Bürgerentscheid Hasenwiese: Mehr JA als NEIN, dennoch zu wenig

von Ria Garcia

© RG

Die Entscheidung ist gefallen: Die Dependance Erkrath eG darf auf der Hasenwiese bauen. Zwar haben mehr der Abstimmenden mit JA für den Erhalt gestimmt, aber insgesamt scheiterte der Entscheid am Quorum von 20 Prozent.

Die Wahlbeteiligung lag insgesamt etwas über 20 Prozent, aber das hat nicht gereicht, denn für den Bürgerentscheid (JA für ‘Rettet die Hasenwiese’) hätten 20 Prozent aller Stimmberechtigten (35.238) Erkratherinnen und Erkrather, mit JA stimmen müssen.

Wir haben gestern am Kaiserhof in Alt-Erkrath einige Stimmen von Wählern eingefangen. Einer unserer Leser sagte uns: „Ich habe überlegt, ob ich heute überhaupt wählen gehe, da das Thema in Alt-Erkrath wenig relevant ist. Es war eine knappe Entscheidung. Auch manche Äußerungen der Bebauungs-Befürworter haben mich dazu bewogen, mit ‚JA‘ für den Erhalt der Wiese zu stimmen.“ Eine Familie war mit einer anderen Motivation zur Abstimmung gekommen: „Wir möchten, dass bereits versiegelte Flächen erst einmal dafür genutzt werden.“ Ähnlich auch die Meinung eines jungen Mannes, der mit seinem Vater zur Abstimmung kam: „Ich habe mit ‚JA‘ gestimmt. Der Klimaschutz war für mich ausschlaggebend.“ Ein junges Paar, das gerade Nachwuchs erwartet, hatte auch die Zukunft im Blick: „Wir haben gerade erfahren, dass wir im falschen Wahllokal sind, wir müssen zur Grundschule. Für uns sind die Umweltaspekte wichtig, daher lehnen wir die Bebauung ab.“ Für einen älteren Herren stand offensichtlich das Wahlrecht als demokratisches Instrument im Vordergrund. Er bekannte offen: „Ganz ehrlich, ich habe gewürfelt. Man muss schon Kaltluftschneisen-Experte sein, um das zu beurteilen. Eine fundierte Meinung habe ich nicht dazu.“

Die Wahlhelfer in der Kita Millrath-West waren von der Zahl der Abstimmenden überrascht. Diese hätte zwar unter der Zahl bei anderen Wahlen gelegen, sei aber deutlich höher als vorher gedacht gewesen.

Unpassende Kommentare von Wahlhelfern

Im Laufe des Tages gab es in den sozialen Medien Kommentare dazu, dass sich einige Wahlhelfer nicht neutral zur Abstimmung geäußert haben. Damit mit haben sie gegen Neutralitätsgrundsatz verstoßen. Am Ende hätte aber eine Mögliche Beeinflussung einzelner Wähler nichts am Gesamtausgang des Bürgerentscheids geändert. “Das ist die übliche Verrohung in der Politik”, kommentierte Bernhard Osterwind (BmU) die Vorkommnisse zu Beginn der Auszählung im Rathaus. “Wenn am Ende jetzt 2.000 Stimmen fehlen, können wir uns dahinter auch nicht verstecken”, sah auch er keinen Grund hier weiter nachzufassen. Zur Anzahl der Menschen, die an der Abstimmung teilgenommen haben, äußerte sich Peter Knitsch (Grüne): “Die Zahl derer, die denken ‘ich kann sowieso nichts ändern’ steigt und dann gibt es natürlich auch viele, die es einfach nicht interessiert.”

Noch vor Ende der Auszählung war klar, dass das Quorum nicht erreicht wird

Gegen 19 Uhr sagte uns Bürgermeister Christoph Schultz: “Der Bürgerentscheid ist gescheitert. Wir sollten jetzt nach vorn schauen und mit den Anfeindungen aufhören”, bezog er sich auf die vielen Kommentare in sozialen Medien, aber auch auf Beleidigungen, die einige Bürger, die sich in der Initiative engagiert hatten, erleben mussten. “Die Mehrheit hat für den Erhalt der Hasenwiese gestimmt. Aber das notwendige Quorum wurde nicht erreicht.”

Auch Ralf Lenger von der FDP war bei der Auszählung. “Das ist ein guter Tag für Erkrath. Endlich können die notwendigen Wohnungen gebaut werden”, kommentierte er die Nachricht, dass der Bürgerentscheid gescheitert sei.

