
Das Franziskus-Hospiz feiert 30. Geburtstag. Mit drei ambulanten Diensten, der stationären und teilstationären Pflege ist es inzwischen das größte Hospiz-Zentrum in NRW und das zeigt seit dieser Woche Flagge für Vielfalt und Menschlichkeit.
Mit der Frage „Wofür steht diese Gemeinschaft?“ haben sich Mitarbeiter und Ehrenamtler des Hospiz im letzten Jahr beschäftigt. Sie alle begleiten Menschen mit lebensverkürzenden Erkrankungen auf ihrem letzten Stück Weg durchs Leben, unabhängig davon ob sie arm oder reich sind, welches Geschlecht oder welchen Glauben sie haben. „Egal welcher couleur“, vervollständigt Hospizleiterin Silke Kirchmann die Aufzählung. Manchmal ist das eine Gradwanderung und manchmal erleben die, die eigentlich helfen wollen, ausgerechnet von den Menschen, denen sie helfen wollen, Diskriminierung. Wie gehen sie dann damit um? „Wir müssen unsere Mitarbeiter schützen“, erklärt Silke Kirchmann. Auch das macht die Gemeinschaft aus, dass Mitarbeiter, aber auch Ehrenamtler mit der möglichen Erfahrung der Diskriminierung, vielleicht sogar des verbalen Angriffs, nicht allein gelassen werden.
Gemeinsam für Vielfalt und Offenheit
Viele mögen sich fragen, ob Diskriminierung im Hospizalltag überhaupt vorkommt, aber im Gespräch mit Mitarbeitern und Leitung finden sich schnell viele Beispiele. Angefangen bei Kompetenz abwertenden und diskriminierenden Aussagen wie ‚Ach, Mädchen‘ oder ‚Ach, Jungchen‘ hin zu rassistischen wie ‚Der Afrikaner ist ja doch recht intelligent‘ oder ‚Ich möchte keine ausländische Pflegekraft‘ bis hin zu homophoben Äußerungen, wie ‚Du bist doch nicht etwa schwul?‘ begegnet den Mitarbeitern und Ehrenamtlern so ziemlich alles. Die Gemeinschaft muss auch auf der Begleitung auf dem letzten Weg der Einzelnen einiges aushalten. Für sie, die Gemeinschaft, wurde am Dienstag die Regenbogenflagge gehisst, die nun für Vielfalt und Respekt weht.
Als man sich im Hospiz im letzten Jahr anlässlich des anstehenden Geburtags gefragt hat, wofür man steht und wie man sich in der Gesellschaft positionieren möchte, waren die Mitarbeiter sofort mit dabei. Silke Kirchmanns Stellvertreter Sebastian Pietschek und Christina Herzig sprachen mit ihren Teams, die sofort sagten: „Da machen wir mit.“ Auch eine Patientin, der das Engagement der Mitarbeitenden nicht verborgen blieb, sagte sofort: „Da will ich mitmachen.“ Christina Herzig sagte uns am Dienstag, dass sie für das Thema brenne. „Wir positionieren uns damit auch gegen gewisse rechte Strömungen und das finde ich mega gut.“ Mit dabei sind aber nicht nur die Mitarbeiter der stationären Pflege und des Tageshospiz, auch die ambulanten Dienste machen mit. „Das ist eine große Nummer, dass wir das jetzt tun“, so Silke Kirchmann.
Hilfe holte man sich auf dem Weg beim Kreis. Vanessa Becker und Jessie Paczulla vom Kreis Integrationszentrum haben die Gemeinschaft des Hospizzentrums fachlich begleitet. Die beiden arbeiten in den Bereichen Diversitätsorientierung, Migrationspädagogik, Rassismuskritik und Demokratiestärkung. Demokratiestärkung. Dass am Dienstag Vertreter aller Abteilungen des Hospiz die Flaggen hießen konnten, ist zu einem großen Teil dem Kreis zu verdanken, der finanziell unterstützte. „Der Kreis zeigt damit, dass er für die Vielfalt steht“, sagt Silke Kirchmann. „Wir sind auch weiterhin vor Ort und begleiten fachlich“, kündigte Jessie Paczulla an.
„Bemerkenswert, dass wir das überhaupt tun müssen.“
Auch der Hospizverein ist mit an Bord. Vorsitzender Wolfgang Soldin betonte, dass man ja schon lange unterwegs sei. Zur Positionierung des Franziskus-Hospiz-Zentrum äußerte er: „Ich finde bemerkenswert, dass wir das überhaupt tun müssen. Uns zu positionieren.“ Er findet es gut mit der Flagge sichtbar zu machen, wofür das Hospiz steht. Als der ehemalige Kreissparkassen-Filialleiter in den Ruhestand ging, hat er sich sehr bewusst für dieses Ehrenamt entschieden. „Die Geschichten hier berühren mich. Wir nehmen die Leute so mit, wie es nötig ist“, erklärt er. „Ich gehe oft bereichert wieder weg und dann weiß ich, wofür ich hier arbeite.“ Besonders die Tatsache, dass der Platz im Hospiz nach Prioritäten vergeben wird, die sich rein an der menschlichen Situation orientieren, bestärkt ihn in seinem Ehrenamt. „Das ist dann auch einmal ein schwerst erkrankter Obdachloser.“
Argumentationstraining gegen Stammtischparolen – Parolen Paroli
Mit dem Hissen der Flagge ist der Weg, auf den sich das Hospizzentrum begeben hat, noch nicht am Ende. Auf der Agenda steht vor allem auch die Mitarbeitenden und Ehrenamtler stark zu machen. Wie mit dem Argumentationstraining gegen Stammtischparolen ‚Parolen Paroli‘. Das Konzept wurde von Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer (Uni Duisburg-Essen) entwickelt. Wer Paroli bietet, fühlt sich weniger hilflos ausgeliefert. In zwei Terminen lernen die Mitarbeitenden und Ehrenamtler in den Workshops auf ihre Lebensrealität angepasst ‚Paroli‘ zu bieten. „Wir unterscheiden ja nicht nach Gesinnung“, macht Sebastian Pietschek deutlich, dass jeder ein Anrecht auf gute Pflege hat. Da sei ein solches Training für Mitarbeitende hilfreich. Besonders häufig käme es tatsächlich zu homophoben Äußerungen. „Unsere Prio gilt den betroffenen Kollegen. Oft betrifft das auch Schüler“, erklärt er. „Damit, dass wir das Thema jetzt auch im Hospiz besetzen, stärken wir ja auch den Einzelnen“, ist sich Wolfgang Soldin sicher. „Man muss die Menschen abholen, wo sie sind“, ergänzt er.
