Bürgerentscheid – Satzungsänderung und Termin

von Ria Garcia

Neben Ulrich Thieme (l.) und Karin Heesen (r. mit Hut), waren weitere Vertreter der Bürgerinitiative zur Unterschriftenübergabe an den Bürgermeister (r.) und Verfolgung der Sitzung gekommen. Foto: Ria Garcia

Für die einen schien es ‘logische Konsequenz’ bei den anderen sorgte die vorgelegte Satzungsänderung zur Durchführung von Bürgerentscheiden im laufenden Verfahren für Irritationen. Auch über den Termin herrschte Uneinigkeit.

Deutlich vor dem Schlusstermin hatte die Bürgerinitiative ‘Rettet die Hasenwiese’ das notwendige Unterschriftenquorum erreicht und eingereicht. Einige hundert Unterschriften, die anschließend noch gesammelt wurden, übergaben zwei Vertreter der Initiative vor Sitzungsbeginn des Haupt- und Finanzausschusses dem Bürgermeister. Karin Heesen und Ulrich Thieme betonten, dass sie beide keiner Partei angehörten. Sie berichteten auch vom Feedback, dass sie bei der Unterschriftensammlung erhielten. “Wir haben die Menschen gar nicht angesprochen, die haben uns angesprochen”, machte Ulrich Thieme deutlich, dass den Bürgern der Erhalt unversiegelter Flächen, vor allem, wenn es eine der letzten im Quartier ist, am Herzen liegt. “Mich haben sogar Kinder angesprochen, die traurig wären, wenn die Wiese so nicht erhalten bleibt”, berichtete Karin Heesen dem Bürgermeister. Beide baten darum das Bürgerbegehren nicht durch Reduzierung der Stimmbezirke und den frühen Termin kurz nach Karneval noch zu erschweren.

Neben den Beiden waren weitere Vertreter der Initiative gekommen und folgten auch der Diskussion über die geplante Änderung der Satzung für die Durchführung von Bürgerentscheiden, die unter anderem die die Möglichkeit vorsah, dass der Bürgermeister die Zahl der Stimmbezirke reduzieren kann. Darüber hinaus griff sie auch gesetzlich Veränderungen (Änderungen im Überblick), wie etwa das Stimmrecht für Menschen in Betreuung auf. Anlass zur Diskussion war im Ausschuss die Möglichkeit des Bürgermeisters die Stimmbezirke zu reduzieren, die bisher analog zu den Wahlbezirken der letzten Kommunalwahl festgelegt waren.

§ 3 alte Fassung
Der Bürgermeister teilt das Abstimmungsgebiet in Stimmbezirke ein. Die Stimmbezirke sollen gemäß der Einteilung der Wahlbezirke der vorangegangenen Kommunalwahl abgegrenzt
sein (z. Zt. 20 Stimmbezirke).
§ 3 Vorschlag zur Neufassung



Der Bürgermeister teilt das Abstimmungsgebiet in Stimmbezirke ein.

Politische Diskussion um Änderungen

Bürgermeister Christoph Schultz verteidigte – nach Aufrufen des Tagesordnungspunktes – die vorgeschlagenen Änderungen, die gesetzliche Änderungen und Empfehlungen des Städte- und Gemeindebundes aufgreifen würden. “Auch bei Reduzierung der Wahllokale können Bürgerentscheide erfolgreich durchgeführt werden, wie sich in diesem Jahr schon einmal gezeigt hat.” Peter Knitsch (Grüne) war anderer Meinung: “Da haben wir eine Satzung, die seit 20 Jahren gültig ist und dann kommt ein Bürgerentscheid der erfolgreich ist, dann ändere ich mal eben das Verfahren? Warum haben Sie nicht schon bei den Wahlen die Zahl der Stimmbezirke reduziert?” Er bezweifelte sogar die Rechtmäßigkeit der Änderungen in einem laufenden Verfahren und verglich das Vorgehen mit Methoden ‘Trumps’. Auch den anberaumten Termin des Bürgerentscheids in der Woche nach Karneval kritisierte er. “Sie missbrauchen die Macht gegen die Bürger”, so sein Vorwurf an den Bürgermeister.

