Schwere Zeiten für Friseurbetriebe

Sabina (18) ist im zweiten Lehrjahr und steht kurz vor ihrer Zwischenprüfung. Bei der Kreishandwerkerschaft Mettmann kann sie praktische Erfahrung sammeln. In ihrem Betrieb ist das derzeit nicht möglich/ Foto: Tanja Bamme

Auszubildende im Friseurberuf haben es in der aktuellen Corona-Zeit nicht leicht, sich ausgiebig auf ihre Prüfungen vorzubereiten.

Sabina (18) möchte gerne ihr eigenes Kosmetikstudio eröffnen. Um dieses Ziel zu erreichen, macht sie derzeit eine Friseurausbildung in Mettmann. Im März steht ihre Zwischenprüfung an, praktische Erfahrungen kann sie aber seit Monaten nicht mehr richtig sammeln. „Den ersten Lockdown habe ich noch gar nicht richtig ernst genommen, aber seitdem wir wieder geschlossen haben, konnte ich kaum üben“, gibt die junge Frau wieder. Manchmal kann sie an Familienmitgliedern arbeiten, diese Möglichkeit ist aber begrenzt. Und auch die Lernmaterialien, die sie Zuhause bearbeitet, bieten keine Alternative zum praktischen Arbeiten im Betrieb.

Kreishandwerkerschaft Mettmann bietet praktische Übungsmöglichkeit an

Wie ihr geht es aktuell zahlreichen Auszubildenden in dieser Berufsbranche. Unterstützung bietet die Kreishandwerkerschaft Mettmann, die in der anhaltenden Pandemiezeit zumindest die überbetrieblichen Lehrlingsunterweisungen (ÜBL) anbieten. „Im ersten Lockdown hatten wir vom 17. März bis 4. Mai geschlossen. Danach haben wir mit einem sehr durchdachten Hygienekonzept wieder öffnen dürfen und auch die Lehrgänge für unsere Auszubildenden finden statt. Um diese Möglichkeit anzubieten, haben wir in unseren Lehrwerkstätten Trennwände eingebaut und umgerüstet“, erklärt Gabriele Leßel, Abteilungsleiterin Berufsbildung der Kreishandwerkerschaft Mettmann. Geschäftsführer Torben Viehl sieht die Zukunft der Friseurbranche trotzdem in Gefahr. Nicht nur der ohnehin drohende Nachwuchsmangel ist durch die Pandemie noch weiter gefährdet, auch sind es die Betriebe selbst, die unter den Verordnungen des Landes leiden. „Auf die November- und Dezemberhilfen haben die Betriebe keinen Anspruch, weil der Lockdown erst Mitte Dezember begann. Das Kurzarbeitergeld muss vorgelegt werden und für die Beantragung der Hilfen ab Januar muss ein Steuerberater bemüht werden. Auch das kostet Geld“, fasst Torben Viehl zusammen. „Wir reden hier von drohenden Existenzen und persönlichen Schicksalen, die sich hinter jedem einzelnen Betrieb verbergen“, ergänzt er.

„Es droht ein Massensterben dieser Berufsbranche!“

Friseurobermeister Uwe Ranke ist immer wieder im engen Kontakt mit dem Kreisgesundheitsamt und dem Ordnungsämtern. Sein Ziel: Die praktische Ausbildung seiner Azubis sichern. „In anderen Städten darf an einem echten Modell gearbeitet werden, im Kreis Mettmann ist das nicht möglich. Daher übe ich mit den Auszubildenden an Übungsköpfen. Das ist zwar eine Alternative, aber kein richtiger Ersatz“, weiß der Obermeister. Immer wieder ist er mit Kollegen und Auszubildenden im Gespräch, und bekommt die Brisanz der aktuellen Situation deutlich mit. „Wir haben alle große Sorge, dass wir mit einem Massensterben rechnen müssen, wenn unsere Branche noch länger geschlossen bleiben muss. Nach dem ersten Lockdown haben wir viel investiert, um die Hygienekonzepte einzuhalten. Geholfen hat es uns nichts, wir mussten trotzdem wieder schließen“, so Ranke, der den Druck von vielen Seiten zu spüren bekommt. „So sind auch die Materialien, mit denen wir arbeiten, teurer geworden. Für Einmal-Handschuhe habe ich damals rund 7,50 Euro für ein Paket gezahlt. Der Preis hat sich mittlerweile verdoppelt. Einmal-Umhänge werden wie Gold gehandelt, da hat sich der Preis nahezu verdreifacht. Das kommt auf die ohnehin starke Belastung noch obendrauf.“

