Wann dürfen Ratsmitglieder nicht abstimmen?

von Ria Garcia

Bild: Gerd Altmann / Pixabay

‘Ich nehme an der Beratung und Abstimmung nicht teil, ich bin befangen.’ Diesen Satz hört man hin und wieder in Rat und Ausschüssen, wenn ein Ratsmitglied oder ein Sachkundiger Bürger nach § 31 der Gemeindeordnung NRW als befangen gilt.

Wann aber gilt ein Rats- oder Ausschussmitglied als befangen? Ausschließungsgründe, wie der Paragraph 31 der GO NRW überschrieben ist, gibt es einige. Sei es, dass ein Ratsmitglied möglicher Weise auf der Straße wohnt, für die ein Beschluss gefasst werden soll oder das ein Tagesordnungspunkt die Interessen seines Arbeitgeber berührt. Als befangen gilt ein Rats- oder Ausschussmitlied auch, wenn die Interessen eines Angehörigen berührt werden.

Betrifft das auch Beschlüsse zu größeren Schulprojekten?

Ja, wie das Oberwaltungsgericht NRW in einem Urteil vom 08.05.2015 mit dem Aktenzeichen 5 A 1523/14 feststellte. Das Ratsmitglied hatte geklagt, weil auf einen Hinweis der Bürgermeisterin auf dessen Betroffenheit hin der Rat ihn von der Abstimmung ausgeschlossen hatte. Seine Tochter besuchte eine Schule, die als Teilstandort einer Grundschule geschlossen werden sollte. Das OVG NRW kam schließlich zu der Einschätzung, dass der Ausschluss rechtmäßig gewesen sei.

Auch in Erkrath standen in den vergangenen Jahren größere Beschlüsse zu Schulen auf der Tagesordnung und es ist anzunehmen, dass jeder Beschluss für sich genommen, die Interessen des einen oder anderen Rats- oder Ausschussmitglieds oder dessen Angehörigen berührt. Was sagt die GO NRW zum Kreis der Angehörigen? An erster Stelle stehen sicher Ehe- oder Lebenspartner und die Kinder. Aber die GO NRW fasst den Kreis der Angehörigen noch weiter und jetzt wird es richtig kompliziert:

(5) Angehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2, des § 72, des § 93 Abs. 5, § 103 Abs. 7 und des § 104 Abs. 3 sind
1. der Ehegatte oder die eingetragene Lebenspartnerin oder der eingetragene Lebenspartner,
2. Verwandte und Verschwägerte gerader Linie sowie durch Annahme als Kind verbundene Personen,
3. Geschwister,
4. Kinder der Geschwister,
5. Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten,
6. eingetragene Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der eingetragenen Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner,
7. Geschwister der Eltern.
Die unter den Nummern 1, 2, 5 und 6 genannten Personen gelten nicht als Angehörige, wenn die Ehe rechtswirksam geschieden oder aufgehoben oder die Lebenspartnerschaft aufgehoben ist.

Wir haben im Ratsinformationssystem versucht zu recherchieren, wann sich Rats- oder Ausschussmitglieder in Erkrath bei Abstimmungen zu Schulentscheidungen als befangen erklärt und deshalb an der Beratung und Abstimmung nicht teilgenommen haben. Das wird in den Protokollen vermerkt. Überraschender Weise konnten wir keinen einzigen Fall im Ratsinformationssystem ausfindig machen, obwohl Großprojekte auf der Tagesordnung standen. Hat kein Rats- oder Ausschussmitglied ein Kind in den betroffenen Schulen oder einen Angehörigen im Kollegium? Bei welcher Projektgröße oder Relevanz beginnen die in § 31 der GO NRW definierten Ausschließungsgründe in Bezug auf Schulen? Ist die Schließung eines Teilstandortes, wie im erwähnten Urteil, höher anzusiedeln, als Schulneubauten?

Da sich diese Frage für uns nicht zweifelsfrei beantworten lässt, haben wir sie an die Verwaltung weitergeleitet und um eine Antwort gebeten, die wir hier für unsere Leser veröffentlichen werden.

