Jugendliche leisten Sozialstunden im Naturschutzzentrum Bruchhausen

von Susann Krüll

Mit Freude bei der Arbeit im Naturschutzzentrum Bruchhausen. Foto: Nicole Marschall

Drei Tage lang packten sechs Jugendliche im Alter von 15 bis 18 Jahre Anfang dieser Woche im Naturschutzzentrum Bruchhausen an, die wegen verschiedener Straftaten zwischen 20 und 40 Sozialstunden abzuleisten hatten.

Betreut wurden sie dabei von ihren jeweiligen Bezugspersonen der Jugendhilfe im Strafverfahren aus Erkrath, Wülfrath und Heiligenhaus sowie der Honorarkraft Einar Sosna vom Verein „Neue Wege“. Diese packten genauso tatkräftig mit an wie die Jugendlichen, angeleitet und unterstützt von Karin Blomkamp, Leiterin des Naturschutzzentrums, sowie Detlev Garn, der als Naturschutzfachkraft dort ehrenamtlich tätig ist.

Sandarium für Erdbienen, Schnitt von Kopfweiden und Insekten-Nisthölzer

Am Montag um 9h startete der Arbeitstag für die sechs jungen Männer, die sich verschiedener Vergehen von Sachbeschädigung bis Körperverletzung schuldig gemacht hatten, mit dem Beschnitt der Bruchhauser Kopfweiden. „Hier haben die Jugendlichen in kleineren Teams zusammengearbeitet, eine gute Übung für das Sozialverhalten“, beurteilte Julia Path, Jugendhilfe im Strafverfahren der Stadt Erkrath, rückblickend auf den ersten Tag. „Sie mussten sich dabei aufeinander verlassen. Denn einer stand auf der Leiter, die der andere festhielt.“ Auch wenn Fahrradfahrer vorbei kamen, galt es, sich zu warnen. Ebenso, wenn die abgesägten Äste auf den Spazierweg fielen. Apropos Äste, diese wurden anschließend an die Schafe und deren Mitbewohner, Ziegenbock Karl-Heinz, verfüttert. „Es war wirklich berührend zu beobachten, wie die Jugendlichen in der Interaktion mit den Tieren plötzlich ihre Coolness verloren“, so Path, die seit einem Jahr bei der Stadt Erkrath die Stelle in der Jugendhilfe innehat.

Der zweite Tag stand dann ganz im Zeichen des Baues eines Sandariums, eines Nistorts für Erdbienen. Dieses hat eine so stattliche Ausdehnung, dass Karin Blomenkamp es voller Stolz als das größte im Kreis Mettmann bezeichnete: „Ich hätte nie erwartet, dass wir es an nur einem Tag fertigstellen.“ Immerhin hätten sie mit dem Radlader zwölf Schaufeln voll mit Sand aus der Sandgrube geholt. „Und wenn man jetzt schaut, ist der Haufen um mehr als zur Hälfte geschrumpft,“ stellte sie begeistert fest. Den Sand hatten die sechs jungen Männer mit Schubkarren vom Parkplatz in den so genannten Pädagogikgarten gefahren. Dort füllten sie ihn mit Schaufeln in die Umrandung ein. Diese hatten sie zuvor aus Holzblöcken und den Weidenzweigen, die sie am Tag vorher geschnitten hatten, errichtet. „Ich bin sicher, dass wir hier im nächsten Jahr jede Menge Erdbienen haben“, zeigte sich Detlev Garn begeistert über das Ergebnis wie darüber, dass zehn Menschen zusammen so etwas schaffen können. Er hatte den jungen Männern vorher über Erdbienen einiges erklärt, so dass neben der Arbeit auch die Umwelt-Aspekte nicht zu kurz kamen. „Anders als ihre größeren Verwandten, die Honig- oder Holzbienen, sind Erdbienen sehr klein. Daher haben sie nur einen Flugradius von 200-500m. Das passt aber genau mit der Entfernung zu den Brutplätzen in der Sandgrube, wo sie schon jetzt siedeln“, so Garn, der als Naturschutzfachkraft ehrenamtlich im Zentrum tätig ist. Damit die Erdbienen dann im nächsten Frühjahr und Sommer auch direkt Nahrung finden, hatten die Jugendlichen direkt neben dem Sandarium einen Streifen für eine Wildblumenwiese angelegt. „Wir haben erst Sand auf den Boden aufgebracht, dann die Samen eingestreut und mit einer weiteren Sandschicht abgedeckt,“  so Karin Blomkamp. Damit noch weitere Insekten Nistmöglichkeiten finden, gab es am ersten Tag noch eine weitere Aufgabe: „Mit der Bohrmaschine haben die Jugendlichen nach einer Einweisung, wie man richtig mit dem Werkzeug umgeht, Löcher in die Stämme gebohrt, die nächstes Jahr als Kinderstuben für den Insektennachwuchs dienen sollen“, zeigt sich Laura Path sehr angetan davon, wie abwechslungsreich sich die Arbeit für ihre Schützlinge gestaltete. „Da wir die Teams immer wieder neu zusammengestellt haben, konnten wir Betreuende mit allen Jugendlichen individuelle Gespräche führen. So konnten wir mit ihnen ihr Verhalten in der Vergangenheit reflektieren und ihnen neue Handlungswege aufzeigen“, fügte sie einen weiteren positiven Aspekt des dreitägigen Projekts hinzu.

