Mein Jakobsweg

von Timo Kremerius

Beeindruckend war auch ein Besuch der Kathedrale inklusive Messe. Foto: Pilger mit Timos Kamera

Es gibt Dinge, von denen man träumt. Unser Kollege Timo Kremerius hat sich im letzten Jahr einen solchen ‚Traum‘ erfüllt und ist über den Jakobsweg gewandert. Seine Erlebnisse hat er für unsere Leser festgehalten.

Als mir mein Freund Sven im letzten Jahr von seinen sechs Wochen Jakobsweg erzählte und ich ihn bat mir ab und zu mal ein Foto zu schicken, ahnte ich noch nicht, was es bewirken sollte. Aus den Fotos, die er mir schicken sollte, wurden ca. 850 und in mir wuchs der Wunsch, das könnte ich ja auch mal machen. Gesagt getan und schon fing Sven mit der Planung an und nach nicht allzu langer Zeit hatte er alles in die Tat umgesetzt.

Zwei Wochen nach meinem 70. Geburtstag saßen wir im Flieger nach Porto. Nach der Ankunft und ein wenig Sightseeing, ging es mit dem Zug nach Barcelos (Barcelinhos) unserem Startort auf den Caminho Portuguêse. Besonders beeindruckend war der Bahnhof Sao Bento, ein Touristen-Bahnhof, der im Gegensatz zu manch einem deutschen Bahnhof in Schönheit strahlte.

Unsere Route: Der Caminho Portuguêse

Der Caminho Portuguêse führt von Porto in Portugal nach Santiago de Compostela in Spanien.
Karte: openstreemap.org

Ankunftstag: Barcelinhos, Top’Otel

War es schon ein Erlebnis in Porto zu landen und – wenn auch nur kurz – einige Eindrücke der Stadt zu erhaschen – so fielen wir nach einer dreiviertel Stunde Zugfahrt doch etwas müde ins Bett in unserem ersten Domizil, dem Top’Otel um uns für die erste Etappe zu stärken. Porto wäre es schon wert, dass man dort einen längeren Stadturlaub macht, nahm ich als Eindruck mit.

Tag 1

Die erste Etappe betrug 19 km und war anspruchsvoll 150 m hoch, aber ok, nach der Hälfte in Portela de Tamel waren die permanenten Steigungen geschafft und es ging dann 100 m runter. Den Rest des Weges konnte man genießen, denn er war relativ flach. Bei guter Stimmung erreichten wir die Herberge Casa Fernanda, die eine der Top 5 Herbergen aller Caminhos ist. Die Stimmung war fantastisch und sehr familiär. Eine Anmeldung 3-5 Tage vorher von Deutschland ist ausreichend. Zum Abendessen trafen sich alle Pilger in einem Gemeinschaftsraum, aßen miteinander und sangen anschließend Lieder aus ihrer Heimat.

Es ist schon ein Erlebnis in der Herberge in einem großen Saal mit ca. 20 Betten in einem großen Raum zu schlafen. Sogar in den Jugendherbergen in Deutschland ist die Bettenzahl in einem Raum kleiner. Hier spielte alles keine Rolle: männlich – weiblich, jung – alt, hier waren alle Pilger, die ein Ziel vor Augen hatten, den Weg nach Santiago de Compostela zu schaffen. Und das beflügelte und ließ den Komfort, den man von zu Hause gewohnt war, nicht vermissen. Es war auch alles gar nicht so wichtig.

Ein schöner Aspekt war auch, dass man auf dem Pilgerweg viele Menschen traf, die das gleiche Ziel hatten, völlig entspannt waren, bis auf das Leid, dass der ein oder andere mit den entstehenden Blutblasen an den Füssen mit sich trug. Sie gingen einfach nur nett miteinander um. Dieses wäre mal eine Maßnahme und ein Vorsatz fürs tägliche Leben. Sich mit Menschen zu umgeben, denen man guttut, die einem guttun und vor allen Dingen ein respektvoller Umgang miteinander.

Tag 2: Ponte de Lima

Die 14,5 km waren ein permanentes auf und ab am Anfang der Strecke, um dann den Rest flach zu bewältigen. Auf jeden Fall wussten wir als wir in der Casa de Travessa, ankamen, dass wir fleißig waren. Unerwarteterweise war noch ein Zweibettzimmer frei, welches wir nahmen und auch genossen. Man muss erwähnen, dass die Betten egal in welchem Etablissement, ob Herberge oder Zweibettzimmer, doch relativ günstig waren. In diesem Fall war es gar nicht die Frage für ein Zweibettzimmer € 20 mehr zu bezahlen.

