Hagen Rether: In Liebe der Gesellschaft den Spiegel vorgehalten

von Timo Kremerius

Hagen Rether. Foto: Timo Kremerius

Liebe ist bei Hagen Rether Programm. Mit Liebe und Wortakrobatik hat er am vergangenen Freitag auch in der Stadthalle Erkrath wieder mit unbequemen Themen wachgerüttelt.

Ein Highlight des feinfühligen Kabaretts war am Freitag in der Stadthalle Erkrath. Hagen Rether. Es ist immer wieder eine Freude den Wortakrobat und Wachrüttler zu erleben. Der letzte Auftritt von Hagen Rether in Erkrath war im April 2018, also schon eine Ewigkeit her. Seine, abhängig vom Zeitgeschehen, variierenden Inhalte des Programms sind wie immer aufrührend, sehr häufig komisch, aber immer schmerzhaft, weil er den Zuschauern stellvertretend für die Bevölkerung den Spiegel vorhält. Auf jeden Fall entsteht eine Unzufriedenheit beim Publikum, weil er Missstände aufdeckt, aber auch mit einfachen Erklärungen versucht diese zu lösen. Hagen Rether setzt sich unermüdlich gegen Doppelmoral und für Mitgefühl und Aufklärung ein und fordert von den Zuschauern mitzudenken und auch -handeln ein.

Das Programm von Hagen Rether, das seit Jahren zelebriert wird, trägt den Titel “LIEBE” und folgt einem festen Muster. Es verknüpft aktuelle Themen mit der Geschichte, um diese nicht zu vergessen zu lassen und das aktuelle Geschehen ernst zu nehmen. Rether zieht außerdem Vergleiche, um beim Publikum ein Umdenken zu bewirken. Beim Thema „vegan“, Hagen ist laut eigener Aussage seit 13 Jahren Veganer, ist es leicht möglich, da es Tatsache ist, dass die Rindviecher unsere Welt ‘zu furzen’ und zur Produktion von einem Kilo Rindfleisch 10.000 Liter Wasser benötigt werde, welches wir irgendwann, in nicht allzu weiter Zeit, nicht mehr ausreichend haben werden. Es muss ja nicht direkt vegan sein, vegetarisch ist ja schon einmal ein positiver Anfang. Weiter folgerte er, dass wir dann ca. 60.000 arbeitslose Schlachter haben werden, ungefähr die Anzahl Arbeitslosen, die bei der Altenpflege fehlen.

Ein wichtiges Thema beim politischen Kabarett ist die Glaubensfrage mit ihren zentralen Ansätzen und der darin vorhandenen Gewalt. Dieses Thema wurde intensiv und mit einer erschreckenden Wahrheit dargestellt. Manchmal sind die Themen unbequem, aber wenn der Künstler dem Publikum die Wahrheit aufzeigte, wurde es still im Saal.

Es hat beim Publikum des politischen Kabaretts ein deutliches Umdenken stattgefunden. Klopften sich die Zuschauer vor einigen Jahren laut brüllend vor Freude auf die Schenkel, wenn ein Kabarettist ihnen die Vollpfosten unter den Politikern vor Augen führte, so herrscht heute überwiegend doch eher betretenes Schweigen, wenn gleiches stattfindet, weil die Beispiele einfach nur peinlich sind. Sicherlich gibt es auch Szenenapplaus und es wird gelacht, aber nicht mehr in dieser Intensität. Man hört konzentriert zu, was der Weltbeobachter Hagen Rether uns zu erzählen hat.

Zwischendurch, man muss wissen, dass ein Hagen Rether Programm auch gerne mal vier Stunden dauern kann, bekommt ein Zuschauer auf die Frage von Hagen “Wer hat Hunger” eine Banane und er selbst gönnt sich auch eine. Die Banane hält ihn auch nicht davon ab weiter zu philosophieren. Ein absolut entspannter Hagen Rether macht locker weiter. Leider war er am Freitag sehr erkältet, doch er ist Vollblutprofi und hätte bis auf zehn Minuten fast Mitternacht erreicht. Hierzu fällt eine Bemerkung ein, als Hagen sagte: „Wir haben nicht zehn Minuten vor zwölf, wir haben auch nicht eine Minute vor zwölf, es ist halb eins.

Ein wichtiger Punkt war auch sein Aufruf, dass wir uns von unserer vielfach instrumentalisierten Angst und Wut befreien sollen. Es ist unmöglich ein fast vier Stunden Programm von Hagen Rether journalistisch in einem Bericht lückenlos darzustellen. Man muss ihn einfach gesehen haben, um sich einen Gesamteindruck zu verschaffen. Allein seine Beschreibung über das Verhältnis von ihm zu Katzen oder warum man in der heutigen Zeit Kinder in die Welt setzen soll, muss man von Ihm direkt hören. Seine Empörung, dass es in der heutigen Zeit überhaupt notwendig sein muss, Frauenhäuser zu haben, ließ das Publikum zustimmen.

Zu seinen musikalischen Qualitäten sagte Hagen Rether: Ich habe in Essen mal Musik studiert. Merkt man nix mehr von! Seine – gefühlt – wichtigsten Sätze, zwischendurch eingeworfen, waren: “Menschen mit wenig Geld sind nicht sozial schwach; sie sind wirtschaftlich schwach. Oft sind eher die wirtschaftlich Starken die sozial Schwachen. […] Da hatte der zynische Zwerg Bin Laden aber Bauklötze gestaunt, was die Lehman Brothers in drei Tagen zerstören können. […] Du musst doch gar nichts machen als Veganer. Weder musst du in eine Sekte eintreten, noch musst du auf ein Buch schwören oder Mitgliedsbeitrag zahlen oder bei Vollmond den Wimpel raushängen. Du musst einfach nur die Viecher in Ruhe lassen! Sonst nix! […] Es gibt junge, linke Globalisierungsgegner, die aber nur Nike-Schuhe tragen. Was machst du mit so Leuten? Die finden sich ganz toll… und haben so Kinderarbeitsschlappen an. […] Der Dalai Lama fliegt durch die Welt und predigt Einklang mit dem Kosmos. Der Mann hat eine CO2-Bilanz wie ein Kohlekraftwerk. […] Die Massentierhaltung und das Tragen von Waffen sind mit der Zukunft der Zivilisation nicht mehr vereinbar. Aber die Leute halten sich an ihrem Schnitzel fest wie der Ertrinkende am Senkblei.”

Auf jeden Fall war der Kabarettabend mit Hagen Rether wieder mal ein Sahnestückchen, das uns das Kulturamt beschert hat und die gut besuchte Stadthalle mit ca. 500 Zuschauern tat ihr Übriges. Zufriedene Zuschauer, die vor dem Programm und in der Pause vom neuen Pächter der Stadthalle LumiEvent und der engagierten Crew liebevoll versorgt wurden. Die neue, einladende Gestaltung des Foyers lud zum Verweilen ein und jeder kam auf seine Kosten.

Kulturpause im Foyer der Stadthalle
Da „Hagen Rether – Liebe“ mit fast 500 Zuschauern über dem Limit von 400 Zuschauern lag, konnte leider keine Kulturpause stattfinden.

Am 06. Dezember 2023 erwartet die Erkrather Stadthalle das Schauspiel „Heilig Abend“ von Daniel Kehlmann mit Jacqueline Macaulay und Wanja Mues. Die Abteilung Kultur der Stadt verschickt die Karten auch kostenfrei nach Hause. Telefon 0211 240740 09.

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