Sommerinterview: BmU

BmU Fraktionsvorsitzender Bernhard Osterwind/ Foto: TB

Auch in dieser Woche möchten wir mit einem Sommerinterview starten. Dieses Mal haben wir Bernhard Osterwind, Fraktionsvorsitzenden der BmU vor den Block bekommen. Aufgrund der Starkregenvorkommnisse in der vergangenen Woche wurde das Interview leicht verändert.

Welche Konsequenzen hat das Starkregenereignis in diesem Monat?

Die Hilfskräfte und die Bürgerinnen und Bürger machen uns in der Politik vor, wie man durch Bildung einer starken Gemeinschaft Krisen trotzen kann. Viele Erkratherinnen und Erkrather haben unseren eigenen Rettern und Helfern, wie auch Hilfskräften von Nah und Fern, viel zu danken. Natürlich muss man abwarten, welche Erkenntnisse sich mit Abstand ergeben, deswegen kann dies kein abschließendes, sondern nur ein vorläufiges Fazit sein. Ich halte daher vorläufig fest: 

  • Dieses Wetterereignis hat Erkrath getroffen, wie noch nie ein Wetterereignis seit Menschengedenken Erkrath geschädigt hat.
  • Schaut man sich andere Orte in NRW an: Es hätte noch schlimmer kommen können. Dankbar nehmen wir zur Kenntnis, dass in Erkrath niemand gestorben ist.
  • Die Wissenschaft und die Gutachten für Erkrath haben ein solches und ähnliche Ereignisse aufgrund des Klimawandels nicht nur vorausgesagt, sondern erwarten eine Zunahme an Zahl und Intensität in der Zukunft. Dazu gehören nicht nur Starkregenereignisse sondern auch extreme Hitzeperioden.
  • Auf den Prüfstand müssen unsere Konzepte zum Klimawandel, Verkehrswende und zur Klimaanpassung. Aber auch in anderen Bereichen, wie der Bildung, haben wir Nachholbedarf.
  • Das schwere Wetter hat die Stadt auch ökonomisch getroffen. Die Schäden an der Infrastruktur (z.B. Stadthalle) sind noch nicht absehbar. Dies zusätzlich zu den Belastungen welche die Coronakrise uns ohnehin abverlangte und einem seit anderthalb Jahrzehnten nicht ausgeglichenen Haushalt.

Aus dieser Situationsskizze gilt es, konkrete Konsequenzen abzuleiten und deren Umsetzung zu kontrollieren.

2020 war das Jahr der Kommunalwahl. Was hat Ihre Fraktion bisher schon auf den Weg bringen können?

Wir haben als langfristige strategische Neuausrichtung  die Erstellung einer Nachhaltigkeitssatzung an den Start gebracht. Damit sollen ökologische und ökonomische Rahmenbedingungen sowie Generationengerechtigkeit miteinander verknüpft werden. Sogar für ganz NRW konnten wir die Kartellbehörde für die Überprüfung der überhöhten Fernwärmepreise gewinnen. Die Ergebnisse erwarten wir in Kürze. Die Debatte zur Umstellung auf regenerative Energiequellen (z.B. Geothermie) für die Fernwärme haben wir ebenfalls mit viel Resonanz  angestoßen. Hier hilft im Interesse des Klimaschutzes nur eine komplette Neuaufstellung und keine Sanierung der Altanlagen. Wir haben uns für die Ausstattung von Schulen und Schülern mit digitalen Endgeräten und IT Infrastruktur eingesetzt. Die Zulassung von Gießwasserzählern für eine gerechtere Wasserabrechnung ist auf unseren Antrag hin vom Stadtrat beschlossen worden. Wenn der Rat uns auch nicht in allen Punkten folgen wollte: Die archäologischen Untersuchungen auf der Neanderhöhe, gekrönt letztlich mit dem Fund einer eisenzeitlichen Siedlung, haben wir gegen erheblichen Widerstand durchgesetzt. Voraussichtlich im Oktober wird die zweite Grabungskampagne folgen. Wir haben die Verbesserung des Lärmschutzes an der Eisenbahn auf die Tagesordnung gebracht. Auf unseren Antrag hin wird die Grünphase an der Ampel Rosenhof Hochdahl für Senioren optimiert. Die Bewerbung Erkraths für das Projekt „Jugend entscheidet“ haben wir mit Erfolg eingebracht. Damit erhöhen wir die Beteiligungsmöglichkeiten u.a. des Jugendrates, dessen Gründung auch auf einen BmU-Antrag zurückging. Die Gründung des Bauausschusses, dessen Sinn auch eine höhere Kostentransparenz ist, geht auf unsere Anregung zurück. Auf unsere Initiative wurde die Vermüllung im Wäldchen Kupferweg/Bessemerstraße beseitigt. Ebenfalls wird aus ökologischen Gründen, auf unsere Anregung hin, Laub, soweit möglich, nicht abgefahren sondern in ortsnahen Gebüschen der Verrottung zugeführt.

Wie sah die Kommunalpolitik in Corona-Zeiten  aus? Sind wichtige Themen auf der Strecke geblieben?

