Tagesmütter: Wir können die Heizung nicht einfach herunter drehen

von Ria Garcia

Foto: RG

Den Erkrather Tagesmüttern wachsen die Heizkosten förmlich ‘über den Kopf’, die Sorge aufgeben zu müssen, ist groß. Am Donnerstag hat sich der Jugendhilfeausschuss mit dem Thema befasst. Nehmen konnte er die Sorge am Ende nicht ganz.

Anke Nordick, Sprecherin der Erkrather Interessengemeinschaft der Kindertagespflege, hatte im Namen der Tagesmütter einen entsprechenden Antrag eingebracht, in dem sie eine Energiekostenpauschale für die Tagespflegepersonen beantragt. Ein kleiner Auszug daraus macht klar, in welchem Dilemma Tagesmütter stecken:

Die DGUV empfiehlt in ihren Richtlinien eine Raumtemperatur von mindestens 20°C. Für Kleinkinder 21°C – 22°C. Dementsprechend dürfen Kindertagespflegepersonen die Raumtemperatur nicht absenken.
In diesem Zusammenhang zusätzlich erschwerend machen wir auf die gängigen Hygiene- und Infektionsschutzempfehlungen aufmerksam, welche insbesondere auf regelmäßiges Querlüften (ca. alle 30 Minuten!) als probates Mittel gegen eine Infektion und für die Aufrechterhaltung des Betreuungsbetriebes zielen.Die Erfahrungen aus den letzten zwei Wintern zeigen, dass die Raumtemperatur dadurch regelmäßig erheblich abfällt und hier nur durch eine erhöhte Heizleistung gegengesteuert werden kann.
Zudem erinnern wir an die seitens Bund und Land empfohlenen Lüftungsanlagen, die einen hohen Mehraufwand an Strom benötigen. Wer diese nicht hat einbauen lassen (können), hat sich häufig mit mobilen Geräten beholfen, die ganztägig für ein virenfreies Raumklima sorgen, zum Preis eines deutlich erhöhten Stromverbrauchs.

Das Land NRW untersagt in Kindertagespflege per Kinderbildungsgesetz eine private Zuzahlung der Eltern, in dem seitens der Kommune erhobenen Elternbeitrag sind keine Abschläge für Heiz- und Energiekosten enthalten.

Beantragt hatten die Tagesmütter am 26. September 2022 einen Zuschuss zu den Energie-/Heizkosten für die kommende Heizperiode (01.10.22–30.04.2023). Der Beschlussvorschlag der Verwaltung hingegen sah vor:

Auf Empfehlung des Jugendhilfeausschusses und des Haupt- und Finanzausschusses beschließt der Rat der Stadt Erkrath für den Zeitraum vom 01.11.2022 bis zum 28.02.2023 die Sachleistung der Kindertagespflegepersonen von 2,11€ auf 2,17€ (pro Stunde pro Kind) zu erhöhen, um die steigenden Energiekosten abzumildern.

Reinhard Knitsch (Grüne) meldete sich beim Tagesordnungspunkt als erster zu Wort. Er sah den Antrag als berechtigt, die Entwicklung der Energiekosten seien problematisch “Ich sehe hier auch Land und Bund in der Pflicht, aber darauf können wir nicht warten”, machte er den Handlungsbedarf deutlich. Ein Problem sei, dass die Zusatzkosten nicht vorhersehbar seien. Bei der Fernwärmeendabrechnung könnten 60 bis 70 Prozent Nachzahlung kommen und die Vorauszahlungen für 2023 seien viermal so hoch. “Die Gaspreisbremse kommt, aber die Höhe der Vorauszahlungen bleibt erst einmal”, befürchtete er. Anders, als der Beschlussvorschlag der Verwaltung vorsah, beantragte er deshalb statt 6 Cent pro Kinde pro Stunde 10 Cent vorzusehen und die Erhöhung über fünf Monate, also vom 1.10.22 bis 28.2.23 zu zahlen. Im Februar könne der Ausschuss dann erneut diskutieren, um die Auswirkungen einzuschätzen. Peter Sohn (BMU) unterstützte den Antrag. “Die Tagespflege wird nicht ‘fürstlich’ entlohnt. Wenn einige aufgeben müssen und wir weniger Tagespflegekräfte haben, dann haben wir ein Problem”, unterstrich er die Wichtigkeit. Michaele Gincel-Reinhardt sah auch das nicht als ausreichend: “Die Vorauszahlungen müssen ganzjährig geleistet werden. Eine Erhöhung bis Februar reicht nicht. Wir können uns nicht leisten Tagesmütter zu verlieren.”

