Hilfe fürs Ahrtal – die zweite Tour

Norman Lingen (Rewe Stockhausen) hat die Spenden 'verdoppelt' und Lutz Kraft und Michael Esselborn von LuMi Event hat kostenlos einen Transporter zur Verfügung gestellt. V.l.n.r.: Marten Wirtz, Norman Lingen und Nina Wirtz. © nic

Marten Wirtz, seine Frau Nina und auch die Verfasserin haben sich angesteckt mit dem Virus. Nicht Covid-19, es ist der Ahrtal-Helfer-Virus und der ist hochansteckend – wenn frau/man einmal zum Helfen vor Ort war.

Nachdem Marten Witz vor ein paar Wochen Bautrockner, Reinigungsmittel und das eine oder ander Elektrokleingerät, das bei der Hochwasserhilfe Erkrath e. V. nicht mehr benötigt wurde, ins Verteilzentrum Ahrtal in Gelsdorf gebracht hatte, meldeten sich viele Erkratherinnen und Erkrather bei dem engagierten Gartenbauer und wollten wissen, ob er nicht noch einmal fahren würde und welche Art Spenden gebraucht würden. „Ich habe über PayPal Spendengelder angenommen und auch die eine oder andere Sachspende, wie haltbare Lebensmittel, Getränke oder auch eine Waschmaschine und einen Trockner, sind bei uns zuhause am Steinhof abgegeben worden“, so Wirtz, der in seiner Heimatstadt gut vernetzt ist. „Dann kam Norman Lingen, Filialleiter von REWE Stockhausen in Unterfeldhaus, auf mich zu und bot an, die Spenden bis zu einer Summe von 1.000 Euro zu verdoppeln.“

Vollgeladen Richtung
Ahrtal. © SK

Lebensmittel und Hygieneartikel im Wert von 1.600 Euro fürs Ahrtal

Vergangene Woche Freitag wurde an der Warenauslieferung am Neuenhausplatz der Transporter für die Tour am Sonntag beladen. „Wir haben 800 Euro private Spenden zusammenbekommen und somit haben wir für die doppelte Summe Säfte, Hygieneartikel wie einen Palette Küchenrollen, Wasch- und Reinigungsmittel und einiges mehr eingekauft, was laut Liste des Verteilzentrums dringend benötigt wird“, zeigten sich Marten und seine Frau Nina begeistert. Dank der guten Vernetzung des Ehepaars war auch der benötigte Transporter schnell gefunden. Den stellten Lutz Kraft und Michael Esselborn von LuMi Events kostenlos zur Verfügung.

Ein Tag im Verteilzentrum als ehrenamtliche Helfer

Angemeldet hatte Marten Wirtz die Ladung und auch seine Frau sowie zwei weitere Helferinnen, die Verfasserin und eine Bekannte im Verteilzentrum. Während der Transporter entladen wurde, nahm sich Sabine, die Leiterin des Verteilzentrums, uns ‘Neuen’ an und führte uns durch das Verteilzentrum. Sie zeigte uns die Bereiche, die für die ehrenamtlichen Helfer zum Sortieren und Lagern der Waren vorgesehen sind, sowie den wie ein großes Kaufhaus anmutenden Bereich, in dem alle Ahrtaler, die über einen Berechtigungsschein sowie den entsprechenden Impfschutz verfügen, einmal in der Woche ‘einkaufen’ kommen dürfen. Sie erhalten hier für sich und ihre Familienangehörigen Kleidung, Hygieneartikel, Waschmittel, Geschirr, aber auch Kinderspielzeug, Bücher und Getränke sowie haltbare Lebensmittel.

„Sie haben nach der Kontrolle von Ausweis, Berechtigung und Impfnachweis rund 25 Minuten Zeit, um durch die Regalreihen zu gehen und das zu nehmen, was sie benötigen“, erzählt die gelernte Touristikfachfrau, die schon auf Kreuzfahrtschiffen und in großen Hotels in Führungspositionen gearbeitet hat. „Aber der Job hier ist der beste, den ich je hatte“, sagt sie und man glaubt es ihr ohne Wenn und Aber „Das ist zwar ein 24/7 Job, aber ich bin hier am richtigen Platz.“ Auch den Container, in dem immer frischer Kaffee und Getränke bereitstehen für die Helfenden sowie mittags ein Caterer warmes Essen liefert, zeigt sie uns.

