
Die Stadtwerke hatten zum Dialog in die Brügger Mühle eingeladen und die Fernwärmekunden folgen der Einladung in der vergangenen Woche in großer Anzahl. Im Gepäck hatten sie viele Fragen.
Ein Dialogformat zu wählen war sicher der richtige Ansatz, um mit den Fernwärmekunden, Vertretern der IG Fernwärme und Kommunalpolitikern ins Gespräch zu kommen. Von den teilnehmenden Kommunalpolitikern sind viele selbst Fernwärmekunden. Etwa zwei Wochen vor der Dialog-Veranstaltung gab es eine ähnliche Veranstaltung zu der die IG Fernwärme ins Forum Sandheide eingeladen hatte. Vertreter der Stadtwerke folgten der Einladung dazu nicht und verwiesen auf den eigenen Fernwärme-Dialog.
Zwei Präsentationen nahmen nach der Begrüßung durch Geschäftsführer Gregor Jeken einen großen Zeitblock des Abends. Vertriebsleiter Michael Küpping übernahm den ersten Teil, der sich dem Thema Preistransparenz widmete. Ein sensibles Thema, denn schon bevor die Stadtwerke die Fernwärme übernommen haben, gab es mit E.ON Ärger mit Fernwärme Abrechnungen. 2023 hatte das Landeskartellamt entschieden, dass E.ON für die Jahre 2017 bis 2019 an Erkrather Kunden insgesamt rund 164.500 Euro erstatten musste. In einem weiteren Verfahren, das über das Bundeskartellamt geführt wird, wird die E.ON Preisgestaltung ab dem 1.1.2021 geprüft. Hier hat das Oberverwaltungsgericht im November 2024 Akteneinsicht beantragt. Das Klageergebnis, mutmaßen die Erkrather Grünen, könnte auch Auswirkungen auf die Abrechnungen der Jahre 2023 und 2024 haben, da die Stadtwerke nach der Übernahme die umstrittene Preisänderungsformel von E.ON unverändert übernommen haben. Das kritisieren auch viele Erkrather Kunden, die sich ins Klageregister für die Abhilfeklage eingetragen haben.
Küpping erläuterte in seinem Vortrag die Preisentwicklungen mit und ohne Preisbremse, die Zusammensetzung der Preise, die Formel zur Preisfindung und auch die Zeitintervalle der Erdgasbeschaffung und damit des aktuell noch wichtigsten Energieträgers der Fernwärme. Zur Wärmeerzeugung werde bisher nur eine kleine Menge Bio-Methan verwendet. „Der Rest ist Erdgas“, so Küpping. Es fielen Fachbegriffen, die es den vielleicht 100 Anwesenden, teils auch weil die Tontechnik nicht durchgängig funktionierte, schwer machte, zu folgen. So flossen in seinen Vortrag zur Präsentation die Begriffe EGIX (European Gas Index) oder Afa (Absetzung für Abnutzung der Investitionsgüter) ein. Die Entwicklung des Fernwärmearbeitspreises sei von 2019 bis 2022 (Beginn des Ukrainekriegs) hoch gewesen, dann wieder abfallend, aber nicht auf das Niveau von 2019.
Heizkostenvergleich
Mittels eines Heizkostenvergleichs zwischen Fernwärme, Wärmepumpen und Gas versuchte Küpping mit unterschiedlichen Verbrauchsszenarien jeweils mit und ohne Preisbremse in 2023 aufzuzeigen, dass Fernwärme im Vergleich, abgesehen von 2022, nicht die teuerste Heizart war. Mit der Preisbremse 2023 sei die Fernwärme sogar die preiswerteste Form gewesen. „Ihr beschafft ganz anders, als ihr abrechnet“, lautete ein Vorwurf an die Stadtwerke, dem Michael Küpping begegnete. So habe man im November 2023 den Gasbedarf für Januar 2024 geordnert. „Wir reservieren mit sechs Wochen Vorlauf bei der Beschaffung den für den jeweiligen Monat erwarteten Bedarf für die Fernwärme.“ Insgesamt gäbe es 12 Bestellvorgänge im Jahr. Die gesamte Präsentation haben die Stadtwerke auf Wunsch der Besucher nachträglich auch online gestellt. Auf Seite 16 sind die Beschaffungsmengen, -zeiträume und -preise aufgeführt.

Ein Besucher wandte ein, dass die Stadtwerke Düsseldorf anders beschaffen würden. Die würden, wenn der Preis niedrig ist, größere Mengen ordern, wovon die Kunden profitieren. „Der Einkauf von größeren Mengen birgt die Gefahr, dass der Preis später fällt und die Kunden dann den teureren Preis zahlen müssen“, verdeutlichte Küpping die Risiken. Außerdem würden sich die Fernwärmepreise in Düsseldorf ganz anders zusammensetzen, weil Düsseldorf Wärme auch aus dem Müllheizkraftwerk und den Klärwerken beziehe. „Deshalb ist das Risiko in Düsseldorf gering. Dort wird nur ein Drittel oder ein Viertel für die Wärmeerzeugung zugekauft“, erklärt er. In Erkrath gäbe es keine ‚Margensteigerung‘. Die Kosten würden auf Beschaffungsniveau weitergegeben, was überdies eine Forderung des Bundeskartellamts sei.