Beigeordneter Michael Pfleging wies darauf hin, dass der Antrag zu einer Zeit gestellt wurde, als die Beschaffungsumlage auf den Gaspreis erhoben werden sollte. Seit dem habe sich einiges getan. “Zum 1. März kommt die Gaspreisbremse, deshalb haben wir den Zeitraum bis Ende Februar gefasst.” Außerdem hätten die Tagespflegepersonen im September 300 Euro Energiekostenpauschale erhalten. (Anm. der Redaktion: Die Energiekostenpauschale hat nichts mit der Tagespflege zu tun. Hierbei handelt es sich um eine Leistung, die alle Steuerzahler erhalten haben.) Auch erwarte er, dass die Landesregierung hier noch tätig werde. Die Stadt hätte sich diesbezüglich auch an den Städte- und Gemeindebund gewandt.

Angenommene Zahlen und die Realität

In der Begründung des Verwaltungsvorschlags hatte die Verwaltung ausgerechnet, dass Tagesmütter durchschnittlich 5 Kinder betreuen und hatte so einen durchschnittlich monatlichen Betrag errechnet, den die Tagesmütter für Sachkosten erhalten. Anke Nordick hatte daraufhin eine kurze Umfrage unter den Tagesmütter gestartet und kam dabei auf eine andere Zahl. “Die meisten Tagesmütter haben nur vier Kinder”, erklärte sie, dass die Mehrzahl der Tagesmütter nicht das erhält, was in der Vorlage genannt war.

Norbert Baumgarten (SKFM) begrüßte, dass die Stadt auf den Städte- und Gemeindebund zugegangen sei. Dem Antrag der Grünen schließe er sich an. “Das ist ja nur ein ‘Abmildern’. Bei jeder Tagesmutter schlagen die Kosten voll ins Kontor.” Deshalb sei der Vorschlag von Reinhard Knitsch gut. “Im Februar können wir noch einmal nachjustieren.” Jan Pfeifer erinnerte ans Haushaltsoptimierungskonzept. “Wir müssen ja auch überlegen, welche Kosten wir uns ‘ans Bein binden’. Der Antrag der Grünen ‘fährt auf Sicht’. Dem können wir uns anschließen.

Die Abstimmung des Antrag von Reinhard Knitsch, der eine Erhöhung der Sachleistung von 2,11 Euro auf 2,21 Euro pro Kind pro Stunde für fünf Monate (1.10.22 bis 28.2.23) und eine erneute Beratung in der nächsten Sitzung im Februar 2023 vorsah, wurde bei Enthaltung durch die CDU und FDP angenommen.

Sorgen nicht vom Tisch

In einer Sitzungsunterbrechung, in der die anwesenden Tagesmütter, außer Anke Nordick, die Sitzung verließen, wurde klar, dass damit für die Tagesmütter die Sorgen nicht vom Tisch sind. Die wenigsten von Ihnen wissen, ob sie in den kommenden Monaten die Kosten stemmen können. “Ich habe die Endabrechnung für die Fernwärme vom letzten Jahr von EON noch nicht vorliegen. Ich weiß noch nicht, was auf mich zukommt”, erzählt uns eine der Tagesmütter. Wie schwer es ist, die empfohlenen Raumtemperaturen zu halten, wird bei weiteren Schilderungen klar. “Wir dürfen keine Türen zwischen den einzelnen Räumen haben”, erzählt eine, dass das die Auflagen der angemieteten Räume für die Großtagespflege seien, um Brandschutz und Sicherheit der Kinder zu gewährleisten.

“Auch uns trifft die inzwischen auf 10,4 Prozent gestiegene Inflation”, wirft eine andere ein. Denn nicht nur die Energiekosten seien gestiegen. Auch der Einkauf von Lebensmitteln, Pflegeutensilien, Spiel- und Förderungsmaterial sowie Ausstattung der Tagespflege, sei deutlich teurer geworden. Michael Pfleging hatte darauf hingewiesen, dass jährlich eine Anpassung der Pauschalen erfolge, die Preissteigerungen berücksichtige. Die nächste wäre zum 1.8.23 fällig. Die zehnprozentige Inflation trifft die Tagesmütter aber schon jetzt. “Ich kaufe schon weniger Spielsachen, um die Nachzahlung der Energiekosten irgendwie auffangen zu können”, verriet eine der Tagesmütter. Und so haben sie am Donnerstag mit dem Beschluss des Jugendhilfeausschuss zwar eine Abmilderung der Mehrkosten erreicht, die Sorge, dass sie die steigenden Kosten dennoch nicht stemmen können, bleibt und die Gefahr, dass die eine oder andere von ihnen deshalb aufgibt, auch.

Kommentar: Die Fortschreibungsrate gemäß § 37 KiBiz wurde für das Kindergartenjahr 2021/2022 mit 0,83 Prozent festgesetzt. Im Kitajahr 2022/2023 beträgt sie 1,02 Prozent. Einen Inflationsausgleich haben die Tagesmütter hier nicht erhalten und es ist zumindest fraglich, ob für das Kitajahr 2023/2024 eine Fortschreibungsrate von mehr als 10 Prozent festgelegt wird.

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