Hoffnung, Chaos, Frust

Symbolbild Impfung: Whitesession, Pixabay

Seit zwei Tagen können über 80-Jährige Impftermine vereinbaren, wenn sie oder ihre Angehörigen die Online-Hindernisse und die Hotline überwinden …

Bereits am ersten Tag erreichten uns erste Rückmeldungen von Lesern, die an den Möglichkeiten Impftermine zu vereinbaren scheiterten. Gestern morgen ging es weiter. Wir haben bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein nachgehakt. Abhilfe ist jedoch nur bedingt in Sicht.

“Seit zwei Tagen versuche ich nun schon für unsere Ü80-Bewohner Impftermine zu vereinbaren. Ich bin total frustriert”, schilderte uns Gabi Gründker, Leiterin Betreutes Wohnen im Johanniter-Haus, ihre bisherigen Erfahrungen. Nachdem sie am ersten Tag endlich die Online-Plattform erreichte, bemerkte sie, dass ihre Emailadresse nur ein einziges Mal für eine Anmeldung akzeptiert wird. Da die Bewohner über keine eigene Emailadresse verfügen, kam sie nicht weiter. Sie erhielt die Meldung, dass sie sich für die Vereinbarung weiterer Termine an die Hotline wenden solle. Das hat sie versucht. Am Montag während des gesamten Arbeitstages und auch gestern. Ohne Erfolg. Schließlich hat sie es gestern Abend gegen 19.30 Uhr von zu Hause aus noch einmal probiert und kam endlich durch, aber nicht weiter: Die Mitarbeiter der Hotline hatten keinen Zugriff auf die Datenbank und damit war eine Terminvergabe nicht möglich. “Die SeniorInnen tun mir leid. Sie sind nervös und ich kann nicht wirklich helfen. Morgen muss ich schon wieder sagen, dass ich nichts erreichen konnte”, sagte uns Gabi Gründker gestern Abend traurig.

Kein Terminkontingent für Notfälle?

Nicht anders erging es Lehrerin Anja Riese, die Termine für ihre Eltern vereinbaren wollte. Beide sind 87 Jahre alt und haben Vorerkrankungen, die das Risiko steigern. “Ich hab mich gestern direkt morgens damit befasst einen Termin für die Beiden zu vereinbaren”, erzählt sie uns. In ihrem Fall herrscht eine besondere Dringlichkeit, da im Februar der Präsenzunterricht wieder startet. Dann kommt sie täglich mit bis zu 100 Schülern in Kontakt und muss sich nach der Arbeit noch um ihre Eltern kümmern. Angesichts der Mutationen, die inzwischen nicht nur in Großbritannien und Südafrika auftreten, würde Anja Riese ihre Eltern einem fast untragbaren Risiko aussetzen.

Aber auch Anja Riese scheiterte, als es ihr endlich gelang sich auf der Plattform zu registrieren. Eine Registrierung mit ihrer Email war nur ein einziges Mal möglich. “Darüber hinaus zeigte das System die ersten freien Termin erst für den Herbst an”, ist sie ärgerlich. Als sie nach zahlreichen Versuchen endlich zur Hotline vordrang, teilte man ihr mit, dass bis Ende März keine Termine mehr frei seien.

Während Gabi Gründker gestern schon über Facebook beim Kreis Mettmann nachfragte, was zu tun sei und erfuhr, dass die Terminvergabe ausschließlich über die Kassenärztliche Vereinigung auf diesem Wege möglich sei, fragte Anja Riese – genauso ergebnislos – direkt im Büro des Landrats nach. Sie bleibt ratlos zurück. “Es kann doch nicht sein, dass es kein Terminkontingent für solche Notfälle gibt”, ist sie entrüstet.

Nachfrage bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO)

Wir haben uns gestern mit den Fragen und Erfahrungen unserer Leser an die Kassenärztliche Vereinigung gewandt und erhielten zeitnah eine Antwort, die – zumindest für Gabi Gründker und ihre Bewohner und für Anja Riese – weitere Fragen offen lässt.

“Es sind heute wieder Termine eingestellt worden, es gab eine kleine Verzögerung, nachdem bis heute Morgen sämtliche verfügbaren Termine für die ersten drei Impfwochen im Februar gebucht waren. Das nächste jetzt buchbare Kontingent umfasst die ersten drei März-Wochen für die Erstimpfung”, schrieb er uns gestern um 18.15 Uhr. Anja Riese hatte man bereits gestern morgen mitgeteilt, dass bis Ende März keine Termine mehr frei seien.

Dennoch sieht die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtbilanz positiv. Bis gestern Mittag seien allein in Nordrhein bereits 236.000 Impftermine für die Erst- und Zweitimpfung an 118.000 Personen vergeben worden. Nimmt man die Erfahrungen von Gabi Gründker und Anja Riese, scheint die erfolgreiche Terminvereinbarung für die Glücklichen, denen es gelungen ist, wie ein kleiner Lotto-Gewinn.

Die Hinweise in Bezug auf das System der Online-Terminvergabe nehme man bei der KVNO ernst. Die Reduzierung auf eine Emailadresse für die Terminvergabe habe man aus Sicherheitsgründen gewählt, da sich dieser Prozess aber gerade als unpraktisch erweise, soll hier eine Änderungen erfolgen. Über die Hotline könne man schon jetzt für mehrere Personen Termine vereinbaren, heißt es in seiner Antwort, was aber – wie die Berichte von Gabi Gründker und Anja Riese zeigen – nicht jedem gelingt.

Seine Antwort zur Vergabe der Termine in Reihenfolge, dürfte für Anja Riese, die sich um ihren Eltern sorgt, niederschmetternd sein:

“Die Buchungen erfolgen strikt nach Reihenfolge, sonst gäbe tatsächlich Chaos. Es muss ja sichergestellt sein, dass beide Impfungen im vorgesehen Abstand stattfinden können, außerdem müssen die Terminkontingente aufgrund der begrenzten Impfstoffmengen komplett gefüllt werden – daher auch die Kontingente. Individuelle Priorisierungswünsche oder ‘Notfälle’ können wir nicht berücksichtigen, zumal die Priorisierung der zu Impfenden selber ja nicht unsere Entscheidung ist, sondern eine politische Vorgabe, der wir zu folgen haben.”

Kein Notfall-Kontingent für solche Fälle. Wie Anja Riese oder Angehörige in ähnlicher Lage in der kommenden Zeit und bei vermehrtem Auftreten der Mutationen Arbeit und Versorgung der Eltern vereinbaren sollen, bleibt offen. Solche Fälle sind offensichtlich bei der Entwicklung der Impfstrategie und der Terminvergabe seitens der Landesregierung nicht berücksichtigt worden.
Welche Erfahrungen haben Sie mit der Terminvergabe gemacht? Schildern Sie uns gerne Ihre Erlebnisse über die Kommentarfunktion oder schreiben Sie direkt an unsere Redaktion.

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