Tag 3: Rubiäes

18 km betrug die Königsetappe der Pilgerreise nach Compostela, die ersten 10 km gingen leicht bergauf, ab Bandeira circa 2,5 km Strecke wurde es wirklich steil und in der zweiten Hälfte auch steinig bergauf, dann ging es 5 km zum Ziel. Kein Trost, wenn man sich brutal bergauf gequält hat. Denn auch bergab musste man Vorsicht walten lassen. Aber es ist machbar, wenn man es in Ruhe macht. Immerhin geht man den überwiegenden Teil im Schatten des Waldes.

Die Herberge Ninho war dann Ziel der Begierde. Ein Restaurant befand sich 200 m die Straße runter und das Pilgermenü hat sehr gut geschmeckt. Man saß wieder mit Pilgern, die man währen der Reise getroffen hatte am Tisch und unterhielt sich lebhaft, wobei es umso erstaunlicher war, dass Menschen unterschiedlicher Nationalität in der Lage waren, auch ohne die jeweilige Sprache zu beherrschen, friedvoll und angeregt miteinander zu kommunizieren.

Tag 4: Tui

Die 19 km lange Teiletappe begann mit einem kleinen Hügel am Anfang und war im weiteren Verlauf meist flach. Übernachtung im Jacob’s Hostel Tui. Die Hospitalera sprach deutsch, können wir nur empfehlen. Nach den doch teils strapaziösen Etappen fiel man abends schnell ins Bett und hatte einen fast traumlosen Schlaf.

Tag 5: O Porrino

Die 17 km waren meist flach. Man konnte schon fast von Erholung pur sprechen. Übernachtung hatten wir ein Doppelzimmer im Hostal Louro, einem alten, aber sauberen Hotel. Die Wiedergutmachung für die etwas sonderbaren Pensionsmitarbeiter war das gute, reichliche Frühstück für 3 €. Man kann die Eindrücke fast gar nicht in Worten fassen und sollte sie alle live erledigt haben.

Tag 6: Cesantes

Die 18 km lange Etappe war erst flach, dann folgten zwei Steigungen jeweils knapp 100 Höhenmeter hoch, aber im Großen und Ganzen problemlos. Irgendwann ging es wieder runter und war überwiegend flach. Zum Ende hin kamen noch zwei kleine Steigungen. Übernachtung in Maries Herberge, Top-Tipp, weil: man spricht deutsch, das Essen ist gut und günstig und kann in der Herberge bestellt werden. Vor allem kann man eine tolle günstige Massage bei der Reservierung mit bestellen, die nach den bisher gelaufenen Kilometern eine Wohltat war.

Nun begann für mich das Desaster. Leider habe ich mir eine sehr große Blutblase gelaufen und musste mir überlegen, wie es weiter ging, haha. Die folgenden Tage absolvierte ich mit Beachsandalen. Es war zu mindesten eine Wohltat, da nichts auf die Blutblase an der Hacke drückte.

Tag 7: Pontevedra

Der Streckenverlauf der 18 km war anfänglich sehr hügelig besonders die ersten 150 m ging es rauf und runter, teilweise steil. Da man aber am Anfang noch recht fit ist, ist der Rest des Weges, der dann doch flacher ist, eine Wohltat. Das Doppelzimmer im Casa Sara, war okay. Man hatte dann die Möglichkeit sich auf die nächste Tagesetappe vorzubereiten. Die Blutblase bereitete doch einige Probleme, war aber erträglich.

Markierung der Caminos nach und von Santiago de Compostela, Weg nach Santiago nach Norden, Weg nach Fatima nach Süden. Foto: Sven Schneider

Schuhe weisen den Weg: Die gelben Schuhe weisen den Weg nach Norden mit dem Ziel Santiago de Compostela (Jakobs-Pilgerweg), aber auch auf den gleichen Pfaden nach Süden mit dem Ziel Fatima (Pilgerweg nach Fatima) ist der Weg mit blauen Schuhen gekennzeichnet. Daher begegnen einem auf diesem Weg auch besonders viele Pilger, die in die „vermeintlich falsche Richtung“ gehen. Das ist auf den anderen Jakobswegen nicht so, das ist hier eine Besonderheit.