Schultz verteidigte die Änderungen mit der Zunahme der Briefwähler. “Warum brauchen wir in Unterfeldhaus zwei Wahllokale oder warum sollen wir in der Willbeck in einer Schule zwei Wahllokale nebeneinander vorhalten?”, fragte er. “Wir haben eine deutliche Zunahme der Briefwähler. Wir machen das auch aus Gründen der Verwaltungsoptimierung”, ergänzte er. Barbara Geiss-Kuchenbecker (Grüne) antwortete: “Sie müssen doch zugeben, dass der Zeitpunkt komisch ist. Da entsteht schon der Eindruck, dass das ‘ein Geschmäckle’ hat.” Aus ihrer Sicht sollte man den aktuellen Bürgerentscheid aus den Änderungen ausnehmen. “Die Regeln sind überaltert. Ich habe auch nicht vor, die Stimmbezirke auf die Hälfte zu reduzieren, wie in Haan, sondern nur um ein Drittel”, verteidigte der Bürgermeister die geplanten Änderungen.

Es geht nicht nur um die Reduzierung der Stimmbezirke

“Wollen wir Menschen, die in Betreuung sind, ausschließen? Oder den gültigen Datenschutz bei der Einsicht ins Abstimmungsverzeichnis vernachlässigen?”, stellte Carsten Döhr, in der Stadtverwaltung zuständig für Einwohnerfragen und Ordnung die Konsequenz in den Raum, die sich daraus ergäbe, wenn für das aktuelle Verfahren keine Änderungen vorgenommen würden. Daraufhin wollten Ausschussmitglieder wissen, ob die aktuelle Satzung rechtswidrig sei, was Carsten Döhr verneinte. Detlef Ehlert (SPD) kommentierte, dass der größte Teil der Änderungen unstrittig sei. Bei Beschwerlichkeit des Weges müsse man darüber nachdenken, ob man ein Wahllokal entfallen lassen könne. Man solle nicht die Reduzierung von einem Drittel oder der Hälfte ins Auge fassen, sondern die auf eine Reduzierung auf ein vernünftiges Maß. Daraufhin schlug Bürgermeister Christoph Schultz eine Reduzierung von 20 auf 15 Wahllokale vor. “Das ist doch nicht wie früher, als die Wahl nur persönlich vor Ort möglich war. Die Zeit ist vorbei. Jeder kann kostenlos an der Briefwahl teilnehmen”, so Wolfgang Jöbges (CDU).

“Ich frage mich, ist das Theater, eine Kommödie oder ein Drama? CDU und SPD sollten sich an die Fehleinschätzung beim Bürgerbegehren Neanderhöhe erinnern”, brachte Bernhard Osterwind (BmU) in Erinnerung. Der vorher von Bürgermeister Christoph Schultz erwähnte erfolgreiche Entscheid in Haan sei darüber hinaus kein Bürgerentscheid, sondern ein Ratsbürgerentscheid gewesen und die Wahllokale seien auch nicht halbiert worden. “Niemand lehnt formale Änderungen der Satzung ab. Es geht ausschließlich um die Veränderung der Wahllokale”, machte auch Peter Knitsch noch einmal deutlich, dass die übrigen Änderungen auch für seine Fraktion in Ordnung seien. “Die Leute gehen dahin, wo sie es gewohnt sind und wenn die Türe zu ist, gehen sie wieder nach Hause”, verteidigte er das Festhalten an den gewohnten Wahllokalen. Bei zwei Wahllokalen am gleichen Ort könne man über die Reduzierung nachdenken, aber dann käme man wohl auf 18 verbleibende.

Ralf Lenger (FPD) sah vor allen darin ein Problem, dass der Bürgermeister die Wahllokale laut Satzung bestimmt. “Das kann auch nicht sein”, führte er aus und war dafür, dass der Rat diese festlegt. “Wobei 15 Wahllokale noch zu viele sind. Wir würden auf 10 reduzieren”, vertrat er die Meinung der FDP. “Die Wahllokale haben ganz viel Tradition. Es geht hier nicht um die Wahllokale, es geht um Demokratie. Die Bedingungen des Bürgerentscheids sollten demokratiefreundlich sein”, verdeutlichte Barbara Geiss-Kuchenbecker noch einmal die Position der Grünen. Mit der Zusage des Bürgermeisters bei einer Reduzierung nicht unter 15 Wahllokale zu gehen, stimmte die Mehrheit des Ausschusses schließlich gegen die Stimmen von Grünen und BmU für die Satzungsänderung. Eine Reduzierung auf 10 Wahllokale, wie von der FDP vorgeschlagen, wurde mehrheitlich abgelehnt.

Entscheidung im Rat

Wie alle Satzungsänderungen musste auch diese noch vom Rat abgestimmt werden. Aufgrund der kurzen Zeit, die seit dem Ausschuss erst vergangen war, gab es noch keine geänderte Vorlage im Ratsinformationssystem, sodass die besprochenen Änderungen den Fraktionen per Mail zugegangen waren. Dort stand nun aber nicht 15 Wahllokale, sonder maximal 15 Wahllokale. Der Bürgermeister entschuldigte sich kurz dafür, dass sei ein Fehler, der sich in der kurzen Zeit eingeschlichen habe. Abgestimmt werden sollten mindestens 15 Wahllokale, wie im HFA besprochen. Peter Knitsch versäumte zu Beginn der Diskussion noch einmal, was Barbara Geiss-Kuchenbecker bereits im Ausschuss gesagt hatte: “Das hat ein Geschmäckle, wenn nach 20 Jahren ausgerechnet in einem laufenden Verfahren die Satzung für die Durchführung von Bürgerentscheiden geändert wird.” Nur weil einem der Bürgerentscheid nicht gefalle das Verfahren zu verändern und zu erschweren, könnten Bürger aus seiner Sicht kaum glauben.

In den meisten Punkten wiederholte sich die Diskussion aus dem Haupt- und Finanzausschuss. “Ich denke, der Bürgerentscheid wird scheitern. Ist das hilfreich ‘grüne Wutbürger’ ranzuzüchten?”, fragte Jan Wiertz (CDU) in Richtung Knitsch. Für die Reduzierung der Wahllokale führte er auch die Kostenersparnis an: “Jeder Wahlhelfer erhält ein Erfrischungsgeld von 50 Euro und die Entscheidung wird im Umfeld von Bernhard Osterwind stattfinden. In Unterfeldhaus wohl eher nicht.” Markus Lenk (Linke) konterte, dass Demokratie eben ‘koste’. Er glaube nicht, dass die Reduzierung auf weniger Wahllokale die Wahl verlieren lässt. Er persönlich stimme gegen den Bürgerentscheid. Der Reduzierung stimme seine Fraktion zu, weil sie keine Behinderung darin sehe.

“Diese Sitzung ist nicht vergnügungssteuerpflichtig. Hier müsste Schmerzengeld gezahlt werden”, kommentierte Detlef Ehlert (SPD) den Sitzungsverlauf. Er erinnerte daran, dass bei den letzten Wahlen immer Menschen fehlten, um die Wahllokale zu besetzen. Peter Knitsch machte noch einmal deutlich, dass 20 Prozent der Wahlberechtigten am Bürgerentscheid teilnehmen müssten. Das seien 7.500 Bürger, die am Abstimmungstag ihre Wahl treffen müssen. “Bei den nächsten Wahlen gehen sie sicher auf 20 Wahllokale zurück”, adressierte er an den Bürgermeister, dass diese Änderung ausschließlich für Bürgerentscheide getroffen werden soll. Bernhard Osterwind merkte an, dass in dieser Sache eigentlich alle befangen seien und dennoch abstimmen würden. In der Reduzierung der Wahllokale sah er in Anbetracht der sinkenden Wahlbeteiligung ein Problem. “Ich möchte nur an die kürzlich stattgefundene Landratswahl in Weeze erinnern, bei der die Wahlbeteiligung unter 20 Prozent lag.” Mit 18 Wahllokalen hätte er kein Problem gehabt, mit 15 schon. Beim einzigen Bürgerentscheid, den es in Erkrath je gab, sei dieser 1996 an 100 fehlenden Stimmen gescheitert. Dennis Saueressig von der AfD brachte noch einmal den Vorschlag ein, für diesen Bürgerentscheid die 20 Wahllokale zu belassen und die Änderung erst nach dem Entscheid in Kraft treten zu lassen, fand damit aber kein Gehör. Am Ende wurde die Satzungsänderung mit einer Reduzierung auf mindestens 15 Wahllokale gegen die Stimmen von Grünen und BmU bei Enthaltung der FDP beschlossen.