Innerhalb der BmU haben wir, Dank auch mehrerer ausgewiesener  IT-Spezialisten in unseren Reihen, rasch einen guten Weg gefunden, unsere Sitzungen über Videokonferenzen und Chats abzuhalten. Das Hauptproblem war der Verlust an direkter Kommunikation mit den Erkratherinnen und Erkrathern. Die Pandemie hat daran gehindert, wichtige Themen auskömmlicher Finanzen und ökologische Themen fortzuentwickeln. Wir haben enorme Defizite angehäuft statt sie abzubauen. Skandalös ist, dass der SPNV nicht annähernd zufriedenstellend läuft, was besonders in Zeiten hoher Infektionsgefahr misslich ist  sowie der Zustand der Radwege. Keine Mehrheiten haben wir für die Ausrüstung der Klassenräume mit Belüftungsanlagen zum Beispiel nach dem Mainzer Modell gewinnen können.

Welches Ziel, das Sie bis zum Ende der Amtszeit anpacken wollen, liegt Ihnen besonders am Herzen?

Aufbau einer modernen, nachhaltigen, preiswerten Fernwärmeversorgung, Stabilisierung des S-Bahnverkehrs, Umsetzung und Anpassung des Klimaschutzkonzeptes, auskömmliche Haushaltsplanung, Renaturierung des Stadtweihers, Umsetzung des Programmes Soziale Stadt, Evaluation des Stadtentwicklungskonzeptes, Lösung des Finanzierungsproblems für das Zündstoff- Projekt. Bei der Klimafolgenanpassung bearbeiten wir gerade einen eigenen Antrag zur konkreten Verbesserung der Versickerung von Niederschlägen. Viel zu wenig wird für die kommunalen Radwege getan. Die BmU hat beantragt, dass im Mobilitätsausschuss der Nationale Radverkehrsplan 3.0 thematisiert und aufgegriffen wird, der das Ziel hat, den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur massiv zu fördern.  Neben der Sanierung der Radwege gehört auch die Planung von Radschnellverbindungen dazu.

Erkrath benötigt ein Verkehrskonzept, welches dem Radfahrer und Fußgänger gerecht wird. Ziel des NRVP 3.0 ist u.a.,

  • dass geschützte Radfahrstreifen (Protected Bike Lanes) zu einem standardisierten Gestaltungselement werden,
  • dass sichere Knotenpunkte realisiert werden. Voraussetzung hierfür ist die Etablierung eines sicheren Kreuzungsdesigns.
  • dass Fahrradstraßen Radrouten im Nebennetz mit wenig Kfz-Verkehr schaffen. Durch eindeutige Vorrangregelungen gegenüber kreuzenden Straßen kommen Radfahrende dort schnell und sicher voran.

Die BmU stellt fest, dass in Erkrath geschützte Radfahrstreifen (Protected Bike Lanes), Fahrradstraßen bisher kaum vorhanden oder geplant sind. Weiterhin stellen wir fest, dass reine Fußwege in Tempo 30 Zonen in Erkrath zunehmend unerlaubt von Radfahrern genutzt werden. Dabei würde beispielsweise die Ausweisung von Fahrradstraßen dabei helfen, Wohngebiete eindeutiger von angrenzenden Gewerbegebieten abzugrenzen, um den Schwerlastverkehr in den vorhandenen Tempo 30 Zonen zu unterbinden und so Radrouten im Nebennetz zu schaffen.

Mehrheiten im Stadtrat zu finden, das gestaltet sich gerade schwierig. Mit wem kann sich Ihre Fraktion ein Koalitionsbündnis vorstellen?

Die BmU zeichnet aus, dass die Prüfung der Sachlage im Blick auf die Interessen der Stadt und die daraus resultierende Argumentation unser politisches Handeln bestimmt. Die BmU hat – wie nach den letzten beiden Kommunalwahlen – versucht, von Zufalls-Mehrheiten wegzukommen und konzeptionelles Handeln zu ermöglichen. Doch konnten weder mit der CDU noch mit Bündnis 90 die Grünen, SPD und Linken tragfähige Kompromisse gefunden werden.

Bei unseren Versuchen, mit der CDU zu einer Kooperation zu kommen, sind wir in der Vergangenheit mehrfach an der Wortbrüchigkeit der CDU gescheitert. Jüngst ist das selbst bei dem für die Stadt eigentlich wichtigen Einzelprojekt Neanderhöhe so geschehen, indem die CDU den von uns mühsam ausgehandelten Kompromiss einseitig verlassen hat. Diese Fraktion hat sich als verlässlicher Gesprächspartner unglaubwürdig gemacht. Schwierig ist die oft dogmatisch emotionale und langatmig redundante Gesprächsführung, wie sie die Grünen praktizieren. Wir bleiben bemüht, auch das zu überwinden, da es gemeinsame umweltpolitische Interessen gibt. Bleiben SPD, FDP und Linke, mit denen in Einzelfragen eine vernünftige Arbeitsatmosphäre möglich ist. Im Übrigen: von außergewöhnlichen Notsituationen abgesehen (z.B. Corona, Starkregen) beteiligen wir uns nicht an Absprachen / Austausch außerhalb der von der Gemeindeordnung vorgesehenen Gremien. Nur so bleibt der Meinungsbildungsprozess transparent und nimmt als wesentlicheren Akteur die Bürgerschaft mit.

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