Buchtipp: In blaukalter Tiefe

von Stephan Frank

Foto: Ingrid / Pixabay

Stephan Frank hat für unsere Leserinnen und Leser Kristina Hauffs Roman „In blaukalter Tiefe“ rezensiert.

Die Autorin, Jahrgang 1965, ist gelernte Buchhändlerin, arbeitete am Theater sowie als Pressereferentin für das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin. „In blaukalter Tiefe“ ist ihr zweiter Roman, den sie unter ihrem Pseudonym, Kristine Hauff, geschrieben hat. Ansonsten sind seit 2009 diverse, mit mehreren Preisen ausgezeichnete Krimis unter ihrem eigentlichen Namen, Susanne Kliem, erschienen.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Das Ehepaar Thomas, erfolgreicher Mitinhaber einer großen Anwaltskanzlei für Wirtschaftsfragen, und Caroline, Chefredakteurin eines Lifestyle Magazins, laden Daniel und dessen Freundin Tanja zu einem gemeinsamen zweiwöchigen Segeltörn zu den schwedischen Schären ein. Daniel ist als Anwalt in Andreas‘ Kanzlei angestellt und soll nun zum Mitinhaber aufsteigen, sofern er seinem Chef auf dem Segeltörn auch auf privater Ebene einen positiven Eindruck vermittelt. Es besteht also ein äußerst starkes Abhängigkeitsverhältnis, das auch Tanja sehr zu schaffen macht. Sie fühlt sich absolut unwohl in diesem Personenkreis. Dazu kommt noch, dass es in der Ehe von Caroline und Andreas erheblich kriselt. Die Runde dieser vier Personen wird noch ergänzt durch den Skipper und Eigner der Yacht, Eric, ein etwas undurchsichtiger Typ.

Als erfahrene LeserInnen ahnen wir natürlich, dass solch ein Segeltörn nicht gutgehen kann. Schon im ersten Kapitel des Romans, das sich mit der Zeit nach dem Segeltörn befasst, erfahren wir andeutungsweise, dass die Reise in einer Katastrophe endet. Dieses Wissen reduziert aber keineswegs die Spannung des Romans.

Worum geht es in diesem Buch? Es geht um Kommunikation und Interaktion. Einem Kammerspiel gleich entwickeln sich die unterschiedlichen Charaktere. Da ist Andreas, der sich nach einem glimpflich überstandenen Schlaganfall permanent genötigt fühlt, sich als Alphatier zu beweisen, und daher große Probleme hat, sich den notwendigen Anordnungen des Skippers zu beugen. Da ist Caroline, die diese Reise mit dem wesentlich jüngeren Paar als Zumutung empfindet und die sich zunehmend für den Skipper interessiert und ihre eigene Ehe aufgibt. Da ist noch Daniel, der zwar sehr ehrgeizig seine Beförderung zum Mitinhaber der Kanzlei verfolgt und ständig zwischen devoten Verhalten gegenüber seinem Chef und dem schwindenden Wohlwollen seiner Freundin schwankt. Schließlich ist da noch Tanja, die sich als Altenpflegerin beruflich und intellektuell den anderen unterlegen fühlt, die darüber hinaus auch noch die Annäherungsversuche von Andreas abwehren muss, ohne dabei die Karriere ihres Freundes zu beeinträchtigen. Das Ganze führt zwangsläufig dazu, dass jeder nur noch seine eigenen Ziele verfolgt, ohne Rücksicht auf die anderen zu nehmen. Das kann natürlich bei einem Segeltörn, wo sich jeder auf den anderen verlassen muss und eindeutige Kommunikation unerlässlich ist, nur zur Katastrophe führen, zumal die Enge, die auf solch einer Yacht herrscht, den Rückzug des Einzelnen, die notwendige Distanz untereinander verhindert..

Die Autorin legt mit ihrem neuen Roman ein äußerst spannendes Werk vor, das auch jeder ausgewiesenen Landratte das Segeln schmackhaft macht. Übrigens: Wem das Buch nach dieser Kritik zu ernst erscheint, kann sich auch den Film „Unter Freunden“ aus dem Jahr 2015 ansehen, der fast dieselbe Problematik in eher komödiantischer Form darstellt. Was die nicht funktionierende Kommunikation betrifft, so gibt es ebenfalls ein filmisches Pendant, nämlich den 2011 erschienenen Film „Der Gott des Gemetzels“. Beide Filme kann ich nur empfehlen.

Kristina Hauff: In blaukalter Tiefe. München 2023. ISBN 978-3-446-27581-2

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