Küpping erklärte die aktuell in der Kritik stehende Preisformel und stellte auch den Entwurf einer vereinfachten Preisformel ab 2026 vor, die vorab mit dem Bundeskartellamt abgestimmt werden soll. „Wir brauchen ein faires System, das für Kunden verständlich ist“, erkläre Geschäftsführer Jeken dazu. „Durch die kurzfristige Beschaffung profitieren Sie direkt von fallenden Preisen.“ Langfristige Einkäufe, so erklärte er, würden ein großes Risiko bergen. Die vereinfachte Preisformel sage indes nicht aus, dass die Preise fallen werden, was von einem Besucher mit: „Dann ist es ja das Gleiche, wie bei E.ON“, kommentiert wurde.

Ausblick zur Dekarbonisierung
Bevor – abgesehen von einzelnen Nachfragen – der eigentlich Dialog mit den Besuchern begann, gab Marion Hauschke, technische Leiterin bei den Stadtwerken, ein Update zur Dekarbonisierung, das die drei Blöcke ‚Blockheizkraftwerk‘, ‚Solarthermie‘ und ‚Geothermie‘ umfasste. Im Mai oder Juni sollen die noch in Betrieb befindlichen Module des Blockheizkraftwerks außer Betrieb gehen. Dann beginnt der Neubau neuer Module, die Ende 2026 in Betrieb genommen werden sollen. Im Juni beginnen auch die Bodenarbeiten für das geplante Solarthermiefeld, das Ende April 2027 fertiggestellt und in Betrieb genommen werden soll. Zur Geothermie wird aktuell die Vorstudie des Fraunhofer Instituts aus 2023 zu einer Machbarkeitsstudie mit Risikobetrachtung überarbeitet, die im Juni 2025 fertig werden soll. Anschließend erfolgt die Vorstellung in den Gremien.
Hauschke berichtete den Zuhörern, dass aktuell in Krefeld große Bohrungen stattfinden. „Geothermie ist ein sehr, sehr spannendes Projekt. Die Zeichen stehen immer noch auf Grün“, begeisterte sich Gregor Jeken. Für Erkrath sei das auch möglich. Für notwendige Investitionen, wie aktuell die Blockheizkraftwerke oder das Solarthermiefeld, erhalten die Stadtwerke hohe Förderungen, die überhaupt erst das schnell Umsetzen der Pläne möglich machen.
Marion Hauschke und Gregor Jeken beantworten im Rahmen des Vortrags einige Zuschauerfragen, etwa nach einem möglichen Speicher für das Solarthermiefeld. „Es wird nur einen kleinen Tag-/Nachtspeicher für die Warmwasserversorgung geben“, antworteten Jeken. Inzwischen habe man einen digitalen Zwilling des gesamten Fernwärmenetzes geschaffen, den man für die Netzoptimierung nutze. Auch von der künftigen Abwärmenutzung eines Rechenzentrums, das sich im ehemaligen Möbel Flamme Gebäude ansiedle, berichtete er. Mit dem digitalen Zwilling könne man verschiedene Szenarien im Zusammenhang mit der Dekarbonisierung und Umstellungen im Fernwärmenetz durchrechnen.
Die Stimmung bleibt skeptisch
Insgesamt blieb die Stimmung bei den Besuchern aber weiterhin skeptisch. Zu viele fehlerhafte Rechnungen, Ärger bei der Kürzung der zum Teil deutlich zu hoch geschätzten Abschläge bis hin zur fehlenden Möglichkeit den Grundpreis zu senken, wenn im Geschosswohnungsbau mehrere Haushalte sich einen Anschluss teilen, waren Thema von Kritik und Fragen. Gregor Jeken erläuterte, dass von einigen Messdienstleistern (personell ist es den Stadtwerken nicht möglich die Zählerstände selbst abzulesen) immer noch keine Daten von den Ablesungen vorlägen, was zu den geschätzten Verbräuchen geführt habe.
„Ich müsste eigentlich 700 Euro zurück erhalten und soll 3.000 Euro zahlen“, machte ein Besucher deutlich, wie groß die Abweichungen zum eigentlich Verbrauch teils ausfallen. Sein Fall war Küpping sogar bekannt. „Ich schaue mir immer wieder eingehende Widersprüche und Nachrichten der Kunden an“, erklärte er, dass er versucht auch persönlich einen Überblick zu behalten. „Wir arbeiten daran.“ In 2023 seien die Abschlagsbeträge noch zu hoch gewesen. Im Rahmen der Preisbremse und der damit einhergehenden Entlastung sei es zu vielen Rückzahlungen gekommen. „Alles rechtssicher abzuwickeln hat lange gedauert.“ Mit den Rechnungskorrekturen haben die Stadtwerke externe Dienstleister beauftragt. Für begründete Reklamationen soll es korrigierte Abrechnungen geben. Künftig soll auch die Zählerstandserfassung über das Kundenportal der Stadtwerke möglich sein.