Termin für den Bürgerentscheid

Auch um den Termin des Bürgerentscheids wurde im Rat noch heftig gerungen. Peter Knitsch argumentierte, der gewählte Termin nach Karneval habe die Intension die Wahl zu unattraktiv wie möglich zu machen. “Das ist unbegreiflich. Man nutzt die Frist von drei Monaten nicht aus. Die Folgen sind gravierend”, argumentierte er. Die für die Reduzierung angeführte Zunahme der Briefwähler sei hier erschwert. “Wenn die Benachrichtigung 21 Tage vor dem Entscheid versandt wird, bleibt wenig zeit für den Prozess der Briefwahl.” Durch willkürliche Vorverlegung werde der Entscheid massiv beeinflusst. Carsten Döhr wies daraufhin, dass die Fristen in der Gemeindeordnung festgelegt seien und bei vorangegangenen Wahlen schon ähnliche Fristen angewandt wurden. “Wir haben ein routiniertes Team und können den Prozess durch eigenes Personal sicherstellen.” Peter Knitsch war nicht überzeugt und hielt die Zustellung der Unterlagen 21 Tage vor dem Entscheid für zu spät. “Sie haben hier von einem fairen Verfahren gesprochen, dann sollte der Termin für den Bürgerentscheid nicht auf den 26. Februar gelegt werden, wenn bis zum 12. März Zeit ist und damit die Möglichkeit zur frühzeitigen Briefwahl gegeben wäre.”

Bürgermeister Christoph Schultz ließ dann erst einmal über Punkt 1 des Beschlussvorschlags ‘die Zulässigkeit des Bürgerentscheids’ festzustellen, abstimmen. Die Abstimmung erfolgte einstimmig. Als Vertreter der Bürgerinitiative kamen Bernhard Osterwind und Peter Knitsch noch einmal zu Wort. Knitsch nutzte die Gelegenheit den Rat noch einmal auf die Seite der Bürger einzustimmen: “Ich habe zwar nicht die Hoffnung, dass sie zustimmen, aber der festgelegte Termin schränkt die Diskussion über den Entscheid zwei Wochen ein. Sie stimmen gegen eine faire Abstimmung.”

Bürgermeister Schultz erinnerte daran, das mit der Entscheidung im Rat den Bürgerentscheid als zulässig zu erklären eine Sperrfrist eintrete, in der weder die Verwaltung noch die Bauherren (Genossenschaft) aktiv werden können. “Es geht auch darum Rechtssicherheit zu schaffen”, verteidigte er den Termin am 26. Februar 2023. Markus Lenk sah keine Einschränkung und befand es nicht als Problem den Entscheid zwei Wochen später durchzuführen. “Es geht doch darum, dass sich viele Menschen am demokratischen Prozess beteiligen.”

Schließlich wurde über Punkt 2 des Beschlussvorschlags ‘Der Rat der Stadt Erkrath entspricht dem Bürgerbegehren nicht.’ abgestimmt. Hätte eine Mehrheit gegen diesen Beschlussvorschlag gestimmt, wäre ein Bürgerentscheid nicht notwendig gewesen, um die Hasenwiese zu erhalten. Wie die vorherige Diskussion schon erahnen ließ, stimmte eine Mehrheit für den Vorschlag, sodass schließlich auch über Punkt 3, den Termin der Durchführung, abgestimmt werden musste. Daniel Saueressig versuchte einen Kompromissvorschlag zu machen und den Termin zumindest eine Woche nach hinten zu schieben, wofür sich keine Mehrheit fand. Die sprach sich weiterhin für den 26. Februar 2023 aus, der seit der Ratssitzung am Dienstag als gesetzter Termin für die Durchführung des Bürgerentscheids gilt.

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