Die Würfel sind gefallen, einige Fragen aber dennoch offen geblieben

Wir hatten vor der Abstimmung alles, was an Informationen vorliegt, noch einmal zusammengefasst, für all die, die sich noch eine Meinung bilden wollten. Diesen Artikel kommentierte Wolfgang Teiwes, einer der Vorstände der Genossenschaft Dependance Erkrath eG, mit einer Klarstellung zu den geplanten Sozialwohnungen. Da seine Informationen rechtlich nicht zur gültigen Satzung der Genossenschaft passten, baten wir um einige Antworten, die wir zu seinem Kommentar formulierten.

Wir haben im Rathaus Peter Knitsch befragt, der selbst Jurist ist. “Ich bin hier nicht der Fachanwalt, aber ich vermute, dass die Satzung geändert werden muss. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mit dieser Satzung eine Förderung vom Land für sozialen Wohnungsbau möglich ist”, so seine Einschätzung. Die derzeit geltende Satzung erschwert Mietern mit WBS darüber hinaus einen Umzug, denn auch wenn die Kündigung der Wohnung sicher unter normalen Fristen möglich sein wird, eine Kündigung der Mitgliedschaft und damit die Auszahlung des/der Geschäftsanteile muss laut §7 der Satzung mindestens 24 Monate vorher erfolgen und ist nur zum Schluss eines Geschäftsjahres möglich.

In einigen Kommentaren in sozialen Medien war zu lesen, dass die Genossenschaft nicht ‘gewinnorientiert’ sei, auch hier sagt die Satzung unter §17, Absatz 7, etwas anderes: “Die Einzahlungen auf den / die Geschäftsanteil(e), vermehrt um zugeschriebene Gewinnanteile, vermindert um abgeschriebene Verlustanteile, bilden das Geschäftsguthaben des Mitgliedes.

Da uns bis gestern keine Antworten vorlagen, haben wir Wolfgang Teiwes noch einmal per Mail angeschrieben und ihm unseren Kommentar mit den Fragen übermittelt.

Unser Kommentar mit den Fragen:

Das ist leider in der Satzung nicht enthalten und war auch der Beitrittserklärung nicht zu entnehmen. In der Regel ist die Satzung bei Eintritt bindend. Da Mieter Mitglied werden müssen, gilt die Satzung eigentlich auch für sie, also auch für Mieter mit WBS. Wie ist das rechtlich geregelt? Die gültige Satzung enthält keine Ausnahmen für Mieter mit WBS. Welche Sicherheiten werden Mietern mit WBS gewährt, die die Ausnahme zur vorliegenden Satzung rechtlich absichern?
Die Satzung bzw. Beitrittserklärung besagt: “Eine Kündigung findet nur zum Schluss eines Geschäftsjahres statt. Sie muss mindestens 24 Monate vorher schriftlich erfolgen.” Das hieße, dass auch Mieter mit WBS ihren Anteil frühestens nach 24 oder 25 Monaten zurückerhalten. 500 Euro Beitrittsgeld sind dann ‘weg’ und die restlichen 800 Euro für den eigentlichen Anteil sind nicht zeitnah verfügbar. Das macht es Menschen mit geringem Einkommen natürlich denkbar schwer umzuziehen, denn für eine neue Wohnung benötigen sie in der Regel wiederum eine Kaution oder – falls es auch eine Wohnungsgenossenschaft ist – ein oder mehrere Anteile.

Wolfgang Teiwes Antwort erreichte uns noch am Nachmittag:

Interessenten an einer Wohnung im Projekt Dependance haben an deren Planung von Anfang an mitgewirkt. Die Auswahlmöglichkeiten richten sich nach der Rangfolge der Eintragung in die Interessentenliste. Im Moment sind sämtliche 21 Wohneinheiten belegt.
Die Satzung der Genossenschaft liegt am noch jungen Anfang, Erkenntnisse aus der weiteren Entwicklung, die Relevanz haben und ggf. Änderungen nach sich ziehen, werden in der Mitgliederversammlung beschlossen und nach Abstimmung mit dem Genossenschaftsverband im folgenden Kalenderjahr in die Satzung aufgenommen. Das betrifft auch die Einführung von freiwilligen Anteilen für geförderte Wohnungen.
Mit den Interessenten sind aufgrund des vorläufigen Projektstatus zunächst gegenseitige Absichtserklärungen erfolgt. Ernst wird  es erst, wenn Nutzerverträge unterschrieben sind und die Anwärter auf eine geförderte Wohneinheit ihren Wohnberechtigungsschein vorlegen.
Wie Sie selbst wissen, ist der Weg bis dahin steinig. Bisher haben wir allen Widrigkeiten standgehalten und sind uns seit diesem Wochenende auch einer beeindruckenden Unterstützung der Bevölkerung auf dem weiteren Weg bewusst.