Theoretischer Distanzunterricht funktioniert gut

Für die Schülerin Seray (17) rückt die Zwischenprüfung, die im März terminiert ist, ebenfalls immer näher. Sicher fühlt sich die junge Frau nur bedingt. Zudem bekommt sie die Dramatik, in der sich die Betriebsinhaber befinden, aus erster Quelle mit. „Ich arbeite im Betrieb meiner Eltern. Die Finanzen sind ein großes Thema, schließlich laufen die Kosten für den Betrieb und die Gehälter weiter“, gibt sie zu bedenken. Die 24-jährige Natalia ist im ersten Ausbildungsjahr. Ihr erster Betrieb musste Corona-bedingt die Türen für immer schließen, jetzt arbeitet sie seit Dezember in einem Betrieb in Wülfrath. „Vor dem zweiten Lockdown war ich zwei Tage im Betrieb und habe meine Kollegen kennengelernt. Seitdem ist wieder alles zu.“

Ausbildungszeit verlängern. Eine Alternative?

Die theoretischen Lerneinheiten können die Schüler digital bearbeiten. Die Berufsschulen haben- ebenso wie die weitere Schullandschaft- auf Distanzunterricht umgestellt. „Das funktioniert auch ganz gut“, gibt Natalia wieder. „Wir können über das Handy von überall zugreifen und auch Rücksprache mit den Lehrern halten, wenn etwas unverständlich ist.“ Optimistisch in die Zukunft blicken die jungen Frauen aber allesamt nicht. „Immerhin wissen wir nicht, wie lange wir noch mit Corona zu kämpfen haben“, so die drei Auszubildenden. Ob es zur Verschiebung der Prüfungen kommt, steht derzeit noch nicht fest. „Noch gehen wir davon aus, dass die Zwischenprüfungen am geplanten Datum stattfinden“, so Torben Viehl. „Wir hoffen sehr, dass wir mit unseren ÜBL dazu beitragen können, dass nicht zu viel praktischer Lernstoff für die Prüfungen verloren geht.“ Eine Verlängerung der Ausbildungszeiten kann sich Uwe Ranke auch vorstellen. „Um den verlorenen Stoff nachzuarbeiten“, argumentiert er. Und obwohl sich die Auszubildenden über das Ende ihrer Ausbildungszeit freuen, wäre diese Alterative für Natalia durchaus akzeptabel. „Ich möchte diesen Beruf unbedingt erlernen, auch wenn ich dafür etwas länger ausgebildet werden muss, um alles zu wissen. Das wäre es mir wert.“

Wissenswertes: Die Kreishandwerkerschaft Mettmann vertritt 13 Handwerksinnungen. Neben dem Friseurberuf kämpfen auch andere Branchen ums Überleben. So sind beispielsweise Tischlerbetriebe, die sich auf Messebau spezialisiert haben, aktuell stark betroffen. Auch KFZ-Werkstätten, die dem Autohandel angesiedelt sind oder Metallbetriebe die für die Industrie tätig sind, leiden unter der Pandemie deutlich.

Ausbildungszahlen im Friseurhandwerk (Kreis Mettmann):

Von 71 Lehrlingen, die in 2018 begonnen haben sind derzeit noch 29 in einem Ausbildungsverhältnis. In 2019 hat die Kreishandwerkerschaft Mettmann 58 neue Ausbildungsverträge eingetragen, davon sind noch 40 in Ausbildung. In 2020 wurden nur noch von 37 Jugendlichen ein Vertrag unterzeichnet, 34 davon befinden sich noch aktiv in Ausbildung.

v.l. Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Mettmann, Dipl.-Kfm. Torben Viehl, die beiden Auszubildenden Sabina und Natalia sowie der Friseurobermeister der Friseurinnung, Uwe Ranke/ Foto: TB

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