Eine Frage beinhaltete die laufende Abhilfeklage. Ein Besucher wollte wissen, ob bei positiver Abhilfeklage alle Fernwärmekunden in Erkrath eine Erstattung erhalten. Gregor Jeken erklärte, dass der höhere Preis der Beschaffung geschuldet sei. Dass die Preisformel hier so nicht hätte genutzt werden können, sehe er nicht. „Wenn das Urteil in der Welt ist, dann schauen wir“, bemerkte er. Der Zuhörer befürchtete im Stillen, dass es zu einer Verjährung kommen könne. Da die Frage im Dialog unterging, blieb sie offen. Beantwortet noch Fragen zur Höhe der Rückstellungen für Kunden, die noch nicht abgerechnet wurden. Auch zur Höhe der Rückzahlungen gab es Infos.
Gleich mehreren Besuchern lag die offensichtlich bisher nicht ermöglichte Absenkung des Anschlusspreises im Geschosswohnungsbau auf dem Herzen. So wird hier bisher offensichtlich vorausgesetzt, dass alle an der Versorgungsleitung hängenden Bewohner zustimmen müssen, auch wenn sie über getrennte Zähler verfügen. „Die Fernwärmeverodnung sieht vor, dass jeder Kunde für sich allein eine Anpassung vornehmen kann“, verwies Bernhard Osterwind auf die Gesetzeslage. In einem Block mit 211 Betroffenen könne man nicht darauf verweisen, dass alle zustimmen müssten. Wer als Eigentümer eine Einzelabrechnung erhalte, müsse folglich auch die Anpassung des Grundpreises für sich allein vornehmen können.
Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV)
§ 3 Anpassung der Leistung
(1) Das Fernwärmeversorgungsunternehmen hat dem Kunden die Möglichkeit einzuräumen, eine Anpassung der vertraglich vereinbarten Wärmeleistung (Leistung) während der Vertragslaufzeit vorzunehmen. Die Anpassung der Leistung nach Satz 1 kann einmal jährlich mit einer Frist von vier Wochen zum Ende eines Kalendermonats erfolgen und bedarf keines Nachweises, sofern sich die Leistung nicht um mehr als 50 Prozent reduziert.
(2) Der Kunde kann eine Anpassung der Leistung, die eine Reduktion um mehr als 50 Prozent im Vergleich zur vertraglich vereinbarten Leistung darstellt, oder eine Kündigung des Versorgungsvertrages mit zweimonatiger Frist vornehmen, sofern er die Leistung durch den Einsatz erneuerbarer Energien ersetzen will. Er hat zu belegen, dass erneuerbare Energien eingesetzt werden sollen.
Nicht enden wollende Kritik an der Gewinnausschüttung
Bürgermeister Christoph Schultz, der ebenfalls an der Veranstaltung teilnahm, erklärte, dass der ausgeschüttete Gewinn als Zinsen zu werten seien. Die Stadt habe bei der Übernahme der Fernwärme eine halbe Millionen Euro für Anwälte und Gerichtskosten finanziert. „Wir wollen keine Gewinne mit der Fernwärme machen“, verdeutlichte er, dass die Fernwärme für die Stadt kein ‚Geschäft‘ sei. „Bei der Dekarbonisierung ist der CO²-Preis bei Ihnen irgendwann auf Null“, zeigte er auf, dass die Fernwärme langfristig eine positive Entwicklung für die Kunden nehmen. Darüber hinaus stellte er in Aussicht, dass die Fernwärme künftig vielleicht in eigene Gesellschaft überführt werden könnte. Ein Besucher hatte gefragt, warum für die Fernwärme kein ‚Spartenabschluss‘ veröffentlicht wird. „Bei Strom oder Gas hat das nie jemanden interessiert“, erinnerte Küpping.
Kommentar: Wie notwendig ein Dialog zur Fernwärme ist, hat diese Veranstaltung einmal mehr deutlich gemacht. Wie notwendig eine dekarbonisierte Fernwärme mit Blick auf den Klimawandel ist, zeigt eine aktuelle Meldung des Deutschen Wetterdienstes. „Deutschland hat sich im Vergleich zur frühindustriellen Zeit bereits um 2,5 ⁰C erwärmt“, heißt es darin. Es bleibt also zu hoffen, dass Stadtwerke und Fernwärmekunden sich über die Dialoge näher kommen und Fehler ausgeräumt werden, damit es künftig vielleicht noch viel mehr Fernwärmekunden gibt.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar