Hochwasserschutz schon vor 120 Jahren Thema

von Ria Garcia

Dr. Michael Wilfert während des Vortrags. Foto: Ria Garcia

Sorgfältig gezeichnete Karten aus dem Jahr 1902, fein beschriftet, machen deutlich, dass es vor mehr als 120 Jahren bereits Pläne für den Hochwasserschutz in Alt-Erkrath gab.

Am Freitagabend hielt Dr. Michael Wilfert, Biologielehrer im Ruhestand, einen Vortrag bei monatlichen Stammtisch des Bergischen Geschichtsvereins Erkrath. Aus einem Nachlass hatte ihm ein Erbe eine Sammelmappe mit dem Titel „Regulierung der Düssel bei Erkrath. Entwurf des Melorisationsamts I zu Düsseldorf vom 1. Dezember 1902“ geschenkt. Die Sammelmappe enthielt sechs einzelne Mappen mit Kartenmaterial und Schriftstücken. Der Ausschnitt einer Topografischen Karte von 1900 zeigt im Westen noch so eben Gerresheim und Vennhausen und umfasst Erkrath, Hochdahl, Bruchhausen und Trills, die damals noch getrennte Ortschaften waren. Ein aufklappbarer Lageplan (80x60cm) zeigt vor allem das alte gewundene Flussbett der Düssel und deren geplante Begradigung auf einer Strecke von 700 Metern auf dem heutigen Stadtgebiet von Alt-Erkrath etwa zwischen der Düsselstraße und der Einmündung des Hubbelrather Bachs. Eingezeichnet war auch ein geplanter Entwässerungsgraben parallel zur begradigten Düssel, der am Ende wieder in Düssel münden sollte.

Ein Höhenplan in einer der Mappen enthielt einen Längsschnitt durch die Düsssel, der die Wassertiefen anzeigte. Weitere Faltkarten enthielten Querprofile und geplante Bauwerke an verschiedenen Stellen entlang der geplanten Begradigung. Auf insgesamt 15 Querschnitten durch die Düssel wurde angegeben, wieviel Bodengrund zur Vertiefung abgetragen werden sollte und an welchen Stellen am Ufer Aufschüttzungen nötig gewesen wären. Genauso viele Querschnitte wurden für den geplanten Entwässerungsgraben erstellt, die Form, Höhe und Breite des Grabens und des Ufers angaben. Auch sollten fünf Brücken über die dann begradigte Düssel gebaut werden, die in Seitenansicht und im Schnitt dargestellt wurden. Bis in jede Einzelheit lagen die Pläne vor. Im Längsschnitt wurden das nötige Gefälle des Grabens, aber auch die Größen der Rohrdurchmesser an Brücken bezeichnet.

Die Sammelmappe mit den Plänen hatte Dr. Wilfert zum Vortrag mitgebracht. Foto: RG
Auf der Leinwand im Hintergrund ist in Teilen sichtbar, wie der alte und künftige Verlauf in der Planung eingezeichnet sind. Foto: RG
Der Übersichtsplan der damals geplanten Düsselbegradigung. Foto: RG

Der Grund für die Planungen wurde damals wie folgt angegeben:

Für die Düssel im Gebiet der Gemeinde Erkrath ist zur Zeit eine tiefgreifende Regulierung des Flussbettes nicht dringlich; sie würde auch nicht zweckmäßig sein, da der untere Lauf der Düssel noch nicht vollständig reguliert und zur Abführung der großen Hochwasser ausgebildet ist. Dagegen läßt es die zunehmende Bebauung in der Düsselniederung bei Erkrath erwünscht erscheinen, für die Düsselstrecke oberhalb der Morper Mühle in einer Ausdehnung von rd. 700 m eine Teilregulierung vorzunehmen, um das zur Bebauung in Aussicht genommene Gelände gegen Überflutung zu sichern. (…) Die Wasserverhältnisse bei der in Rede stehenden Gliederung stehen wesentlich unter dem Einfluß des Steines an der Morper Mühle. Durch diesen wird schon bei Mittelwasser der Wasserspiegel der Düssel so hoch gehalten, daß eine Entwässerung des Geländes, wie sie zur Bebauung oder ertragsreichen Bewirtschaftung erforderlich ist, nach der Düssel hin nicht stattfinden kann. Diese Verhältnisse waren bisher noch dadurch erschwert, daß die Mühle keine festen Stauwerke hatte. Letzterer Umstand wird indes in nächster Zeit durch Setzen von Stauwerken beseitigt. – Bei Hochwasser veranlaßt der Stau, daß die Ufer der Düssel überflutet werden und die angrenzende Niederung unter Wasser gesetzt wird. Bei sehr großem Hochwasser tritt dieser Uebelstand auch ohne Mühlenstau ein, da das jetzige Bett der Düssel zur Absicherung der größten Hochwasser nicht ausreicht. 