Antwort der Verwaltung

Erst einmal ein Lob, denn diese Antwort kam in sehr kurzer Zeit, wenn sie auch nicht die Gesamtfragestellung behandelt. Denn gern hätten wir auch aufgeklärt, wie es sich mit Grundsatzentscheidungen zu ‘Sanierung oder Neubau’, Schulschließungen oder den ganz neuen Bau einer Schule verhält. Vielleicht können wir das später noch ergänzen.

Hier die erhaltene Antwort der Verwaltung, die schon einmal Teilfragestellungen klärt:
Grundsätzlich werden die Ausschlussgründe für Ratsmitglieder gemäß §§ 43 Abs. 2, 31 GO NRW weit ausgelegt und zwar bereits dann, wenn die Entscheidung im Rat dem Ratsmitglied einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil geben kann. Vor- und Nachteile sind nicht nur jede Vergünstigung oder Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, sondern Vor- und Nachteile können auch jedes rechtliche, soziale, wissenschaftliche, ethische, ideelle oder sonstige Interesse der betroffenen Person sein (VG Münster v. 05.12.2017 – 1 K 1187/15 Rn. 26). In diese Richtung tendiert auch die unten angeführte Entscheidung des OVG Münster (OVG Münster v. 08.05.2015 – 15 A 1523/14).
Für die Frage eines Mitwirkungsverbots im oben genannten Sinne kommt es daher maßgeblich auf die jeweils zu treffende Entscheidung an. Der Inhalt der zu treffenden Entscheidung determiniert damit die Frage des Mitwirkungsverbots, wobei die Verantwortlichkeit für die Mitteilung eines möglichen Mitwirkungsverbots den jeweils Betroffenen obliegt (§ 43 Abs. 2 Nr. 3 GO NRW). Sofern es in diesem Zusammenhang um Finanzierungsfragen für Neubauprojekte geht, fehlt es an einem direkten oder indirekten Vorteil. Allein finanzielle Erwägungen im Rahmen der Haushaltsoptimierung betreffen die Stellung der Ratsmitglieder nicht. Der Beschluss über das Haushaltssicherungskonzept schlägt sich nicht im vorgenannten Sinne nieder, es würde auch bereits an der Unmittelbarkeit des Vorteils mangels direkter Kausalbeziehung mit der Entscheidung fehlen. So dürfen natürlich auch Ratsmitglieder mit Hunden über die Hundesteuer entscheiden.

Update: Ergänzende Informationen aus der Verwaltung

Wie angekündigt haben wir noch einmal nachgefragt und heute eine Antwort von der Verwaltung erhalten. Aus Sicht der Verwaltung löst die Frage ‘Neubau oder Sanierung’ keine Befangenheit aus, weil keine ‘unmittelbaren’ Vor- oder Nachteile entstehen. Hier die Erläuterung der Verwaltung:

Grundsätzlich steht dem Rat die Befugnis zu, gefasste Beschlüsse wieder aufzuheben oder aber abzuändern. Hierfür ist es – wie für jeden anderen Beschlussgegenstand auch – erforderlich, dass der Beratungsgegenstand erneut auf die Tagesordnung gesetzt wird und die erforderliche Mehrheit erlangt.

Die angesprochene Grundsatzentscheidung („Sanierung oder Neubau“) dürfte hier ebenso wenig ein Mitwirkungsverbot für Ratsmitglieder auslösen. Denn § 31 Abs. 1 Satz 1 GO NRW sieht vor, dass die Entscheidung geeignet sein muss, einen unmittelbaren Vor- bzw. Nachteil zu erzeugen. Das heißt, dass zwischen der zu treffenden Entscheidung und dem sich anschließend für das Ratsmitglied ergebenden Vor- bzw. Nachteile eine direkte Kausalbeziehung bestehen muss. Der bloße Grundsatzbeschluss allein legt jedoch nicht im Detail alle Einzelheiten der weiteren Maßnahmen, die zur Umsetzung des Beschlusses erforderlich sind, fest. Darüber hinaus sind auch die Folgewirkungen des Beschlusses im Zeitpunkt der Beschlussfassung ebenfalls noch nicht absehbar, sodass es auch vor diesem Hintergrund an der (hierfür maßgeblichen) Unmittelbarkeit fehlt.

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