Sortieren und Regale zusammenbauen

Nina Wirtz outet sich, als sie die Mengen an Kuscheltieren und Spielen für Kids sieht, als Erzieherin und so ist es heute ihr Job, die Auslagen mit gespendeten Plüschtieren jeder Größe und Farbe aufzufüllen. „Da haben wir mehr als genug und brauchen keine weiteren Spenden. Diese stammen, wie die Kleidung und die Bett- und Tischwäsche noch auch, aus der zentralen Sammlung direkt nach der Flut auf dem Gelände des Nürburgrings. Die Sachen lagern in den Containern hinter dem Zelt und wir füllen nach Bedarf auf“, erklärt Sabine, bevor sie meine Begleiterin und mich in den Bereich ‘Nur für Mitarbeiter’ am anderen Ende des Zelts führt. Wir bekommen die Aufgabe, die auf einer Palette lagernden Kartons mit Haushaltsgegenständen auszupacken, zu sortieren und in die entsprechenden Regale zu räumen. Diese sind gut gefüllt, so dass Sabine uns die Anweisung gibt: „Alles, was angeschlagen ist oder was Ihr niemanden mehr geben würdet, wird aussortiert. Kochtöpfe und andere Gegenstände aus Metall sammeln wir und verkaufen sie dann an Schrotthändler. Wenn ihr einzelne Tassen, Untertassen und Becher habt, bitte in eine Extra-Kiste sortieren. Die geben wir an eine international tätige Hilfsorganisation weiter, die weltweit in Katastrophengebiete Hilfsgüter liefert. Morgen wird diese Palette abgeholt, stellt die Kartons dort dazu. Wenn Ihr Fragen habt, einfach Bescheid sagen“, spricht sie und ist auf dem Weg in das zweite Zelt, dem so genannten Handwerkerzelt. Hier lagern von Mitgliedern der Handwerkskammern aus Rheinland-Pfalz gespendete Werkzeuge und Maschinen für den Wiederaufbau. Auch größere Lieferungen von Einrichtungsgegenständen, wie eine gerade gelieferte größere Anzahl Waschmaschinen, werden hier bis zur Ausgabe an diejenigen, die eine benötigen, gelagert. Sabine steuert eine Palette voller Kartons mit kleinen Regalen, die ein großes schwedisches Möbelhaus gespendet hat, an. „Das sind verschiedene Modelle. Deine Aufgabe, Marten, ist es, von jedem ein Ansichtsexemplar zusammenzubauen, damit die Leute wissen, wie sie aussehen und sich dann aussuchen können, welches sie haben sie haben möchten“, mit dem Hinweis, dass es sechs oder sieben verschiedenen Modelle sind, eilt Sabine zur nächsten organisatorischen Aufgabe weiter.

Erfahrungsaustausch beim Mittagessen

Kurz vor 12 Uhr geht ein Ehrenamtler durch die Halle und ruft die rund 25 Mitstreitern, die an diesem Sonntag zum Helfen gekommen sind, zum Mitttagessen in den Verpflegungscontainer. Da das Wetter gut ist, sitzen einige an den Biergarnituren draußen und genießen die Sonnenstrahlen zum leckeren Essen. Marten und sein Mitstreiter haben drei von sechs Modellen fertig. „Zum Glück haben wir einen Akkuschrauber mit vielen verschieden Bits“, so sein Kommentar auf die Frage, wie es ihm bisher ergangen ist. Meine Begleiterin und ich äußern unser Unverständnis über den Zustand einiger gespendeter Gegenstände. „Ich habe das Gefühl, einige nutzen das als kostenlose Entsorgungsmöglichkeit“, so der Kommentar meiner Begleiterin. „Ich würde mich schämen, so etwas zu spenden“, lautet ihr Urteil. Und ich muss ihr zustimmen. Einige Töpfe, Pfannen oder auch Kaffeemaschinen wandern direkt in die ‘Entsorgungskiste’. Auch wundern wir uns beide, was man z. B. mit fünf verschiedenen Unterteller-Modellen anfangen soll, zu denen keine einzige passende Tasse vorhanden ist. Oder  Glasschälchen, die alle mindestens einen Katschen haben. Aber das eine oder andere wirklich tolle Teil, wie ein vollständiges, wie neu aussehendes Service mit 12 flachen und ebenso vielen Suppentellern oder ein komplett unbenutzter Kaffee-Vollautomat finden sich in den Kisten. Nina Wirtz ist inzwischen fertig mit der Kuscheltier-Sortierung und hilft jetzt, die gut gefüllten Kleiderstangen durchzusehen. „Da hängt das eine oder andere, das ich auf keinen Fall weitergeben würde“, bestätigt auch sie unsere beim Geschirr-Sortieren gemachte Erfahrung. „Zunächst ist wohl einfach alles aufgehängt worden, was so einigermaßen okay war. Nun ist Zeit, die Dinge nach Qualität durchzuschauen, hat mir die Dame erzählt, mit der ich das mache“, so Nina. Nach einem Kaffee machen wir uns wieder an die Arbeit.

