Vocal Delight: Wenn Singen zur Leidenschaft wird

von Ria Garcia

Bei den Proben setzt sich Claudia Michel selbst ans Klavier. Foto: Ria Garcia

Gesucht waren 12, interessiert waren dann 60 und am Ende hatte der Projektchor von Claudia Michel rund 45 Mitglieder die mehr oder weniger regelmäßig jede Woche gemeinsam proben.

In der letzten Woche waren wir bei den Proben des Projektchors ‘Vocal Delight’ zu Gast und konnten kaum glauben, dass der Chor erst seit März gemeinsam probt. Die Chormitglieder ‘sprühen’ förmlich und die strenge, quirlige, aber auch witzige Chorleiterin ist der Anlass des ‘Sprühens’. Ihre Leidenschaft für die Musik und speziell für Chöre überträgt sich auf die Mitglieder.

Viele Chöre haben Nachwuchssorgen. Mit einem Projektchor, der für einen guten Zweck zusammenkommt, wollte Claudia Michel dem entgegenwirken. Eigentlich war der Plan 12 Mitglieder zu gewinnen, die von März bis in den Herbst einmal wöchentlich gemeinsam proben und dann ein Benefiz-Konzert zugunsten ukrainischer Flüchtlinge veranstalten. “Meine Frau ist ja ehemalige Studienrätin, die Deutsch und Musik unterrichtet hat. Sie hat also gezielt ehemalige Schülerinnen und Schüler angesprochen”, erzählt Claudia Michels Mann Friedel. Aus dem einen geplanten Konzert sind inzwischen sogar zwei geworden.

Das sagen Chormitglieder

Eine dieser ehemaligen Schülerinnen war Kerstin Houf. Sie kennt Claudia Michel seit 30 Jahren und nachdem diese sie und eine ihre Freundinnen angeschrieben hatte, trafen sie sich zum Essen. “Sie hat uns dann von der Idee erzählt. Meine Freundin konnte es zeitlich dann leider nicht einrichten.” Kerstin aber entschloss sich mitzumachen. “Es macht riesigen Spaß”, sagt sie und meint nicht nur das Singen, sondern auch Leute zu treffen und gemeinsam zu proben. “Selbst wenn ich manchmal nach der Arbeit keine Lust habe, gehe ich trotzdem hin und jedes Mal bemerke ich, dass man sich den Kopf frei singt”, schildert sie ihre Erfahrungen. Sie gehört zu den Mitgliedern, die Chorerfahrung haben. Von der fünften Klasse bis zum Abitur war sie im Chor, hat auch privat Musik gemacht und sogar einmal in einer Big Band gespielt. “Ich hoffe sehr, dass es mit dem Chor auch nach den Konzerten weitergeht.”

Auch mit dem jüngsten Chormitglied haben wir gesprochen. Nora Nejad steht kurz vor ihrem 17. Geburtstag. Die Email von Claudia Michel erreichte eigentlich ihren Vater und da Nora immer schon singen wollte, sind beide zum Chor gegangen. Während es für den Vater ein Hobby ist, denkt Nora darüber nach später auch beruflich etwas mit Musik zu machen. Über Claudia Michel hat sie viel über ihre Stimme gelernt. Zuerst hat sie Alt gesungen, aber dann hat sie erfahren, dass sie besser im Sophran singt. Und obwohl sie die Jüngste im Chor ist, empfindet sie die Chorgemeinschaft inzwischen wie eine gewachsene Freundschaft. “Beim Singen im Chor fühlt man sich so frei”, sagt sie uns.

Über ‘Mund zu Mund’ Propaganda hat Isabel Wilhelm vom Chor erfahren. “Ich hab eigentlich meine ganze Kindheit hindurch Musik gemacht. Ich hab Klavier gespielt. Dann kam das Studium und in der Studentenbude fehlte der Platz fürs Klavier. Später im Job und dann mit den Kindern fehlte die Zeit. Inzwischen sind die Kinder größer und musizieren selbst und auch in mir ist der Wunsch erneut gewachsen.” Begonnen hat sie dann erst einmal wieder mit dem Klavierspielen. “Ich wollte immer schon einmal in einem Chor singen und dann habe ich von dem Projektchor gehört”, erzählt sie, wie sie zu ‘Vocal Delight’ kam. “Das macht riesigen Spaß und man ist motiviert sein Bestes zu geben”, berichtet sie von ihren Erfahrungen. Im Chor gäbe es weder Konkurrenzdruck noch Missgunst. Alle seien mit Freude bei der Sache und das läge vor allem an Claudia Michel. “Sie ist fordernd, aber sie stellt nie jemanden bloß. Sie weiß einfach, wie es geht”, ist Isabel Wilhelm begeistert von der Chorleiterin. “Ich hoffe, dass sie das Projekt noch lange weiterführt. Sie ist mit soviel Liebe zum Detail dabei.” Als sie zum Chor stieß, hatte Isabel nicht einmal eine Ahnung, in welcher Tonlage sie singt. Inzwischen weiß sie, dass sie zu Alt 2 gehört. Als ihr ein Chormitglied während der Probe sagte: “Wenn Du die tiefen Töne singst, kriege ich Gänsehaut”, war sie überwältigt. “Ich wusste ja gar nicht, dass meine Stimme so bewegt.” Das Singen macht ihr inzwischen viel Freude.