Im weiteren wird dann erklärt, wie die geplanten Maßnahmen den Hochwasserschutz sicherstellen sollen. Auch eine Alternative zur Regulierung des Düsselbetts wurde aufgezeigt. Die Überflutung der Niederung könne auch verhindert werden, wenn ein größerer Deich angelegt würde. Den müsse man dann10 cm höher anlegen, als im Hauptentwurf vorgesehen.

Die Alternative zur Düsselbegradigung. Ein Damm um die ‚Niederung‘ (grün eingezeichnet). Foto: RG

Kosten damals und heute

Vor gar nicht langer Zeit wurde dem Neubau der Brücke am Thieleshof für Fußgänger und Radfahrer von einer Mehrheit des Rats eine Absage erteilt, weil der 100 Tsd. Euro kosten sollte. In seinem Vortrag hat Dr. Wilfert es sich nicht nehmen lassen, auch aus dem Erläuterungsbericht zum damals geplanten Vorhaben zu zitieren, der auch einen Kostenvoranschlag enthielt. Die Gesamtkosten für die Begradigung wurden mit 9.200 Mark beziffert. Die Erd- und Bauarbeiten waren mit 7.390 Mark angegeben. Die Sohlenbefestigung schlug mit 413,90 Mark zu Buche. Die Bauwerke sollten 970 Mark kosten. 426,10 Mark waren fürunvorhergesehene Arbeiten, Ausbesserung der bestehenden Bauwerke sowie die Abrundung der Bausumme kalkuliert. Ähnlich, wie man heute mögliche Preissteigerungen einrechnet.

Neben der Kostenkalkulation waren noch detaillierte Massenberechnungen enthalten, die Angaben zur Menge der zu bewegenden Erde für die Begradigung und den Entwässerungsgraben enthielten. Auch die Fläche, die am Ufer mit Rasen begrünt werden müsste wurde berechnet (10.000 qm). In diesen Erläuterungen waren auch noch einmal die in der Kalkulation enthaltenen Kosten für den Entwässerungsgraben als Einzelsumme mit 1.800 Mark angegeben.

Der gesamte Entwurf wurde damals vom Meliorations-Baubeamten Gret, Regierungs- und Baurat, Düsseldorf, den 1. Dezember 1902 unterschrieben.

„Ungewohnt, aber durchaus nicht unüblich ist, dass in der Gesamtübersicht (Lageplan 1) die Richtungen von Nord und Süd bzw. Ost und West vertauscht sind, d.h. der Norden ist im Plan unten zu finden, der Süden oben. Die Exaktheit der Zeichnungen, Berechnungen und Beschreibungen der Pläne entspricht voll und ganz den Anforderungen, die man heutzutage an einen solchen Projektentwurf stellt. Nur würde man heute Berechnungen und Zeichnungen mit Hilfe des Computers machen, um so bewundernswerter die Genauigkeit und Sauberkeit der damals mit Hand gezeichneten und dann in Farbe gedruckten Pläne!“, äußerte sich Dr. Wilfert während des Vortrags. Nachdem er dieses historische Geschenk erhalten hatte, hat er recherchiert. Nicht in den Archiven und nicht beim Bergisch-Rheinischen Wasserverband (BRW) hat er so alte Pläne gefunden oder Hinweise auf die Planungen von damals gefunden.

