Famoser Weltuntergang in der Stadthalle Erkrath

von Timo Kremerius

Verdienter Applaus für das Stück 'Der Weltuntergang'. Foto: Timo Kremerius

Theater können sie, die Schülerinnen und Schüler des Literaturkurses am Gymnasium am Neandertal. Das haben sie mit eigenen Ideen zum Stück ‚Der Weltuntergang‘ nach Jura Soyfer und schauspielerischem Talent am vergangenen Freitag gezeigt.

Zeit – sie spielt in unserem Leben eine wichtige Rolle. Manchmal vergeht sie wie im Flug, und manchmal schleicht sie dahin. Wir planen, verschieben und gehen davon aus: „Ich habe ja noch Zeit. Das passt schon.“
Im Umgang mit der Zeit bedenken wir häufig nicht, dass unsere Zeit irgendwann zu Ende geht. Doch was ist, wenn unsere Zeit plötzlich verkürzt wird? Wenn diese Veränderung aus dem Nichts kommt? Wenn wir nur noch wenige Wochen haben, wenige Tage? Würden wir in Panik verfallen? Noch mal etwas ganz Verrücktes machen? Oder vielleicht unser Leben möglichst normal weiterleben? Würden wir in dieser Situation klüger, bewusster handeln als sonst?
Zeit und Vergänglichkeit spielten auch im Leben von Jura Soyfer eine wichtige Rolle. Geboren am 8. Dezember 1912 in Charkiw (damals Russland; heute Ukraine) starb er mit nur 26 Jahren im KZ Buchenwald. Ankündigung des Gymnasiums am Neandertal

Die Darbietung des Literaturkurses

Neugierig und voller Erwartungen kamen die Zuschauer in die Stadthalle, um ‚Der Weltuntergang‘, aufgeführt vom Literaturkurs des Gymnasiums am Neandertal zu sehen. Während Eltern und Geschwister halbwegs eingeweiht gewesen seien dürften, war das Interesse bei den Uneingeweihten geweckt. Vorweg: Es war ein Stück, welches sehr Nachdenklich machte.

Hier sollten auch mal die Initiatoren, die das Stück erfolgreich auf die Bühne gebracht haben, erwähnt werden. Sie haben es sich ohne Wenn und Aber verdient. Ein Jahr lang hat der Literaturkurs unter Leitung von Johannes Krupp die Vorlage in eine Bühnenfassung umgesetzt. Á la Bonheurs. Jede Woche mindestens drei Stunden üben und Texte lernen, manchmal sogar Zusatzstunden. Dieser Einsatz ist die Voraussetzung, um etwas so Exzellentes auf die Bühne zu bringen.

Darstellerinnen und Darsteller (in verschiedenen Rollen): Marlene Dahmen | Fanny Dinjus | Anissa Klotz | Stefanie Kootz | Vincent Mai | Noga Ohana | Samuel Pochotov | Isabel Rood | Valentin Schrein | Carl Philipp Schulz-Isenbeck | Shawn Ssebaggala | Nele Weßelowski | Svea Zisselmar | Mathis Schmidt | Licht und Technik: Johannes Fusenig | Leitung: Johannes Krupp

Am Himmel kreisen die Planeten im Takt, bis sie plötzlich ins Trudeln geraten und Schuld an der Dissonanz ist die Erde. Es wird entschieden, dass ein Komet, der gerade vorbeikommt, auf dem Weg zu einer Sternschnuppe, in die er sich unsterblich verliebt hat, seinen Weg zu ändern und die Erde zerstören soll.

Komet erklärt den Erdenmenschen, dass er seine Sternschnuppe sucht. Foto: Timo Kremerius

Kurz darauf kommt die Pressemitteilung, das in 14 Tagen der Weltuntergang bevorsteht. Eine Mitteilung, die der Startknopf für den Wahnsinn, den wir ja jetzt schon auf der Erde beobachten können, in Gang setzt. Als erstes erscheinen die Entscheidungsträger unserer Gesellschaft auf der Bildfläche. Politiker, die keine Entscheidungen fällen, die Zeit schinden, die nicht mehr da ist und die völlig sinnlos und überflüssig erscheinen. Sehr schön dargestellt unter anderem der bayrische Vertreter mit den hinlänglich bekannten Sprüchen „Auf Bayern wird der Komet nicht fallen“, „Bayern wird nichts passieren“, „Der findet Bayern gar nicht“ usw. Natürlich kam von den anderen dargestellten Politikern genauso viele wenig konstruktive Beiträge.