Tag 8: Caldas de Reis

Da ich mit der schmerzenden Blutblase am Fuß Probleme mit dem Laufen hatte, musste Sven die 21 km alleine in Angriff nehmen. Erst war die Strecke lange flach, dann stellte sich ein kleiner Hügel bösartigerweise in den Weg, um dann wieder flach auszuklingen.  Also wirklich machbar. Ab hier war Sven wieder alleine, da ich mit dem Bus nach Santiago gefahren bin. Ich hätte ja behaupten können, einfache Strecken sind nicht mein Ding, ich liebe die Herausforderung. Auf meinen Wunsch hin hatte Sven aber schon ein Doppelzimmer im Ajiomento Caldas de Reis gebucht. Nun der Vorteil trotz des Missgeschicks war, dass ich mich länger in Santiago umschauen konnte, während Sven die restlichen Etappen nicht nur allein bewältigen, sondern für diesen Bericht auch schildern musste.

Tag 9: Padron

Die 19 km gingen leicht bergauf und später bergab. Der Rest war flach. Sven hatte das für Timo gebuchte Einzelzimmer in der Pension La Hacienda. Ich musste mich notgedrungen mit einem 70 m² Apartment in Santiago herumschlagen. „Welch ein Elend.“ Mit den Schuhen, die ich auf dem Weg nach Santiago erstanden hatte, konnte ich zumindest die Stadt bedächtig inspizieren. Man muss wissen, dass die Stadt jeden Tag von ca. 3.000 Pilgern heimgesucht wird. Trotz des wunderschönen Apartments war an Schlaf nachts nicht zu denken, da in der Universität das Semester begonnen hat und ab 18.00 Uhr Massen an Studenten sich krakeelend und schreiend durch die Stadt wälzten. Ätzend.

Tag 10:  Santiago

Die 25 km wurden auch wieder mal von Sven allein bewältigt, da ich mich schon in Santiago befand und Sightseeing machte. Beim Zusammentreffen mit Sven, wechselte ich von meinem Apartment in die Pension Deniké, auch ein echter Tipp, sehr zentral etwas oberhalb der Kathedrale, gutes Frühstück, nettes Personal, Zimmer und Bad waren auch gut. Nur 140m entfernt war auch ein Wachsalon, Lavandaria da Troia in der Sven nach der langen Wanderung seine Sachen waschen konnte. Auch während unserer gemeinsamen Wanderzeit hatten wir hier und da die Möglichkeit zu waschen.

Meine drei Tage in Santiago gestalteten sich sehr abwechslungsreich. Wenn man sehr früh aufstand war es eine Wohltat. Die fast um sechs Uhr morgens menschenleere Stadt zu genießen. Um sieben Uhr ging es dann in mein Lieblings Café wo die ältere Betreiberin schon am zweiten Tag genau wusste, was mein Herz Begehrte. Einen Kaffee Continental, ganz wenig Milch, da au lait für mich gruselig ist, denn ich will Kaffee und keine braune Milch und zwei Brote mit Marmelade. Ich konnte Sven nach seiner Ankunft überzeugen, dieses Ritual mitzumachen. Ein genialer Start in den Tag, um Kraft für die zahlreichen Eindrücke zu haben.

Letzter Tag Abflug in die Heimat

Mein Jakobsweg in Bildern:

Hier noch einmal, für alle, die es auch einmal wagen möchten, der Caminho Portuguêse im Überblick:

  • Tag 0: Porto – Bercelos mit dem Zug. In Porto: Vom Flughafen mit der Metro E bis Trinidade (27 Minuten), dann mit der D bis Jardim do Moro (7 Minuten). Über die Brücke 750 m zur Kathedrale, noch 350 m zum Bahnhof San Bento. Noch 187 km übrig (App Camino Ninja)
  • Tag   1:            Vitorio dos Piäes       21 km
  • Tag   2:            Ponte de Lima                       12 km
  • Tag   3:            Rubiäes                                  18 km
  • Tag   4:            Valenca                                  17 km
  • Tag   5:            O Porrino                               19 km
  • Tag   6:            Cesantes                                18 km
  • Tag   7:            Pontevedra                            18 km
  • Tag   8:            Caldas de Reis                       21 km
  • Tag   9:            Padron                                   19 km
  • Tag 10:            Santiago                                 25 km  

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