Nie umgesetzte Planungen

Ein Protokoll der Erkrather Stadtratssitzung vom 27.6.1899 enthält den Vermerk, dass für die Düsselregulierung drei Herren in eine Kommission berufen wurden. Knapp vier Jahre später heißt es im Stadtratsprotokoll dann am 9.3.1903, dass die Kommission „sich nicht zur Düsselregulierung äußern könne; sie bitte die Regierung, die Sache erst wieder anzuzeigen, wenn die Ausschreibung des Projekts in Aussicht steht.“ In den Protokollen aus Folgejahren fand Wilfert keine weiteren Beratungen zu Veränderungen des Flussbetts der Düssel. „Auch in Archiven in Erkrath und Düsseldorf ließ sich kein Hinweis auf eine Verwirklichung des Planes finden. Dass das Material in Privathände kam und sich nicht bei staatlichen Stellen befindet, dürfte zusätzlich die Ansicht stärken, dass die Absicht, die Düssel an dieser Stelle zu begradigen, aufgegeben wurde“, so Wilfert.

Warum die Pläne in Erkrath nie umgesetzt wurden, darüber kann man nur mutmaßen. „Ein Wechsel in der politischen Verantwortung, sich ändernde Auffassungen zu großen Vorhaben, Finanzierungsprobleme, Widerstand von Bürgern oder Verwaltungsgerichtsurteile“, könnten, so Wilfert, Gründe gewesen sein. Interessant ist, dass in der Zeit von 1898 bis 1902 in Düsseldorf sowohl die Rheinufervorschiebung als auch die Umgestaltung des Stadtgrabens an der Königsallee umgesetzt wurden.

Michael Wilfert hatte bei seinen Recherchern herausgefunden, dass es auch im Jahr 1939 Planungen gab, die Düssel an mehrern Sellen zu begradigen. Einem Brief vom 29.6.39 des Erkrather Bürgermeisters an den Landrat, den Wilfert im Stadtarchiv Erkrath einsehen konnte, entnahm er zu den Plänen die Worte „den großzügigen Anschauungen der Jetztzeit entsprechend“. Er fand heraus, dass das Vorhaben wegen des Zweiten Weltkriegs immer wieder verschoben und 1942 schließlich ganz eingestellt wurde.

Spätere Maßnahmen

Zwischen den 1950er und 1970er Jahren gab es dann wegen der Ausbreitung der Wohngebiete, dem Straßenbau und Neubauten, wie etwa die Stadthalle, an einigen Stellen doch Eingriffe in den Lauf der Düssel. An einigen Stellen wurde sie in ein neues Flussbett verlegt. „Bald nach Kriegsende, ab 1948 bis 1954 wurde eine Düsselbegradigung im Bereich der Düsseldorfer Straße angegangen, wodurch fünf Knickstellen des Flusses beseitigt wurden“ führte Wilfert in seinem Vortrag aus. Das Vorhaben habe eine jahrelange Bearbeitung der Grundstückswerte für die von Eigentümern abzugebenden und im Gegenzug neuerhaltenen Flächen erfordert.

Wie aktuell das Thema Hochwasserschutz ist, hat der Juli 2021 gezeigt

Die „Tosende“ (Tussale) hat nichts von ihrer Kraft verloren und das Hochwasser 2021 hat den notwendigen Hochwasserschutz wieder in aller Munde gebracht. Viele, die betroffen waren, hoffen auf Maßnahmen, die künftig solche Ausmaße an Überschwemmungen verhindern. Ob die Pläne von damals wirksamen Schutz geboten hätten, wissen wir nicht. Was wir heute wissen, ist dass sich das Hochwasserrisiko für nachfolgende Gewässer / Anreiner durch schnell fließende Gewässer erhöht.

Dass man heute mit Hochwasserschutz ganz anders umgeht, führte Wilfert dann in seinem Fachthema Biologie noch ein wenig aus. Erklärte die EU-Gesetzgebung dazu, den Artenschutz, die Renaturierung und Retentionsflächen. Über mehr von letzteren (Retentionsflächen) kurz vor dem Stadtgebiet von Alt-Erkrath würden sich sicher viele Anwohner freuen, damit bei künftigem Starkregen das Düsselwasser „nicht so schnell fließt“ und sich in Straßen und Häuser ergießt. Das am letzten Freitag „historisch behandelte Thema Hochwasserschutz“ bleibt auf jeden Fall auch in Zukunft noch ein „brandheißes“ Thema.

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