Jugendliche Straftäter sind stolz auf ihr Werk

Julia Path hatte im Vorfeld mit den Jugendlichen Gespräche geführt und diese daher speziell für diese Maßnahme ausgewählt. Auch ihr Kollege André Duschke aus Wülfrath, der an einem Tag auch Alice Ilga dabei hatte, die im dritten Semester ein Duales Studium der Sozialen Arbeit in seiner Abteilung absolviert, und die Heiligenhauser Kollegin Melanie Rohde hatten ihre Schützlinge speziell für diese gemeinsame Maßnahme mit dem Verein Neue Wege ausgesucht. „Diese Art von Gruppenmaßnahmen finden immer in der Schulferien statt, außer in den Weihnachtsferien. Das kann dann auch mal eine Graffiti-Aktion im öffentlichen Raum sein oder eben dieser Arbeitseinsatz im Naturschutzzentrum. Hier sind wir jetzt zum zweiten Mal“, erzählte Elmar Sosna, der den Verein Neue Wege mitgegründet hatte und nun als Honorarkraft dort arbeitet. Sowohl Julia Path als auch Karin Blomkamp bewundern an ihm, wie er die Jugendlichen mit seiner Art abholt. „Er hat immer einen flotten Spruch auf den Lippen und sofort einen guten Draht zu den jungen Leuten“, so Karin Blomkamp, die wie Detlev Garn auch begeistert war, wie viel sie gemeinsam in den drei Tagen geschafft haben, wofür sie mit dem kleine Team von Ehrenamtlichen sonst eher Wochen benötigt hätten. Dass auch die straffällig gewordenen Jugendlichen stolz auf das waren, was sie in den drei Arbeitstagen geleistet hatten, äußerten alle der sechs Beteiligten bereits am Ende des ersten Tages. Einig waren sich auch alle Betreuer, dass Projekte wie dieses den Jugendlichen vermitteln, dass sie etwas Sinnvolles geleistet haben, während sie hier ihre Sozialstunden ableisten. „Und sie nehmen in so einem Umfeld auch leichter Kritik an, wenn man ihnen erklärt, wie sie etwas anders, sprich besser machen können“, fügte Path einen weiteren, wichtigen Lerneffekt hinzu.

Zur Jugendhilfe im Strafverfahren

Welche Aufgaben die Jugendhilfen im Strafverfahren leisten, erklärte Julia Path, die den Bereich in der Erkrather Verwaltung verantwortet, im Pressegespräch anlässlich dieses mit dem Verein Neue Wege umgesetzten Projekts. „Wir erhalten von der Staatsanwaltschaft die Akten zu den jeweiligen Verfahren gegen Jugendliche im Alter von 15 bis 19 Jahren. Diese laden wir dann zum Gespräch zu uns in die Verwaltung ein. Wenn sie minderjährig sind, gemeinsam mit ihren Erziehungsberechtigten oder ihren Betreuern, sollten sie in einer Wohngruppe wohnen. Wir sprechen zunächst über ihre Biografie und ihr Umfeld, ob und wo sie zur Schule gehen, oder wo sie ihre Ausbildung absolvieren. Natürlich bringen wir auch den Tatvorwurf gegen sie zur Sprache und lassen sie ihre Sicht auf die Ereignisse schildern, die zur Anklage geführt haben. Wir erstellen dann für das Gericht eine schriftliche Einschätzung und werden bei der Gerichtsverhandlung wie der Staatsanwalt und Polizei auch angehört. Entweder werden die Jugendlichen freigesprochen. Wenn sie zur Ableistung von Sozialstunden verurteilt werden, was bei Ersttätern zumeist der Fall ist, besprechen wir, wo sie diese in der festgelegten Frist von zwei bis vier Monaten ableisten können.“ Hintergrund solcher Maßnahmen, wie der im Naturschutzzentrum Bruchhausen durchgeführten, sei es, dass „die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Gesellschaft etwas zurückgeben, (sie) erfahren Anerkennung für ihre Arbeit und schulen gleichzeitig ihr Sozialverhalten. Wie ihre Kollegen aus Mettmann, Wülfrath, Hilden und Heiligenhaus, die ebenfalls mit dem Verein Neue Wege kooperieren, hat sie für dieses spezielle Projekt Jugendliche ausgewählt, die mit ihrem Strafmaß im unteren Bereich liegen und von der Persönlichkeit her geeignet sind. So habe einer der Jugendlichen, der bereits volljährig ist und eine Ausbildung macht, sich extra drei Tage Urlaub genommen, um speziell an diesem Projekt teilnehmen zu können.

Info zum Verein „Neue Wege e. V.“: www.verein-neue-wege.de

1 Kommentar

  1. Diese Arbeit kann ich als Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses nur ausdrücklich begrüßen und mich bei allen Beteiligten nur bedanken. Sehr interessant geschriebener Bericht.

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