Die Wirtschaftsförderung möchte Vereine eigentlich entlasten und von der Strafzahlung bei Absagen befreien. Gleichzeitig sollen „wirtschaftliche Aktivitäten“ aber mit einem Entgelt belegt werden.
Die Stadtverwaltung betont in der Beschlussvorlage, dass die Vereine und Verbände auf dem Feierabendmarkt einen „wichtigen Bestandteil“ darstellen. Man habe festgestellt, dass es vereinzelt kurzfristige Absagen gab. Da bei Vereinen und Verbänden ehrenamtliche Personen arbeiten, möchte man die Vereinskassen nicht mit der eigentlich fälligen Strafzahlung belasten. Diese sogenannte „Pönale“ muss gezahlt werden, wenn weniger als eine Woche vor dem Feierabendmarkt die Teilnahme abgesagt wird. 100,00 Euro werden derzeit fällig. Unerwähnt in der Beschlussvorlage ist die Änderung eines Satzes – dabei sorgt dieser hingegen für eine Belastung der Vereinskassen.
Weitgehende „wirtschaftliche Aktivitäten“ sorgen für Kostenanstieg
Unter § 6 Abs. 2 sagt die bisherige Entgeltordnung schlicht:
„Vereine und Verbände sind von der Erhebung eines Entgeltes befreit.“
In dem Entwurf der neuen Entgeltordnung soll nun eingefügt werden:
„Vereine und Verbände ohne wirtschaftliche Aktivitäten auf dem Feierabendmarkt sind von der Erhebung eines Entgeltes befreit.“
Vereine und Verbände, welche „wirtschaftliche Aktivitäten“ auf dem Feierabendmarkt betreiben, müssen demnach zukünftig ein Entgelt zahlen. Derzeit beträgt dieses 8,15 Euro pro laufenden Meter. Ein Verein, der einen zwei Meter breiten Stand hat, an allen sieben Feierabendmärkten teilnimmt und zur Aufbesserung der Vereinskasse etwas verkauft, müsste 114,10 Euro Standgeld in dem Jahr bezahlen. Bei drei Metern, die ein Pavillon üblicher Weise hat, wären es 171,15 Euro. Selbst bei dem kleinsten möglichen Betrag fallen 57,05 Euro für die sieben Feierabendmärkte an. Für Vereine und Verbände gibt es keinen Rabatt, sie werden mit kommerziellen Anbietern wie den Foodtrucks gleichgestellt.
Auch die Befreiung der 100-Euro-Strafzahlung gilt nur für Vereine und Verbände, welche auf dem Feierabendmarkt keinen „wirtschaftlichen Aktivitäten“ nachgehen. Wer hingegen „wirtschaftlich aktiv“ ist, muss die Strafzahlung dennoch leisten, wenn man kürzer als sieben Tage vor dem Termin absagt – und auch das Stand-Entgelt behält die Stadt ein. Diese Kosten (Strafzahlungen und Standmeter) können zudem in der Entgeltordnung zukünftig erhöht werden. Dafür ist jedoch eine Entscheidung des Rates nötig, die Verwaltung kann die Entgelte rechtlich nicht eigenmächtig erhöhen.
Unter „wirtschaftlicher Aktivität“ versteht die Verwaltung auf Nachfrage neben Verkäufen von Waren oder Essen auch den Abschluss eines Mitgliedsantrags, „da der Verein dann einen (finanziellen) Gewinn mit seinem Stand erzielen würde. Dies wäre mittelbar bereits bei einem reinen Vertragsabschluss (auch ohne unmittelbare Zahlung vor Ort) der Fall“, so Stadtsprecher Thomas Laxa. Selbst die „konkrete Werbung um Mitgliedschaften“ etwa durch das Auslegen von Mitgliedsanträgen stellt aus Sicht der Verwaltung „bereits eine Art der mittelbaren Gewinnerzielungsmöglichkeit dar, weshalb auch hier das Erheben eines Entgeltes von der Rechtsabteilung empfohlen wird“.
Nachträgliche Legitimierung
Bereits seit einigen Monaten haben wir Hinweise darauf, dass die Verwaltung schon längst Entgelte von einigen (aber nicht allen) Vereinen und Verbänden erhebt, welche auf dem Feierabendmarkt etwas verkaufen, obwohl die Entgeltordnung eine pauschale Befreiung ohne irgendwelche Bedingungen vorsieht. Das räumt die Stadtverwaltung auch ein – wenn auch verklausuliert: Bei der Textpassage würde es sich laut Laxa „nur um eine Klarstellung der bisherigen Regelung“ handeln, welche der Haupt- und Finanzausschuss sowie der Rat bei der Einführung der Entgelte 2023 getroffen habe. „Eine faktische Änderung in Bezug auf das Entgelt wird durch die textliche Anpassung nicht angestrebt.“ Diese Aussage verwundert, da nach der sehr weitgehenden Definition der „wirtschaftlichen Aktivitäten“ zukünftig kaum ein Verein ohne Entgelt auskommen wird.
Bei der Diskussion 2023 hatten sich einzelne Ratsmitglieder auch dagegen ausgesprochen, von Vereinen und Verbänden Entgelte zu nehmen. Lediglich die Verwaltung selbst hat in der Beschlussvorlage zu dem Entwurf der Entgeltordnung 2023 geschrieben: „Eine Befreiung setzt voraus, dass es sich bei den Ständen um reine Informations- bzw. Präsentationsstände handelt und bspw. keine Verträge über Mitgliedschaften o.ä. geschlossen werden.“ Diese Einschränkung wurde bislang jedoch nicht in die Entgeltordnung eingefügt – und nun auch noch erweitert. Im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung am 29. August versuchten die Bündnis 90/Die Grünen mit einem Antrag, die „wirtschaftlichen Aktivitäten“ aus dem Entwurf zu streichen. Sie scheiterten an einer Mehrheit aus den Fraktionen von CDU, SPD, BmU, AfD und Die Linke.
