Buchtipp: Kein Wunder

von Stephan Frank

Foto: Ingrid / Pixabay

Stephan Frank hat für unsere Leser Frank Goosens Roman ‘Kein Wunder’ rezensiert.

Frank Goosen, geboren 1966 und ein echtes Ruhrgebietskind, hat bislang zahlreiche Romane und Erzählungen geschrieben, die zum Teil verfilmt bzw. als Theaterstück aufgeführt worden sind. Schwerpunktmäßig befassen sich seine – oft autobiographischen – Werke mit dem Ruhrgebiet bzw. dessen Wandel in den letzten Jahrzehnten. Goosen ist auch als Kabarettist bekannt.

Der Inhalt seines neuesten Romans ist kurz erzählt: Hauptpersonen sind die drei Studenten Förster, Brocki und Fränge, die sich bereits seit ihrer gemeinsamen Gymnasialzeit kennen. Während Förster und Brocki in Bochum studieren, hat es Fränge zum Studium nach Westberlin verschlagen. Die Handlung spielt im Jahr 1989, also von kurz vor bis kurz nach dem Mauerfall. Die Situation vor Öffnung der Grenze nutzt Fränge zu seinem persönlichen Vorteil: Da die Stadt noch geteilt ist, hat er sowohl eine Freundin in Ostberlin (Rosa) als auch (bzw.) in Westberlin (Marta). Nach dem Mauerfall ist es natürlich vorbei mit dieser „Idylle“ und Rosa, die neue Reisefreiheit nutzend, wendet sich Förster zu, der die Ereignisse vom 09.11.1989 schlicht verschlafen hat. 

Der Roman hat keine durchgängige, sich entwickelnde Handlung, sondern zeigt einzelne Begebenheiten, die die Hauptpersonen während dieser Zeit erleben. Man lernt gleichzeitig die damalige Subkultur in Westberlin, die Dissidentenszene in Ostberlin, aber auch eine stramme SED-Anhängerin sowie den Strukturwandel des Ruhrgebietes kennen.

Warum ist dieser Roman nun so überaus lesenswert? Wer sich mit Goosens Werk befasst, wird zunächst einmal feststellen, daß der Autor hier zum zweiten Mal in seinen Romanen die engen Grenzen des Ruhrgebietes verläßt und nun Ost- wie Westberlin als wesentlichen Ort der Handlung einführt. Dadurch werden natürlich die damaligen Ost-/West-Verhältnisse und -beziehungen dargestellt am besonderen Beispiel von Fränges Freundinnen in den beiden Stadtteilen. Dieses Thema ist zwar nicht neu in der deutschen Nachkriegsliteratur, ist aber bisher noch nie so humorvoll behandelt worden. Allein die Fahrt von Förster und Brocki durch die DDR inklusive aller Schikanen an den Grenzübergängen, aber auch der Besuch der drei Studenten bei Dissidenten in Ostberlin , wo Fränge SED-Parteilieder zum Besten gibt, lassen uns den objektiv eigentlich unhaltbaren Zustand in der DDR auf kabarettistische Darstellung genießen. Das komödiantisch verursachte Lachen des Lesers bleibt ihm eigentlich im Halse stecken, wenn man den Ernst der damaligen Situation betrachtet. Humor, Ironie und Selbstironie aber auch Sprachwitz sind prägende Stilmittel in Goosens Werk.

Fazit: Dieses Buch muss man gelesen haben, wenn einem die deutsche Geschichte zum Zeitpunkt der Wende am Herzen liegt, auch wenn man nicht der Generation der drei Studenten angehört. Man erfährt auf der persönlichen Ebene der handelnden Personen viel über die damalige politische und gesellschaftliche Situation, aber die Kombination aus Humor und gleichzeitigem Tiefgang lässt einen das Buch nicht aus der Hand legen. Eine äußerst kurzweilige und humorvolle Lektüre. Also, auf zum nächsten Buchladen!

(Frank Goosen: Kein Wunder. Köln 2020. ISBN  9783462000368)

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