Patrizia Klopotek hat über die Elternpflegschaft vom Chor erfahren. Ihre Tochter besucht das Gymnasium Hochdahl. “Ich finde die Idee toll und schön, dass sich darüber auch die Eltern besser kennenlernen”, sagt sie uns. Sie war selbst früher Schülerin am Gymnasium, hab auch im Chor gesungen. “Ich singe gerne, aber nicht solo”, bekennt sie. Die Anfrage zum Chor erreichte sie, als noch einige Corona-Beschränkungen galten, aber die Lust etwas gemeinsam mit anderen zu machen, inzwischen groß war. “Man kommt nach den Chorproben immer so entspannt nach Hause, hat den Kopf frei”, erklärt sie, warum sie gern zu den Proben geht, auch wenn es manchmal zeitlich eng ist. Einige der Chormitglieder kannte sie schon vorher, aber sie hat durch den Chor auch neue Menschen kennengelernt. Besonders gut gefällt ihr, dass hier mehrere Generationen miteinander harmonieren. Auch das Ziel mit den beiden Konzerten Spendengelder für Geflüchtete zu sammeln, schätzt sie sehr. “Das ist eine sehr schöne Sache mit den Konzerten sozial etwas bewirken zu können.” Auch Patrizia Klopotek hofft, dass es mit dem Chor nach den Konzerten weiter geht.

Die Chorleiterin Claudia Michel

Claudia Michel hatte, nachdem sie aus dem Beruf ausgeschieden war, schon länger den Wunsch wieder Musik zu machen, hat Kammermusik gemacht. Dann kam Corona. “Singen wäre da Gift gewesen”, erinnert sie daran, warum Chöre keinen Nachwuchs mehr gewinnen konnten. Aber Claudia Michel wollte gerne wieder einen Chor ins Leben rufen. Und weil sie früher als Lehrerin in der Schule Chöre geleitet hat, war ihre erste Idee Schüler anzusprechen und auch die Schulpflegschaft. Mit der riesigen Resonanz, die ihr Aufruf schließlich hatte, hat sie nicht gerechnet.

Claudia Michel. Foto: RG

Der Altersdurchschnitt der Chormitglieder liegt zwischen 30 und 40 Jahre. Zwei sind deutlich jünger und einige wenige auch deutlich älter. Doch auch wenn die meisten Chormitglieder ‘mitten im Leben stehen’, berufstätig sind oder Kinder haben, die Zeit für die Chorproben nehmen sie sich, wann immer es geht. “Und wenn Mitglieder keine Zeit für die Probe haben, sind wir medienmäßig so gut aufgestellt, dass sie auch zu Hause proben können. Dafür haben wir die Stücke entsprechend aufbereitet”, ist Claudia Michel zufrieden, dass alles gut klappt. Dazu trägt auch ihr Mann Friedel Michel bei, der das Chorprojekt unterstützt und auch selbst mitsingt. Den Namen Vocal Delight, was soviel wie sangliches Vergnügen bedeutet, haben sich die Chormitglieder nach den ersten Proben selbst gegeben.

Die Benefiz-Konzerte

Gesungen werden vor allem mehrstimmige Arrangements aus dem Film-, Musical- und Pop-Genre. Gesungen wird in Englisch. “Die Jüngeren wollen das eben”, kommentiert Claudia Michel die Auswahl der Stücke. Die sind erst einmal für die geplanten Benefiz-Konzerte zusammengestellt. Der Eintritt ist frei, eine telefonische Voranmeldung oder eine Anmeldung über Neanderticket.de aber notwendig, um das Platzkontingent einzuhalten. Statt Eintritt bitten Claudia und Friedel Michel, sowie die Chormitglieder von Vocal Delight um Spenden, die zu 100 Prozent der Ukraine-Flüchtlingshilfe zu Gute kommen sollen.

Das erste Konzert in der Kulturvilla Mettmann ist bereits bis auf den letzten Platz ausgebucht. Für das zweite, das am 6. November 2022 ab 17 Uhr in der Aula des Gymnasiums Hochdahl stattfindet, sind noch Plätze frei. Es trägt den Titel ‘Eine harmonische Welt – Sehnsüchte, Wünsche, Visionen’ und verwöhnt die Zuhörer unter anderen mit Stücken wie Moon River (Henry Mancini), Over the rainbow (Harold Arlen) und In my fantasy (Ennio Morricone).

Wird der ‘Projektchor’ zu einem neuen dauerhaften Chor?

Als wir Claudia Michel mit den Worten der Chormitglieder konfrontieren, die alle übereinstimmend eine Fortsetzung des Chors auch nach den Benefiz-Konzerten wünschen, sagt sie lachend: “Das hoffe ich doch.” Es sieht so aus, als wenn Erkrath dauerhaft einen neuen Chor hat. Und so werden sicher auch die Stücke ins Repertoire aufgenommen, die in der kurzen Zeit vor den Konzerten noch nicht dabei waren. Sie stehen auf der Wunschliste einiger Chormitglieder.

Es war, so hat uns Claudia Michel erzählt, gar nicht so einfach einen Probenraum für den Chor zu finden. Am Ende hat sie in Moni’s Jägerhaus Unterstützung gefunden. Dort probt der Chor seit März jeden Mittwochabend ab 19.30 Uhr im Veranstaltungsraum. “Wir sind sehr dankbar, dass wir diese Möglichkeit bekommen haben.”

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