Marten und Nina Wirtz machen Pause , links der Versorgungscontainer für die Helfenden.
© SK

Um 13 Uhr öffnet das Verteilerzentrum für die Ahrtaler. „Sonntags kommen auch schon mal ganze Familien. Das ist wie ein Ausflug. Da lassen wir dann entsprechend weniger Personen auf einmal in die Halle“, hatte Sabine uns vorher erklärt. Denn die Corona-Maßnahmen werden strengstens beachtet. Alle Helfenden und auch Kunden tragen durchgehend eine Maske. Wie bei allen Ehrenamtlichen, wurden auch wir, bevor wir die Halle betreten durften, geprüft, ob wir mindestens doppelt geimpft sind.

Fahrt durch das Tal

Nach ein paar Stunden Sortieren verließen meine Begleiterin und ich müde, aber mit einem sehr guten Gefühl, etwas Sinnvolles getan zu haben, das Verteilzentrum, um ‘ins Tal zufahren’, wie die Helfer hier sagen.

Meine Begleiterin war noch nicht dort gewesen, nach der verheerenden Juli-Nacht. Sie kannte Ahrweiler und die anderen, ehemals pittoresken Orte von verschiedenen Ausflügen und zwei Kurzurlauben. Entsprechend groß war das Entsetzen ob der überall, immer noch allgegenwärtigen Zerstörung von Häusern, Straßen und Brücken. „Unfassbar, welche unglaubliche Wucht und Zerstörungskraft die Ahr gehabt haben muss“, so ihr ungläubiger Kommentar.

Nachdem ich vor ein paar Wochen schon einmal dort war, fielen mir die Veränderungen auf, die sich in der Zwischenzeit getan haben. Überall türmen sich Berge kontaminierten Bodens, der abgetragen wurde und nun auf den Abtransport wartet. Ab und zu sieht man in den Orten schon ein wieder instandgesetztes Haus, wenige, die umso mehr auffallen, stehen sie doch zumeist direkt neben solchen, bei denen der Putz komplett abgeschlagen ist, und Fenster du Türen fehlen.

Es gibt noch so viel zu tun

Ab dem 1. März starte offiziell der ‘Helfer-Shuttle’ seine Arbeit nach der Winterpause. Dann werden von dem zentralen Einsatz-Treffpunkt in Grafschaft (neben Haribo) die Helfer an ihre Einsatzorte in die Orte im Ahrtal gebracht.

Wer aus Erkrath oder der Umgebung, dabei helfen möchte, nach und nach die Folgen des Hochwassers zu beseitigen, kann eine E-Mail an Marten Wirtz schreiben, um sich in die von ihm eingerichtete WhatsApp-Gruppe aufnehmen zu lassen. Dort informiert er über alle geplanten Aktivitäten, an denen er teilnehmen wird. Dann können sich Interessenten in Fahrgemeinschaften zusammentun.

Ausblick

Die Haaner Felsenquelle hat sich an Marten Wirtz gewandet und zahlreiche Paletten mit Mineralwasser als Spende zugesagt. Auch der Transport ist bereits gesichert. Die in Hochdahl ansässige Firma TimoCom stellt einen LKW samt Fahrer und wird die Getränke am 6. März in das Verteiler-Zentrum bringen.

Marten Wirtz sammelt auch weiterhin Geld- und Sachspenden. Wer spenden möchte, überweist entweder per PayPal an martenwi@aol.com oder schaut unter www.verteilzentrumahrtal.de  auf der dort geführten Liste, welche Artikel aktuell benötigt werden. Kontakt zu Marten Wirtz, der diese sammelt und  wieder nach Gelsdorf bringen wird, wenn eine entsprechende Menge zusammengekommen ist, per Mail: martenwi@aol.com.   

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