55,78 Prozent für den Erhalt der Hasenwiese als beeindruckende Unterstützung des Bauvorhabens?

Aus Wolfgang Teiwes Antwort liest sich die vage Bestätigung von Peter Knitschs Vermutung, dass es ohne Satzungsänderung nicht geht. Sein Schlusssatz überrascht ein wenig, denn auch er müsste die Zahlen des Bürgerentscheids inzwischen kennen, die auf der Homepage der Stadt veröffentlicht wurden:

Bei der Abstimmung zur Fragestellung „Soll der Aufstellungsplan des Rates der Stadt Erkrath vom 06.09.2022 über die Einleitung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanverfahrens ,H60-Genossenschaftliches Wohnen Schmiedestraße` (sog. Hasenwiese in Hochdahl-Millrath) aufgehoben werden?“ waren 35.215 Bürgerinnen und Bürgern wahlberechtigt. Von ihnen haben 21,00 Prozent an der Abstimmung teilgenommen – insgesamt wurden 7.378 gültige Stimmen gezählt, 18 waren ungültig.
3968 Personen, oder 53,78 Prozent stimmten mit Ja, 3410 Personen, oder 46,22 Prozent beantworteten die gestellte Frage mit Nein. Damit war das Bürgerbegehren nicht erfolgreich und das Bebauungsplanverfahren kann wie geplant fortgeführt werden. Für eine Aufhebung hätten 20 Prozent der Abstimmungsberechtigten, also insgesamt 7.043 Personen, mit Ja stimmen müssen.

Von überwältigender Unterstützung sprechen diese Zahlen nicht gerade. 80 Prozent der Wahlberechtigten hat das Thema offensichtlich überhaupt nicht interessiert, denn sie haben nicht abgestimmt. Von denen, die abgestimmt haben, war eine Mehrheit von 53,78 Prozent für den Erhalt der Hasenwiese.

5 Kommentare

  1. Hat es sie nicht überrascht, dass fast 3.500 Leute FÜR das Projekt aktiviert worden sind, obwohl die Stimmen eigentlich gar nicht zählen?
    Mich hat das sehr beeindruckt!
    Viele sind in diesem Bewusstsein zuhause geblieben.

  2. Ich nehme an, dass ich hier als Autorin direkt angesprochen bin. Vorab: Ich selbst wohne nicht in Erkrath. Dass die Stimmen nicht zählen, ist ja so nicht korrekt, denn: Der Bürgerentscheid hätte 20 Prozent der Stimmen aller Wahlberechtigter benötigt, um erfolgreich zu sein. Aber auch dann hätte er eine Mehrheit bei den abgegebenen Stimmen benötigt.
    Ihr Hinweis auf die Aktivierung der Leute gilt im Umkehrschluss ja auch für die, die den Bürgerentscheid unterstützt haben. Die wenigsten derer, die abgestimmt haben, waren direkte Anwohner.
    Ich als Außenstehende (Nicht-Erkratherin) fand es eher bedenklich, dass insgesamt zu wenig Menschen von ihrem demokratischen Recht der Abstimmung Gebrauch machen. Das sieht man auch bei Kommunalwahlen und das sollte nachdenklich stimmen.

  3. Auch einer Frau Garcia, die sich als Journalistin bezeichnet und es in dieser Eigenschaft erst zulässt, dass auf Facebook die Bekanntgabe des Ergebnisses mit dem Wort “Leider” eröffnet wird und die es in diesem Artikel für angemessen erachtet, vier Ja-Wähler und einen Unentschlossenen zu Wort kommen und die Gegenseite unerwähnt zu lassen…auch dieser Frau Garcia erkläre ich gerne noch einmal den Vorgang eines Bürgerbegehren.
    Es geht hier nicht um eine möglichst breit gefasste Meinungsbildung innerhalb der Bevölkerung…es geht konkret um die angestrebte Aufhebung eines demokratisch gefassten Beschlusses eines demokratisch gewählten Stadtrates.
    Dieser Vorgang ist zwar selbstverständlich ebenfalls demokratisch legitimiert, aber keine “Normalität” und nicht mit normalen Wahlen vergleichbar.
    Damit ein solches Begehren (nochmal: die Außerkraftsetzung eines Stadtratbeschlusses) erfolgreich sein kann, muss daher nachgewiesen werden, dass eine maßgebliche Anzahl von Wahlberechtigten dieses Ansinnen ausdrücklich und aktiv unterstützt (nicht bei Facebook und im Stammlokal, sondern mit dem Stimmzettel).
    Um diese Unterstützung und diesen ausdrücklichen Willen innerhalb der Bevölkerung (nicht innerhalb der Anwohnerschaft mit ihren Partikularinteressen) nachzuweisen, hätte es in diesem Fall 7000 Stimmen benötigt.
    Diese Anzahl an Stimmen, diese Anzahl an Bürgern, die den Ratsbeschluss ausdrücklich als falsch zurückweisen wollten, wurde (sehr klar) verfehlt.
    Dieses Ergebnis und die daraus folgende Konsequenz ist klar und eindeutig völlig unabhängig von der Wahlbeteiligung…ob die Genossenschaft ihrerseits daraus den Schluss einer breiten Unterstützung ziehen sollte, ist natürlich fragwürdig.
    DAS ist meine Auffassung von Demokratie und politisch/gesellschaftlichem Zusammenleben als jemand, der zeit seines Lebens noch nie mit einer politischen Partei oder einer Bürgerinitiative verbunden war.

    • Und auch hier noch einmal meine Antwort für alle Leser, die nicht auf Facebook sind (Herrn Zanders Kommentar erschien zuerst auf unserer Facebook-Seite):

      Auch eine Frau Garcia kann nicht immer und überall sein. Bei täglich zwischen 5 bis manchmal 10 Veröffentlichungen auf erkrath.jetzt (Artikel und eingehende Pressemitteilungen, die auch nicht automatisch online gehen), müssen hin und wieder auch andere einspringen.
      Aber danke für den Hinweis, denn auch ich sehe beim anstehenden Arbeitspensum nicht jeden Facebookbeitrag auf unserer Seite. Die ‘Wertung’ ist selbstverständlich entfernt worden.
      Die Wähler am Kaiserhof wurden so, wie sie zur Wahl kamen, befragt (nicht von mir, ich war erst abends zur Auszählung im Rathaus, denn ich wohne nicht in Erkrath) und bei der insgesamt geringen Wahlbeteiligung können wir nicht beeinflussen, wer im Zeitraum der Befragung mit welcher Meinung zur Wahl kommt.
      Insofern lieber Herr Zander, brauchen Sie mir nichts erklären. Gäbe es mehr Abonnenten und Unterstützer für erkrath.jetzt, könnten wir tatsächlich auch mehr Journalisten über längere Zeiträume Befragungen durchführen lassen und jemanden dafür bezahlen, dass er die zahlreichen Meldungen ins Redaktionssystem von erkrath.jetzt einpflegt.
      Von aufmerksam nach Fehler suchenden Lesern unseres grundsätzlich frei zugänglichen Mediums, kann kein Journalist leben …
      Und so sieht es in der gesamten Medienlandschaft aus.

  4. Ein trauriger Tag für die Demokratie, wenn sich erfreulicherweise 8.000 Bürgerinnen und Bürger für ein Thema interessieren und dann doch das Votum der Nicht-Interessierten zählt. Und ein voller Erfolg für die “Die da oben machen ja eh was sie wollen” Parteien. So schafft man Politikverdrossenheit und radikale Kräfte. Der Bürgermeister selbst benötigt nicht 20% Ja-Stimmen um ins Amt zu kommen, hier zählt die Mehrheit auch bei geringster Wahlbeteiligung.

    Ein Bürgermeister, der den gesellschaftlichen Konflikt nicht befriedet und nach einer für beide Seiten tragbaren Lösung sucht (Dependance wird nach Kräften beim Bau unterstützt und das dort wo das Projekt auch in der Nachbarschaft dauerhaft willkommen ist). Ganz im Gegenteil KEIN Bürgermeister aller Erkrather.

    Und ein Ichling der Dependance, der selbst in diesen Zeiten nicht erkennen mag, dass es schon aus ureigenem Interesse an einem guten Miteinander in der Nachbarschaft nicht sinnvoll ist, sich gegen deren Willen niederzulassen.

    Schade dass es in Erkrath nicht für Dependance + Wiese reicht.

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