Herzenswunsch: ein Ausflug mit Pferdekontakt

von Nicole Marschall

Melanie Czerwinski (2. v.l. Hier mit Emmanuel, Chahinda und Israa) organisierte als Coach den Besuch bei den Seniorpferden. Foto: Nicole Marschall

Dass die Pferde des Vereins Seniorpferde aktiv mit Kindern e.V. nicht nur Kinder glücklich machen, haben die Tiere bei einem Besuch einer Gruppe junger Erwachsener mit Fluchtgeschichte eindrücklich bewiesen.

„This is my family now. (Das ist jetzt meine Familie.)“, mit diesen Worten und über das ganze Gesicht strahlend ging Omid (27) schnurstracks auf das ehemalige portugiesische Arbeitspony Monty zu – und hätte es am liebsten gar nicht mehr aus den Augen gelassen. Die Beiden schienen sich gesucht und gefunden zu haben: Der an leichter Arthrose erkrankte Monty ist ein Jahr älter als Omid und grast meist etwas abseits von der restlichen Herde. Ähnlich wie das Pony ist auch Omid eher ein Einzelgänger seit er allein zu Fuß vom Iran aus nach Deutschland kam. Vieles hat er auf diesem Weg gesehen und erlebt, das nur schwer zu verarbeiten ist. Noch auf dem Weg nach Gut Rodeberg war er schlecht gelaunt und verschlossen. Das änderte sich auf dem Unterbacher Ponyhof schlagartig.

„Es ist toll zu sehen, wie die jungen Leute im Kontakt mit den Tieren auf einmal aufblühen“, sagt Melanie Czerwinski, Sozial-Coach und Projektentwicklerin bei Renatec, berührt und dankbar, dass sie gemeinsam mit dem Verein Seniorpferde aktiv mit Kindern e.V. zehn jungen Menschen mit Fluchtgeschichte diese wunderbare Erfahrung ermöglichen konnte. Dank einer Förderung der Deutschen Postcode-Lotterie kann der Verein dieses Jahr soziale Projekte für Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung durchführen. „Ohne diese Förderung wäre eine solche Aktion für die meisten unserer Schülerinnen und Schüler nicht möglich gewesen“, so Melanie Czerwinski.

Omid schloss insbesondere Pony Monty in sein Herz, Coach Melanie Czerwinski verliebte sich in Haflinger Piet (Foto). Foto: Nicole Marschall
Chahinda und Israa hatten bereits im Libanon regelmäßig Pferdekontakt und genossen die Zeit auf Gut Rodeberg (hier mit Pony Empire) sichtlich. Foto: Nicole Marschall

Die jungen Frauen und Männer, mit denen sie Gut Rodeberg besuchte, stammen aus Afghanistan, Ghana, Guinea, Syrien, dem Libanon, Iran und Irak und machen im Rahmen des Projekts „Chance 18+“ beim Düsseldorfer Bildungsträger Renatec ihren Hauptschulabschluss nach Klasse 9. Neben Deutsch und den üblichen Schulfächern stehen praktische Tätigkeiten in Projektarbeitsbereichen, Gruppen- und Jobcoaching sowie gelegentlich gemeinsame Ausflüge auf dem Stundenplan. Für letzteres hatte sich die Gruppe bewusst eine Exkursion mit Tieren und ganz speziell mit Pferden gewünscht. Denn einige hatten bereits in ihren Heimatländern Pferdekontakt: Israa (21) und Chahinda (19) beispielsweise vermissen den Reithof ihres Bruders im Libanon und Faisal (19) ist in Afghanistan gelegentlich Pferderennen geritten. Für Dalal (23) und die meisten anderen war der Kontakt zu den Pferden hingegen eine ganz neue Erfahrung. Im Gegensatz zu Omid war Dalal allerdings nicht von Anfang an so begeistert. Die junge Frau wusste zuerst gar nicht, ob sie den Ausflug überhaupt mitmachen sollte, da sie eigentlich Angst vor großen Tieren hat. Beim Putzen und Führen von Haflinger Piet gewann sie dann aber nach und nach Vertrauen und Spaß an der Sache.

„Auf der Rückfahrt waren alle total happy“, fasst Melanie Czerwinski für ihre Gruppe zusammen: „Ausflüge und gemeinsame Aktionen wie beispielsweise auch Kochen oder Werken sind wichtig, um das Gemeinschaftsgefühl zu stärken, Fluchterfahrung und Familiengeschichten zu thematisieren und auch, um außerhalb des Unterrichts zu sehen, welche individuellen Neigungen und Begabungen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben.“ Emmanuel (23) aus Ghana zum Beispiel hat schon in seiner Heimat in der Bauplanung gearbeitet und will auch in Deutschland wieder in seinen Beruf. Faisal möchte nach dem Hauptabschluss weiter lernen und einen höheren Schulabschluss machen, um in die Fußstapfen seiner Eltern, die beide Ärzte sind, zu treten. Omid würde gerne Erzieher werden und in einem Kindergarten arbeiten. Da ihm die Arbeit mit Kindern und Tieren Spaß macht, kann er sich gut vorstellen, dem Verein Seniorpferde aktiv mit Kindern e.V. künftig ehrenamtlich bei Kinderaktionen zu helfen. Ganz uneigennützig ist das sicher nicht, denn als Ehrenamtler kann er seinem neuen Kumpel Monty öfters ganz nah sein.

Hauptschulabschluss für Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung
Im Rahmen des Projekts „Chance 18+“ können junge Menschen mit Flucht- bzw. Migrationsgeschichte im Alter von 18 bis 30 Jahren bei Renatec innerhalb eines Jahres ihren Hauptschulabschluss nach Klasse 9 machen. Der Kurs startet in jedem Jahr nach den Sommerferien.  Für den aktuellen Bildungsgang werden noch bis zu den Herbstferien nachträgliche Anmeldungen entgegen genommen. Weitere Infos und Anmeldung: 0221 / 220-9089 oder czerwinski@renatec.de 

Hilfe für die Seniorpferde
Wer den Verein „Seniorpferde aktiv mit Kindern e.V.“ unterstützen möchte, kann dies durch Spenden, eine Pferdepatenschaft oder auch durch aktive Hilfe auf dem Hof tun. Außerdem ist das Team für Hinweise auf bzw. Angebote für Grundstücke zur Unterbringung der zwölf Pferde dankbar. Weitere Infos: www.seniorpferde-kinder.de

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