Die Siedler von der Mühlenstraße

Das Siedlungsgelände Ludenberger Straße Ecke Morper Allee vor dem Baubeginn. Foto: privat

70 Jahre sind vergangen, seit Erkraths damaliger Bürgermeister Hermann Moritz im Oktober 1949 den ersten Spatenstich vornahm, mit dem die Mühlenstraße in Alt-Erkrath entstand.

Marianne Boenigk erinnert sich an diesen Tag, als sei es gestern gewesen. Sie war dabei, ihr Vater war einer derer, die in der Mühlenstraße bauten. Wohnraum war in Erkrath nach dem Krieg knapp. Westdeutschland nahm 12 bis 14 Millionen Geflüchtete und Vertriebene aus den Ostgebieten auf. Vergleicht man diese Zahlen mit der einen Millionen Geflohenen, die 2015 nach Deutschland kamen, weiß man vor welchen Herausforderungen die Kommunen damals standen.

In Erkrath gründete sich die Siedlergemeinschaft Erkrath-Unterbach, die mit großer Anstrengung und Eigenleistung im ehemalige Feucht- und Moorland einen Entwässerungsgraben anlegten, um dort zu bauen zu können. Aufgrund der Eigenleistung war das Bauland preiswert. Auf vielen Grundstücken mussten vor Baubeginn Baumstümpfe aus dem Boden geholt werden. „Mein Vater hatte ein Stück Ackerland erworben und musste einen etwas höheren Preis zahlen, weil keine Baumstümpfe auf dem Grundstück waren“, erinnert sich Marianne Boenigk. Ihr Vater war damals schon 55 Jahre alt und hatte eine Kriegsverletzung davon getragen. An vielen Gemeinschaftsarbeiten konnte er sich deshalb nicht beteiligen. Der Berufsschullehrer gab abends Meisterkurse. Mit diesem Zusatzverdienst konnte andere bezahlen, die für ihn den geforderten Eigenanteil leisten konnten.

Nicht nur den Entwässerungsgraben legten die Siedler auf dem damaligen Gelände zwischen Ludenberger Straße und der Morper Allee selbst an, auch der erste Ausbau der Straße, die heute den Namen Mühlenstraße trägt, erfolgte in Eigenleistung. Bestrebungen das Gelände zum Siedlungsbereich zu erklären gab es schon 1947. Der erste Spatenstich für den notwendigen Entwässerungsgraben erfolgte im April 1948 und der erste Spatenstich zum Beginn des eigentlichen Siedlungsbaus im Oktober 1949. Die dazwischenliegende Zeitspanne lässt erahnen, welche Leistungen notwendig waren, bis die ersten mit dem Bau ihres Eigenheims beginnen konnten.

Marianne Boenigk beim Richtfest des Elternhauses. Foto: privat

„Als wir Richtfest feierten, war ich 18 Jahre alt“, erzählt Marianne Boenigk. Ein Foto zeigt sie auf der Leiter des Rohbaus. Auch ein Foto des Geländes vor dem Baubeginn besitzt sie noch aus dem Nachlass des Vaters. Heute ist sie mit wenigen Nachbarn Teil der Generation, die die Entstehung der Mühlenstraße noch persönlich miterlebt hat.

Längst hat ein Generationenwechsel stattgefunden, bei dem nicht die Kinder und Enkel in die schmucken Häuschen mit ihren gepflegten Vorgärten zogen. Auch Marianne Boenigk hat das Schicksal nach ihrer Hochzeit erst einmal von Erkrath weggeführt. Nach dem Tod ihrer Mutter kehrte sie jedoch mit ihrer Familie zurück zu ihrem verwitweten Vater. In diesen Tagen erinnert sie sich gern an die Zeit des ersten Spatenstichs vor 70 Jahren zurück. Längst haben ihre Kinder eigene Kinder und leben nicht mehr hier. Ob sie eines Tages das Erbe antreten und in das schmucke Häuschen in der Mühlenstraße ziehen, ist unklar. Und so sind Marianne Boenigk und wenige Nachbarn vielleicht die letzten Nachkommen der ehemaligen Siedler, die einst aus Sumpfland Bauland schufen und hier ihre Eigenheime erbauten.

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