes, wenn das Düsseldorfer Kom(m)ödchen sich aus unserer Nachbarstadt auf den Weg in die Erkrather Stadthalle begibt. Am Freitag kamen sie zum Abschluss der Kabarettsaison 2023/2024 mit ihrem Bulli, Ältere erinnern sich, das Kultfahrzeug der 70er Generation, in ein ausverkauftes Haus, welches beim Düsseldorfer Kom(m)ödchen immer gewährleistet ist und einen spektakulären Abend verspricht.

Der erste Einspieler kam mit Lena (Maike Kühl) und schon war das Publikum von der ersten Sekunde an vereinnahmt und gefesselt. Zum Geburtstag von Lena trafen sich die fünf Freunde aus der Jugendzeit, die sich inzwischen mehr oder weniger weiter oder nicht weiterentwickelt haben, zusammen, um darüber zu philosophieren, was aus Ihren Jugendträumen geworden ist. Steuerberater Jörg (Daniel Graf), einst „der schönste Mann von Flingern“ (glaubt er), ist verheiratet mit Lena (Maike Kühl), die sich gefallen lassen muss, als „Greta Thunberg im Klimakterium“ tituliert zu werden. Beide sind verbunden durch den Doppelname Korbmacher-Flöns und die gemeinsame Tochter Jenny. Diese hat sie allerdings gerade wegen „mutwilliger Zerstörung der Erde“ verklagt. Hajo (Martin Maier-Bode), Rockbeauftragter in Dormagen, wo er aufm Amt sitzt, der von Zeit zu Zeit den radikalen Weg geht, indem er sich krankschreiben lässt. Heiko Seidel gibt es als gegensätzliches Doppelpack, als smarten Berliner Start-up-Coach und trottelig-verträumten Ornithologen, der dem letzten Haselhuhn hinterher hechelt. Dieses Betrachten hielt das Publikum in Atem und animierte sie zu viel Gelächter und häufigem Szenenapplaus.

Es begann mit einer Gerichtsverhandlung bei der die inzwischen miteinander verheirateten Jugendfreunde Lena und Jörg, die von Ihrer Tochter Jenny wegen „Mutwilliger Zerstörung der Erde“ verklagt worden sind und eine Strafe von 250 Billionen Euro bezahlen sollen. Beim aktuellen jährlichen Treffen erzählt Lena von dieser Klage und, dass sie beschlossen habe für sich die Konsequenzen zu ziehen und ihr Leben umweltschonend radikal umzustellen. Außerdem wolle sie das alleine machen, da ihr Ehemann ihr neues Leben nicht mitmachen will. Sie hatte den Familien SUV verkauft und dafür in einen alten Bulli einen Elektromotor einbauen lassen. Sie will zurück nach Portugal, wo sie mit den Freunden vor 30 Jahren war, als sie alle keinen Luxus hatten, ein freies Leben führte. Die große Frage: Wo sind wir damals falsch abgebogen?

Die Entwicklung der Freunde zeigt schon schräge Figuren. So zum Beispiel der Rockfreak Hajo der zwar nie singen konnte, aber dem in seiner Erinnerung auf einem Parkplatz damals Wolfgang Niedecken einmal sagte: „Junge, du gehst deinen Weg“. Nach dreißig Jahren, und nicht mal DSDS wollte ihn haben, klärten seine Freunde ihn auf, dass Niedecken damals sagte: “Junge, geh mir mal aus dem Weg“. Auch er hat seine Ziele nicht erreicht. Er wurde Beamter als Rockbeauftragter im Kulturamt Dormagen.

Heiko Seidel, der zwei Freunde verkörperte, zum einen in der Rolle des gutsituierten Startup Managers, der geerbt hat und in Berlin wohnt, dessen Sprache zwischen denglisch , berlinerisch und affektiert wechselte und der völlig anderen Figur, die einen völlig verklemmten Ornithologen darstellt, der zur Freude des Publikums, viele Vogelstimmen zwitscherte.

Wiedersehen ‚mit Panne‘

Lena macht sich auf den Weg nach Portugal, aber bleibt mit ihrem Elektroauto schon in Prüm in der Eifel hängen, mitten im Wald, ohne Handyempfang. Und natürlich tauchen ihre Freunde und ihr Ehemann dort auf und es entstehen so in dieser Wildnis lustige Kurzgeschichten. Natürlich ist das große Thema Umweltzerstörung, es ist politisch, skurril, philosophisch. Die Schauspieler treten in verschiedenen Rollen auf, die verkörpern sie grandios, vom Landei, über Rotkäppchen, Großstadtcowboys bis hin zum Philosophen Kant.

Alle fünf machen sich gedanklich zum Ausgangspunkt ihres Kennenlernens auf, um herauszufinden, ob sie die richtige Abzweigung übersehen haben. Das Stück war sehr wortreich und die Zuschauer mussten fein Obacht geben, um den Überblick nicht zu verlieren. Wie immer versprühten die Düsseldorfer ein Blitzlichtgewitter aus Sätzen, die sie sich gegenseitig an den Kopf warfen. Es war schon fast ein sportlicher Wettstreit, der da ablief. Auch das Zwiegespräch zwischen Kant und Wolfgang Kubicki war der Brüller. Auf der einen Seite die philosophischen Betrachtungen von Kant auf der anderen Seite Kubickis Geblubber.

