Buchtipp: Dreck am Stecken

von Stephan Frank

Foto: Ingrid / Pixabay

Stephan Frank hat für unsere Leserinnen und Leser Alexandra Fröhlichs Roman “Dreck am Stecken” rezensiert.

Die Autorin des Romans „Dreck am Stecken“ stand bislang mit den Werken „Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen“ sowie „Gestorben wird immer“ in den Bestsellerlisten. Sie ist ansonsten als freie Journalistin für verschiedene Frauenzeitschriften tätig.

Der Roman spielt auf drei deutlich voneinander abgegrenzten Zeitebenen, nämlich „Damals“, gemeint sind die 70-er Jahre, „2008“ und einer Ebene von Tagebucheintragungen aus den Jahren 1946 bis 1978. Die Ebenen „Damals“ und „2008“ geben eine Familiengeschichte wieder. Es handelt sich dabei um vier etwas außergewöhnliche Halbbrüder, deren Großvater und deren alleinerziehenden Mutter, von der es zu Beginn des Romans heißt: „Unsere Mutter rauchte und trank. Beides nicht zu knapp. Und sie war ein lustiger Vogel, … Alles in allem aber war sie ziemlich in Ordnung. Sie war nur anders als andere Mütter.“

Die Familie lebt in einem prekären Stadtteil von Hamburg. Die vier Brüder verhalten sich entsprechend: Sie rauchen, sie trinken, sie begehen kleinere Straftaten und können sich im Viertel durchsetzen. Eines aber zeichnet diese Familie besonders aus: Man hält zusammen. Dies zeigt sich u. a. in den herrlich beschriebenen Besuchen der Dame von der Fürsorge, der man stets eine bestens funktionierende Familie vorspielen kann, und das insbesondere nachdem die Mutter verstorben ist und der Großvater und der älteste, inzwischen volljährige Bruder die Verantwortung tragen. Bis zum Tod des Großvaters wird allerdings ein Thema tabuisiert: Die Vergangenheit. Warum die Mutter alleinerziehend war, Kinder von vier verschiedenen Partnern hat, was der Großvater während und nach dem Krieg gemacht hat, all das wird in der Familie nie thematisiert.

Der Tod des Großvaters ändert dies radikal. Er hinterlässt den Brüdern ein Tagebuch, aus dem hervorgeht, dass er sich im Dritten Reich an jüdischem Eigentum bereichert hat und sich nach Kriegsende mit seiner Frau nach Argentinien abgesetzt hat. Im Gegensatz zu ihr, der ewig Gestrigen, bereut er seine Vergangenheit. Diese wollen die Brüder auf der Ebene „2008“ nun aufdecken. Sie sind inzwischen um die fünfzig Jahre alt, beruflich mehr oder weniger arriviert, und machen sich nun gemeinsam mit der Betreuerin des jüngsten Bruders auf den Weg nach Argentinien, wo noch immer die Großmutter lebt. Äußerst spannend und turbulent, teilweise auch sehr phantasievoll, findet die Geschichte schließlich ein unerwartetes, aber überzeugendes Happy End, das hier nicht verraten werden soll.

Es gibt Kritiker, die die Auffassung vertreten, dass Themen wie das Dritte Reich, der damalige Diebstahl jüdischen Eigentums oder das Existieren extremistischer Gruppen in der heutigen Zeit, die immer noch die braune Vergangenheit wiederbeleben wollen, nicht in humorvoll geprägten Texten dargestellt werden sollten, weil dies unangemessen sei. Diese Auffassung teilt der Autor dieser Buchbesprechung.

Andererseits stellt das vorliegende Werk in erster Linie eine Familiengeschichte dar, die die Problematik „Drittes Reich“ nicht in den Mittelpunkt stellt, sondern nur als exemplarischen Aufhänger für die Geschichte um eine  Schuld und deren Wiedergutmachung nutzt. Es sind eher die genauen Personenbeschreibungen, das Gefüge einer außerordentlichen Familie, deren Mitglieder nicht unterschiedlicher sein können, die aber trotzdem wie Pech und Schwefel zusammen halten, um das gemeinsame Ziel zu erreichen zum Nutzen Aller, die das Buch ausmachen. Es handelt sich um einen äußerst humorvollen Text, der die schwierige Familie immer wieder in herrlich komischen, bisweilen in etwas derber Sprache, aber trotzdem sehr feinfühlig beschriebenen Szenen darstellt, also ein fesselndes Werk, das man am liebsten an einem Tag auslesen möchte.

(Alexandra Fröhlich: Dreck am Stecken. München 2019. ISBN 978-3-328-10231-1)

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