Wir haben gefragt, auf welcher Grundlage die bisherigen Entgelte von Vereinen und Verbänden eingenommen wurden. Hierzu wird lediglich auf die Ratsabstimmung sowie „gesetzlichen Vorschriften“ verwiesen. „Auf die Erhebung eines Standentgelts kann leider aus rechtlichen Gründen nicht verzichtet werden.“ Es gäbe „die gesetzliche Pflicht, dass bei einer wirtschaftlichen Tätigkeit von Ausstellenden (losgelöst ihrer Rechtsform) ein Entgelt zu erheben ist.“ Laut Stadtsprecher Laxa würde die Verfassung dies vorschreiben: „Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit des Entgelts ist Artikel 3 des Grundgesetzes, der eine Gleichbehandlung aller Ausstellenden mit wirtschaftlichen Aktivitäten orientiert am Maß der jeweiligen Inanspruchnahme der öffentlichen Fläche verlangt (hierbei halten wir uns an die Anforderungen des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes).“
Gefragt nach den Einnahmen von Vereinen und von kommerziellen Anbietern heißt es, dass man diese nicht getrennt erfassen würde. Insgesamt wurde mit Standgeldern auf dem Feierabendmarkt im vergangenen Jahr insgesamt ca. 3.000 Euro brutto eingenommen, dem stehen Ausgaben für die Stadt in Höhe von ca. 7.300 Euro brutto gegenüber. „Seitens Stadt und Politik war und ist nicht vorgesehen, dass sich der Feierabendmarkt durch die erhobenen Entgelte finanziell trägt“, so Laxa. Durch die Standgelder für Vereine und Verbände werden sich die Einnahmen dennoch erhöhen.
Warteliste und Blick über den Tellerrand
Wenn Vereine und Verbände aufgrund der Entgelte abwandern, werden die Lücken wohl schnell gefüllt werden. Rund 20 Stände soll es auf jedem Feierabendmarkt geben, mittlerweile gibt es eine Warteliste mit sowohl Essensständen als auch Händlern mit Warenangeboten. Die Verwaltung führt dies auf „das über die Jahre aufgebaute Netzwerk an potentiellen Ausstellenden“ zurück. Diese sollen „zu einem regelmäßig wechselnden Angebot beitragen“.
Erkrath ist nicht die einzige Stadt, die einen Feierabendmarkt hat. Andere Kommunen erheben auch Gebühren – und sind dort kreativer. Besonders Zusatzgebühren scheinen anderswo häufig vorzukommen: Hattingen (PDF) nimmt Zusatzgebühren für Strom- und Wasser-Anschluss wie auch für Stromverbrauch. In Gelsenkirchen (PDF) werden zusätzliche Gebühren für Stromanschluss, Stromverbrauch, Alkoholausschank und einem „Winterlicht“ genommen. In den Städten Wermelskirchen, Hückeswagen, Wipperfürth und Burscheid gibt es wiederum Standgelder mit Mindestgebühren (PDF).
In Heiligenhaus (PDF) gibt es unterschiedliche Gebühren für Warenverkauf und Gastronomie. Die Stadt Wesel nimmt nicht nur unterschiedliche Gebühren von Händlern (PDF) und der Gastronomie (PDF), sondern unterscheidet bei der Gastronomie zusätzlich, ob Einweg- oder Mehrweg-Behältnisse verwendet werden. Die Stadt Melsungen (PDF) in Hessen unterscheidet zwischen „Imbiss & Getränke“ sowie sonstigen Ständen mit unterschiedlichen Gebühren. Wie das alles zu den Gleichbehandlungs-Grundsätzen passt, oder ob diese Städte nicht darunter fallen, können wir auch nicht erklären.
In Erkrath soll der Stadtrat in der Ratssitzung am Dienstag, 17. September, ab 17:00 Uhr in der Stadthalle über die neue Entgeltordnung entscheiden.
Wir, die Heimat-Erde, sind vier Frauen, die durch das Nähen von upgecycelten Brotbeuteln Spenden einnehmen. Diese Spenden gehen ohne Abzug direkt an gemeinnützige Organisationen (Flüchtlingshilfe, Obdachlosen-Hilfen Frauenhäuser…).
Dieses Jahr waren wir auf zwei Feierabendmärkten. Für unseren Stand mussten wir je Markt 8,16€ bezahlen. Dieses Geld mussten wir von den Spenden abziehen, da wir außer unserer Zeit auch Geld für Nähgarn, Strom, Bänder usw. ausgeben und wir weitere zusätzliche Kosten nicht tragen wollen. Hätten wir einen Stand kurzfristig absagen müssen, wären weitere 100€ als Strafe fällig gewesen. Das können wir nicht leisten.
Eigentlich, so sagte man uns, solle die Standgebühr für Organisationen wie unsere zukünftig wegfallen. Aber wenn wir § 6 Abs. 2 der bisherigen Entgeltordnung richtig verstanden haben, hätten wir schon dieses Jahr gar nichts zahlen müsse („Vereine und Verbände sind von der Erhebung eines Entgeltes befreit.“). Und auch zukünftig müssten wir demnach befreit sein, da wir die Abgabe der Brotbeutel ohne wirtschaftliche Aktivität betreiben.
Dieses Durcheinander ist uns zu viel und wir verzichten in Zukunft auf einen Stand. Schade, das unser Ehrenamt nicht unterstützt wird. Wir denken auch, dass der Verwaltungsaufwand für 8,16€ zu hoch und zu teuer ist.