Mordsfrauen: Spotlight war Highlight

von Timo Kremerius

Die 'Mordsfrauen'. Foto: Timo Kremerius

Eine sehr persönliche verfasste ‚Theater-Kritik‘ von unserem Kulturreporter, der von der Qualität der Darbietung überrascht war.

Großes Theater am Sonntag im Joachim-Neander-Haus in Erkrath. Wie schon am Samstag, war die Vorstellung auch am Sonntag mit 140 Zuschauern ausverkauft. Und zu Recht. Es wurde großes Theater vom Feinsten geboten.

Was ist das Spotlight

Die Theatergruppe Spotlight wurde 1996 als Jugendgruppe gegründet. Sie ist Teil der evangelischen Kirchengemeinde Erkrath. In den vergangenen Jahren wurden über 30 Projekte realisiert. Jeder ab 18 Jahren kann mitmachen. Die Projekte beginnen meist mit einem Treffen nach den Sommerferien – die Proben sind in der Regel freitags ab 19 Uhr. Die Aufführungen finden im Frühjahr statt.

Jetzt wohne ich seit 40 Jahren in Erkrath, und war zum ersten Mal im Spotlight Theater. Ein Grund sich zu schämen. Bei der Ankunft am Joachim-Neander-Haus waren schon eine halbe Stunde vorher viele Zuschauer anwesend und warteten auf Einlass. Das sehr sympathische Personal organisierte diesen sehr professionell, wie auch das Catering. Dann warteten alle gespannt auf den Beginn des Stückes.

Fünf Damen (Häftlinge) sind bereits seit Stunden in einem Aufenthaltsraum eingeschlossen um dort Sonderdienste verrichten. Sie werden langsam unruhig, da sie eine Verschwörung vermuten. War der angebliche Wasserrohrbruch nur ein Vorwand? Die anderen Häftlinge benehmen sich auch seit Wochen so merkwürdig und die Schließer antworten weder auf verzweifeltes Rufen durch die Sprechanlage noch auf wütende Tritte gegen die Tür?

Die ‚Knastschwestern‘ spielen anfänglich noch vergnügliche Rollenspiele, bis die Stimmung im Laufe der Zeit kippt und immer aggressiver wird. Die Verunsicherung über den Grund ihrer stundenlangen Gefangenschaft im Aufenthaltsraum führt zu haltlosen Unterstellungen, gegenseitigen Verdächtigungen und gipfelt schließlich in einer beispiellosen Hetzjagd.

Margot, Fernande, Moni, Erika und Paula. Sie alle wurden wegen Mordes zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt.

Im Laufe des Stückes erzählen sie alle, wie sie wen umgebracht haben. Die fremdgehende Schwester mit dem Fön in der Wanne, den Ehemann zu Wurst in der Fleischerei verarbeitet oder den Pfarrer mit der heiligen Madonna erschlagen. Aber ganz zum Schluss war dann irgendwie doch alles anders, Nachdenkenswert, wie sehr eine Aussage völlig verschiedene Hintergründe haben kann.

Wer sind diese fünf Inhaftierten?

Margot (gespielt von Bianca Koschel) ist der Gruppenrüpel mit einer bewundernswerten Kodderschnautze. Die tyrannische Mar-Gott lässt keine Gelegenheit aus, um den anderen zu zeigen, wer im Knast das Sagen hat. Sie tyrannisiert alle und wird von ihnen Mar-Gott genannt. Eindrucksvoll ihre Interpretation des Begriffes Abschaum.

Moni (gespielt von Carmen Weng) ist eine ehemalige Sexpertin für Telefon-Sex und hat nicht nur eine spitze Zunge und einen Hang zu erotischer Herbstdeko. Vielleicht hat sie auch falsche Gerüchte gestreut, um ihre Mithäftlinge vom wahren Grund der Sippenhaft abzulenken.

Fernande (gespielt von Claudia Seibt) ist als Schwester Fernande neu in der JVA und hofft auf Freundschaft und Austausch zwischen den Insassinnen. Hinterher stellt sich heraus, das sie als Seelsorgerin geschickt wurde um sozialen Dienst zu erbringen.

Erika (gespielt von Daria Tigges) spricht nur in der dritten Person über sich selbst und scheint auch ansonsten etwas zurückgeblieben. Ist sie wirklich so harmlos oder spielt sie nur das naive Dummchen, weil sie den anderen etwas verheimlicht?

Paula (gespielt von Karola Fritzsch) ist der Putzteufel,der sehr auf Reinlichkeit bedacht ist und leidet in Stresssituationen unter zwanghaftem Juckreiz. Weiß sie am Ende etwas, was die anderen nicht wissen?

Unterstütz wurden die Inhaftierten von Michael Kastner, Regie – Lars Kreutner, Technik und Gina Drevers, Souffleuse und einem großartigen Drehbuch von Corina Rues-Benz.

In einem Gespräch mit den Damen betonten sie, dass sie die Rollen alle selbst ausgesucht haben. Eine gute Wahl. Um die Qualität des Stückes zu beschreiben, muss ich einen Satz meines Vorgesetzen in einer großen amerikanischen Firma zu Hilfe nehmen: „Um ein guter Verkäufer zu sein brauchst du den verkäuferischen Glanz in deinen Augen.“

Diesen Glanz hatten die Schauspielerinnen von der ersten Sekunde des Stückes an. Ich habe schon Stücke gesehen, da waren die Augen der Schauspieler dunkel. Da kam nichts, da war keiner zu Hause.

Die Häftlinge sind so in ihren Rollen aufgegangen, dass sie glaubhaft in den Zuschauerraum herüber trugen so zu sein, wie sie spielten. Einfach nur genial. Sie verschmolzen mit ihren Rollen. Wenn man bedenkt, dass dieser Trainingsaufwand für nur 2 Aufführungen geleistet wird, muss man sagen, einfach bewundernswert. Eindrucksvoll auch die Dialoge der fünf Schauspielerinnen, die das Publikum doch häufig zum Lachen animierten. Verdienterweise. Das Stück war zu keinem Zeitpunkt langweilig oder zäh. Es war in hohem Maße unterhaltsam und kurzweilig.

Die Inhaftierten in Aktion. Foto: Timo Kremerius

Die Auflösung des Stückes war wie im richtigen Leben. Ein Politiker, der der JVA ein Einsatzfahrzeug übergeben hatte, machte einen Rundgang durch die JVA. Um den Politiker nicht zu belasten, wurden die Mörderfrauen aus dem Blickfeld geschafft. Könnte ein Stück aus der Realität sein.

Die „Mörderfrauen“ wie als auch die Mitwirkenden hinter der Bühne bekamen am Schluss des Stückes einen  mörderisch donnernden Applaus. Es war einfach eine Freude den Sonntag so unterhaltsam zu beenden. Leider gingen nur 140 Zuschauer in das Joachim-Neander-Haus. Das Stück und Ihre Mitwirkenden hätten eine größere Bühne und mehr Zuschauer verdient gehabt. Allein wegen der Qualität. Hier kann man nicht mehr von einer Laienspielgruppe sprechen. Ich habe schon Profis gesehen, die noch nicht einmal an Laienspielqualität herankamen.

Ein großen Bravo und ich werde sicherlich die zukünftigen Veranstaltungen rechtzeitig buchen.

Applaus – gemeinsam mit dem Publikum. Foto: Timo Kremerius

Anmerkung des Autors: Bezüglich der Kritik wegen des Kulturangebots in Erkrath. „Einfach mal Augen aufmachen“

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*