Gegenwind
Wie wichtig es ist in dieser Zeit Flagge zu zeigen, zeigte sich schon kurz nach dem Flagge hissen, denn aus Teilen der Bevölkerung gab es quasi direkten Gegenwind. So schrieb etwa eine Facebook-Nutzerin unter den Post zu den gehissten Flaggen: „Niemand hat dem Hospiz Respektlosigkeit unterstellt. Und deshalb ist so ein Fahnen-gewedel total unnötig!!!“ Die Kollegen von der RP haben im Hospiz nachgefragt und erfahren, dass Hospizleiterin Silke Kirchmann auch ein Schreiben erhielt, in dem der Absender unterstellte, dass die Fahne die normale Familie mit Vater, Mutter und Kind diffamiere. Dem hielt Silke Kirchmann – so berichtet die RP – entgegen, dass die Regenbogenfahne fürs Hospiz ein Symbol für Toleranz und Nächstenliebe sei und sie darüber hinaus im übertragenen Sinne die Brücke zwischen Himmel und Erde und zwischen den Menschen darstelle.
Gemeinschaft innen wie außen

Neben der Regenbogenflagge wurde am Dienstag auch die Flagge zum 30. Geburtstag des Hospiz gehisst, die mit neuem Logo nun auch die Gemeinschaft des Hospiz als Hospiz-Zentrum nach außen trägt, dass aus den drei ambulanten Hospizdiensten, dem Tageshospiz und dem stationären Hospiz besteht und gemeinsam nun Franziskus-Hospiz-Zentrum Hochdahl heißt.
Klezmer-Musik und Lesung zugunsten des Hospiz
Wer das Franziskus-Hospiz-Zentrum Hochdahl unterstützen möchte, kann das am kommenden Sonntag (19. Januar 2025) auf eine besonders angenehme Weise tun. Mit Klezmer-Musik und einer Lesung unter dem Titel ‚Wintersonne‘ bieten Elisabeth Verhoeven, Ulrich von der Linde, Lioba Siefen und Sabine Jachmann in der Heilig-Geist-Kirche (Brechtstraße 5) einen besonderen Abend mit freiem Eintritt. Eine Spende zugunsten des Franziskus-Hospiz-Zentrums ist herzlich willkommen.
Wir finden die Kritik an der Regenbogenflagge unsäglich! Das Franziskus Hospiz leistet unabhängig von Religion, Nationalität und sexueller Orientierung hervorragende Arbeit, das verkörpert einen humanistischen und religiösen Grundgedanken, und sollte respektiert und unterstützt werden.
Jutta und Peter Faßbender
Ich stimme Jutta und Peter Faßbender zu 100% zu!
Eine kleine Kritik habe ich allerdings an dem Artikel: es wäre stimmiger, wenn von Mitarbeiter*innen und Ehrenamtler*innen die Sprache wäre 😉
Liebe Frau Alberty,
grundsätzlich haben sie Recht, aber als Journalisten haben wir auch eine Verantwortung dafür, dass unsere Texte möglichst von allen Menschen barrierefrei gelesen werden können. Stellen Sie sich ein gutes Buch vor, bei dem auf einer Seite im Text 10 Sternchen zu finden sind. Selbst ohne Einschränkungen wäre ein solches Buch für die meisten Menschen nicht mehr flüssig lesbar.
Ich hatte vor vielen Jahren einmal das Glück zu erfahren, wie solche Texte für Asperger Autisten ‚lesbar‘ oder vielmehr ’schwierig lesbar‘ sind. Wir bemühen uns überall Sprache barrierefrei zu gestalten, aber mit Genderzeichen bauen wir genau solche wieder ein.
Sie können sich darauf verlassen, dass wir – egal wie die Formulierung im Text ist – niemanden ausschließen. Wir bemühen uns vor allem mit Artikeln auf die Situation aller Menschen aufmerksam zu machen, unabhängig von Religion, Geschlecht und kulturellem Hintergrund.
Ein bisschen mehr Info zu Gendern und Barrierfreiheit können sie hier nachlesen: Gendergerechte Sprache und Barrierefreiheit
Herzliche Grüße
Ria Garcia
Vielen Dank für die ausführliche Antwort!