Buchtipp: Die Einladung

von Stephan Frank

Foto: Ingrid / Pixabay

Stephan Frank hat für unsere Leserinnen und Leser Emma Clines Roman „Die Einladung“ rezensiert.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Die Protagonistin, Alex, ist eine 22jährige Frau, die bislang im Escort-Gewerbe in New York gearbeitet hat. Offensichtlich hat diese „Karriere“ bereits ihren Höhepunkt überschritten. Alex musste wegen Mietschulden und diversen Diebstählen bei ihren Kunden die Stadt verlassen und sucht nun Unterschlupf bei älteren, reichen Männern in deren Villen an einem Strand, dem Sommerdomizil der New Yorker Upper Class.

Der Roman erstreckt sich über einen Zeitraum von sieben Tagen. Zu Beginn erfahren wir, dass Alex derzeit bei Simon, einem reichen Kunsthändler, wohnt und sich von ihm aushalten lässt. Ein Unfall mit Simons Luxusauto sowie ein gesellschaftlicher faux pas bewirken ihren Rauswurf aus diesem Haus. Alex setzt nun alles daran, wieder bei Simon einziehen zu können. Dieser Plan soll anlässlich  einer sensationellen Party bei Simon realisiert werden. Die sieben Tage bis dahin versucht Alex unterkunfts- und mittellos zu überbrücken, schreckt  vor nichts zurück und hinterlässt dabei eine Spur der Verwüstung, sowohl im materiellen als auch im psychischen Bereich der Personen, auf deren Hilfe sie hofft. Das Ganze endet fast zwangsläufig in einer sich rasant entwickelnden gewaltigen Katastrophe, die an dieser Stelle der Spannung wegen nicht weiter beschrieben werden soll.

Dieser Roman reiht sich ein in die Liste der literarischen Werke zum Thema „Hochstapelei“. Aber anders als z. B. Thomas Manns Romanheld Felix Krull entwickelt sich Alex eigentlich nicht mehr. Wir lernen sie erst kurz vor dem Ende ihrer Entwicklung kennen. Obwohl erst 22 Jahre alt, kennt sie bereits alle Tricks, die man als Callgirl beherrschen muss. Da  sie aber nicht nur eine Frau für gewisse Stunden sein will, sondern sich vielmehr ein Leben in der Upper Class an der Seite eines reichen Mannes erträumt, ist sie bereit, sich dabei soweit anzupassen, dass sie keine eigene Identität mehr hat. Auf der anderen Seite ist dieser Roman auch ein Werk, das zeigt, dass ein derartiger Aufstieg von dieser Upper Class selbst verhindert wird. Man weiß genau, wer dazu gehört und wer nicht, kann unerwünschte Aufstiege also verhindern. Solange Alex im Sinne der Upper Class richtig „funktioniert“, nämlich als Schmuckstück eines Mannes, das dieser jederzeit ablegen kann, wird sie geduldet, aber nicht akzeptiert. Alex ist zum Schluss zum ungeladenen Gast der Upper Class geworden, der einfach nur noch ignoriert wird, aber rücksichtslos noch ums eigene Überleben kämpft. Das Werk kann aber auch als Roman zur Me too Bewegung, der die Autorin nahe steht, gelesen werden. Alex als junge Frau, die den Mächtigen vollkommen ausgeliefert ist, von ihnen abhängig ist und ausgenutzt wird, um schließlich fallengelassen zu werden.

In der Literaturkritik wurde der Roman unterschiedlich bewertet. Einerseits wurde bemängelt, dass die handelnden Personen oberflächlich gezeichnet wurden, nahezu stereotyp, darüber hinaus sei der Stil distanziert bis unterkühlt. Andere Kritiker sehen gerade darin das Exemplarische des Romans und eine angemessene Darstellung amerikanischer Verhältnisse. Was zutreffend ist, müssen Sie, liebe Leserin und lieber Leser, nun selbst herausfinden.

Emma Cline: Die Einladung

München 2023. Hanser Literaturverlage

ISBN 978-3-446-27757-1

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