Unsere politische Creme de la Creme. Foto: Timo Kremerius

Nachdem diese unnötigen Herrschaften die Spielfläche verlassen haben, kamen die Wissenschaftler, die zögerlich versuchten Lösungen zu finden, aber an Umständlichkeit nicht zu toppen waren. Viel Hoffnung konnte man da nicht haben, angesichts der Tatsache, dass es keine 14 Tage mehr bis zum Weltuntergang waren. Wenn man dachte, die Menschen wären besorgt wegen des Weltuntergangs, weit gefehlt. Das Einzige, was ihnen einfiel: Sie gingen shoppen. Ein schön dargestellter Spiegel einer Gesellschaft, der an vielen Stellen das intellektuelle Potenzial Probleme zu erkennen und zu bekämpfen fehlt. Einige Wenige meinten, da sie ja nicht mehr zur Rechenschaft in Form einer Bestrafung gezogen werden, könnten sie Straftaten begehen. Superreiche versuchen noch sich einen Sonderflug von der Erde weg zu erkaufen und sind doch nur auf Betrüger hereingefallen. Gruppierungen, Andersdenkende bilden sich.

Einfach gruselig dargestellt, wie die Menschheit degenerierte. Angestachelt von der Konsumindustrie versucht die Wirtschaft noch mal für die letzten Tage die Menschheit zum Konsum anzustacheln. Aluminiumkappen und allen möglichen Blödsinn, den kein Mensch benötigt. So wie im realen Leben. Hier wurden in der Stadthalle selbstgedrehte Werbeblöcke auf einer Extraleinwand eingespielt. Auch muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass die musikalische Untermalung mit Liedern von Zarah Leander oder Peter Schilling einfach passend und genial war. Die älteren Zuschauer, hier handelte es sich um Wenige, erkannten sie und schmunzelten, auch über die zeitlosen Texte.  Ein guter Schachzug der Schauspielercrew und deren Leitung. Wobei vermutet wird, dass die Anregung für die Lieder von der Leitung kam.

Als ein Wissenschaftler einen Weg findet die Erde zu retten, hat er Probleme, gehandicapt durch die Flut der Formulare und gestoppt durch die Bürokratie, der Verwaltung das überzeugend zu vermitteln. Am Ende des Stückes gaben einige Menschenkinder ihr Statement ab, was sie als Letztes noch machen wollen. Man hatte den Eindruck, sie hätten abgeschlossen. Leider. Kein Anzeichen dagegen anzukämpfen. Nur gottergeben akzeptieren.

Nachdem der Komet festgestellt hat, dass er sich in die Erde verliebt hat, verschont er sie. Er konnte aber nicht erklären warum. Der Schluss erinnerte an das Ende von Hamlet. Alles war Dunkel und es war nichts als Stille. Ruhe und Stille.

Ein Theaterstück, in den frühen 30er Jahren geschrieben und inhaltlich so aktuell, es hätte nicht besser präsentiert werden können. Dafür dem Literaturkurs unter der Leitung von Johannes Krupp ein großes Lob und Dankeschön.

Jura Soyfer (eigentlich Juri, geboren 8. Dezember 1912 in Charkow,
Gouvernement Charkow, Russisches Kaiserreich; gestorben
16. Februar 1939 im KZ Buchenwald) Bildquelle: DÖW

Jura Soyfer gehört zu den wenigen österreichischen Autoren, die in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurden. Sein Anliegen war es, im Theater keine vollständigen Lösungen oder Ergebnisse zu präsentieren; für ihn konnten die dargestellten Probleme nur im wirklichen Leben, also im real existierenden Protest, gelöst werden. Seine Stücke zerstören Illusionen und rufen dazu auf, die Gesellschaft, wie sie ist, zu verändern. Er selbst betrachtete sie als Mittel zur Propaganda, direkt bezogen auf die Zeit, in der er lebte.
Aus Wikipedia. Eine Kurzbiografie des Schriftstellers ist auf Soyfer.at nachzulesen.

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