Buchtipp: Laufen

von Stephan Frank

Foto: Ingrid / Pixabay

Stephan Frank hat für unsere Leserinnen und Leser Isabel Bogdans Roman “Laufen” rezensiert.

Isabel Bogdan, 1968 in Köln geboren, studierte Anglistik und Japanologie und lebt in Hamburg. Bislang hat sie insgesamt drei literarische Werke veröffentlicht. Sie ist aber auch als Übersetzerin bekannt und dafür mit Preisen ausgezeichnet worden; so hat sie beispielsweise die Werke von Jane Gardam ins Deutsche übertragen, deren Romantrilogie „Ein untadeliger Mann“, „Eine treue Frau“ und „Letzte Freunde“ eine sehr empfehlenswerte Lektüre darstellt.

Der Inhalt des inzwischen als Taschenbuch erschienenen Romans „Laufen“ ist schnell erzählt. Eine Frau, Anfang vierzig und Musikerin in einem professionellen Orchester, hat ihren Partner, einen Restaurator von Oldtimerautos verloren, da er sich auf Grund schwerer Depressionen zum Suizid entschieden hat. Nun gilt es für sie nach diesem Schock, wieder ins Leben zurück zu finden, d. h. aus der ungewollten Rolle als trauernde Witwe und nur noch mechanisch und unbeteiligt alle Pflichten erfüllenden Person zurückzukehren zu einem aktiven und befriedigenden Privat- und Berufsleben, mit all seinen sozialen Kontakten, aber auch Konflikten.

Der Roman nutzt ausschließlich die Form des inneren Monologs, d. h. wir befinden uns als Leser von der ersten bis zur letzten Zeile in der Gedankenwelt, dem Bewusstsein und Unterbewusstsein der namenlosen Erzählerin, dabei ist zu bedenken, dass wir diese immer nur beim Jogging erleben. Und gerade dieses Stilmittel macht das Werk so interessant und lesenswert, wird dadurch auch die Sprache sehr individuell, teils sogar locker und sehr emotional, und trotz des an sich traurigen Themas ist der Roman nicht ohne Komik. Auffallend ist in diesem Zusammenhang die durchgehende Übereinstimmung von Sprache (Form) und Inhalt des Romans: Zu Beginn werden zahlreiche, nur durch Kommata getrennte Sätze verwendet, was eine gewisse Hektik und ein Abgehetztsein vermittelt, es gibt aber auch viele Gedankenstriche, die eben Gedanken verbergen, weil sie noch nicht von der Erzählerin formuliert werden können. Zum Ende des Textes haben wir es mit längeren Sätzen zu tun, alle Gedanken werden ausgesprochen und thematisiert. Parallel dazu entwickeln sich die sportlichen Fähigkeiten der Erzählerin: „Ich kann nicht mehr.“, so lautet der erste Satz des Romans. Anfangs kaum fähig, eine kleine Runde im Stadtpark zu laufen, nimmt die Frau letztlich erfolgreich an einem Volkslauf über eine längere Distanz teil. Wir erleben also eine Frau, die zunächst physisch und psychisch am Ende ist, die aber andererseits bereit ist, ihre eigenen Möglichkeiten auszureizen. Das Joggen soll sie wieder physisch in Form bringen. Außerdem nutzt sie diese Zeit zum Nachdenken über die Vergangenheit, über ihre vermeintliche Mitschuld am Tod ihres Partners. Gleichzeitig macht sie ihm aber auch Vorwürfe, dass sie nun Witwe ist. Wir erfahren jede Menge Details in assoziativer Folge über die glücklichen und unglücklichen Zeiten dieser Beziehung.

Zeitgleich erleben wir aber auch die Entwicklung dieser Frau: Vom „ich kann nicht mehr“ hin zu einer Frau, die wieder aktiv am Leben teilnehmen möchte, beruflich wie privat, die wieder – auch körperlich – den Kontakt zu ihren Mitmenschen sucht, allerdings ohne ihren ehemaligen Partner aus ihren Gedanken zu verbannen. Begleitet und unterstützt wird sie dabei von ihrer besten Freundin und einer Therapeutin. Diese Entwicklung findet ihren Schlusspunkt tatsächlich erst im letzten Wort des Romans: Sprach die Frau in ihren Gedanken ihren Partner stets in der intimen „Du-Form“ an, so kann sie ihn am Ende beim Distanz schaffenden Vornamen nennen: Johann. Sicherlich ist dieser Roman durch die Nutzung des inneren Monologs ein fesselndes Werk, aber ebenso sicher ist das Thema „Einsamkeit“, verursacht durch den Suizid des Partners ein schwieriges, unangenehmes Sujet, aber durch die sich – inhaltlich wie formal – über den ganzen Text ergebende Entwicklung hin zum Beginn eines neuen Lebensabschnittes führt das Werk zu einem positiven Ende, das lobenswerterweise nichts mit einem Happy End zu tun hat: Es ist eine Beschreibung des Weges aus der Einsamkeit zurück ins Leben. Ein insgesamt ebenso anspruchsvolles wie lesenswertes, aber auch ermutigendes Werk. Bleibt noch anzumerken, dass in diesem Jahr die sehr gelungene Verfilmung des Romans im Fernsehen gelaufen ist.

(Isabel Bogdan: Laufen. Köln 2019. ISBN 9783462001587)

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*