Beispiele:
Immanuel Kant: „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person als auch in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest“. | „Behandle die Natur so, dass du überall auf der Welt leben kannst“. Wolfgang Kubicki: „Wo früher mal die Leber war, ist heute eine Minibar“

Nach ihrem Treffen stellten alle fest, dass sich im Laufe der Jahre zwischen Wunsch und Realität ein großes Defizit entwickelt hat. Bezaubernd und großartig gemacht, war ganz zum Schluss ein lebensgroßes Schattenspiel. Darin wurde gezeigt, wie vielfältig die Erde ist, wie artenreich das Leben auf ihr. So gut gemacht, dass man mit großen Augen auf die Bühne starrte. Der Kommentator erzählte über das, was man sah, wie die Menschen durch Ackerbau und Jagd sich auf der Erde verteilten und jeder nach seinen Fähigkeiten seinen Weg fand. „Und die, die kein Bier brauen konnten, zogen nach Köln“

Untermalt wurde der Abend durch Gesangseinlagen mit witzigen, aber auch gesellschaftskritischen Texten. Was man in der Stadthalle Erkrath in dieser Saison lange nicht gehört hatte, war ein ohrenbetäubender Klatschmarsch und Standing Ovation. Das haben sich die Akteure vom Düsseldorfer Kom(m)ödchen reichlich verdient.

Über das Stück: „Bulli. Ein Sommermärchen“ Was für Zeiten! Gewissheiten gehen dahin, Kriege und Krisen bestimmen unsere Welt. Dabei hatten wir doch alle im Leben was ganz anderes geplant. Mit dem neuen Stück nimmt das Kom(m)ödchen die Zuschauer mit auf eine Reise. Eine Reise zu den Träumen und Idealen, die eine Gesellschaft haben kann und zu dem, was am Ende aus diesen Träumen wird. Nach vielen Jahren kommen vier Jugendfreude noch mal zusammen, um abzugleichen, was aus ihren alten Utopien geworden ist. Schräge Figuren, skurrile Charaktere, gescheite und gescheiterte Existenzen treffen in diesem schnellen, musikalischen und hochkomischen Stück rund um einen alten VW-Bus aufeinander und machen sich noch mal gemeinsam auf den Weg zurück zu der Stelle, wo alle im Leben irgendwie falsch abgebogen sind. Vielleicht kann man zusammen die Welt ja doch noch retten… Und so erleben wir eine rasante, überraschende und sehr politische Tour, die uns mitnimmt zu Großstadt-Cowboys und Landeiern, in die Wildnis, ans Lagerfeuer… und vor allem zu den großen Fragen: Wo kommen wir her? Wo wollen wir hin? Und was ist mittendrin noch mal die Nummer der Pannenhilfe? „Bulli“ ist ein Stück zur Lage unserer Zeit. Über Probleme, in denen wir stecken, und die Wegweiser da raus. Und das Ganze natürlich präsentiert vom Ensemble des Düsseldorfer Kom(m)ödchen mit Maike Kühl, Martin Maier-Bode, Daniel Graf und Heiko Seidel. Buch: Dietmar Jacobs, Christian Ehring und Martin Maier-Bode Regie: Hans Holzbecher Bühne und Kostüm: Julie Véronique Wiesen Songs und Arrangements: Christian Ehring, Jochen Kilian, Andreas Schnermann Eine Produktion der Kom(m)ödchen gGmbH. Leitung: Kay S. Lorentz
Quelle: Ko(m)moedchen.de

Zum Abschluss der Theatersaison am 24. April 2024 steht die Komödie „Die Tanzstunde“ in der Stadthalle Erkrath auf dem Programm. Die Abteilung Kultur der Stadt verschickt die Karten für beide Veranstaltungen auch kostenfrei nach Hause. Telefon 0211 240740 09.

1 Kommentar

  1. Die Kritik von Timo Kremerius zum Auftritt des Kom(m)ödchens ist sicherlich zutreffend.
    Ich möchte aber auf einen Aspekt aufmerksam machen, den diese Kritik nicht berücksichtigt. Ich bin nämlich in die Veranstaltung gegangen in der Erwartung, politisches Kabarett vom Feinsten erleben zu dürfen, so wie ich es von früheren Veranstaltungen des Kom(m)ödchens her kenne. Diesbezüglich wurde ich leider enttäuscht. Es wurden zwar viele aktuelle Probleme angesprochen, aber es fehlte doch an der notwendigen Tiefe und Ernsthaftigkeit. Stattdessen wurden Kalauer – z. B. „Und die, die kein Bier brauen konnten, zogen nach Köln.“ -, Flachheiten wie das Denglisch des smarten Start-up-Managers sowie etwas populistischen Betrachtungen viel Platz eingeräumt. Allein die Idee, den Philosophen Kant und den Politiker Kubicki in ein „Gespräch“ zu verwickeln, ist vollkommen abwegig, eine Beleidigung und Verunglimpfung des Philosophen und eine nicht zu rechtfertigende Aufwertung des Politikers Kubicki. Spätestens in den Moment, in dem das Publikum bei einem der Lieder zum Mitklatschen motiviert wurde, fühlte ich mich wie in eine Veranstaltung eines der heutzutage gängigen Comedians versetzt.
    Das Kom(m)ödchen, das doch so bedeutende politische Kabarettisten wie Thomas Freitag, Volker Pispers oder Christian Ehring hervorgebracht hat, sollte sich auf seine früheren Qualitäten besinnen. Die Satire, die bissige und provozierende Kritik sind der Humor des politischen Kabaretts, das Lachen dort ist meist ein Lachen, das einem im Halse stecken bleibt, wenn man erst einmal merkt, über welche Pointe man gerade gelacht hat.
    Es wäre also wünschenswert, dass diese Truppe, im Gegensatz zu den im „Sommermärchen“ auftretenden Personen, doch noch richtig abbiegt. Ich bin jedenfalls auf deren nächste Veranstaltung gespannt.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*