Bürger fühlen sich nicht ernst genommen

von Ria Garcia

Peter Knitsch bei der Begrüßung der Teilnehmer. Links im Hintergrund Ulrich Tente. Foto: Ria Garcia

Am Dienstag hatten die Grünen zu einer Info-Veranstaltung zum Baugebiet Erkrath-Nord eingeladen und wurden vom Besucheransturm überlaufen. Im Gepäck der Besucher: Jede Menge Sorgen und Frust über Entscheidungen aus Verwaltung und Politik.

Eilig wurden viele zusätzliche Stühle aus dem Außenbereich in den Raum in den Bachstuben geholt, damit niemand stehend dem kurzen Vortrag lauschen musste. Es war eng. Getränke konnte die Kellnerin nur durch Weiterreichen zu den Gästen bringen. Peter Knitsch, der gemeinsam mit Ulrich Tente die Infoveranstaltung leitete, entschuldigte sich, dass man bei einer solchen Einladung im Vorfeld nicht wissen könne, ob zehn, dreißig oder – wie am Dienstag – mehr als 50 Personen kommen. Aber niemand verabschiedete sich aufgrund der Enge. Den Besuchern brannten Fragen unter den Nägeln, wie sich nach dem Vortrag herausstellte.

“Wir haben jetzt zu einer solchen Veranstaltung eingeladen, weil es ernst wird”, begann Knitsch seinen Vortrag. Es sei zu befürchten gewesen, dass eine Wohnbebauung im ‘Husarenritt’ ohne öffentliche Beteiligung und ohne neuen Bebauungsplan beschlossen werden sollte. Verwaltung und Teile der Politik hätten dazu eine Sonderregelung im Baugesetzbuch nutzen wollen, die in Gemeinden mit Wohnraumknappheit die Befreiung vom üblichen Verfahren erlaubt und keinen neuen Bebauungsplan vorschreibt. In einem Telefonat, so Knitsch, habe ihm der Bürgermeister inzwischen mitgeteilt, dass man die Möglichkeit noch einmal geprüft habe und inzwischen Peter Knitsch rechtliche Einschätzung teile, dass die Sonderregelung hier nicht angewendet werden kann.

Planung im gültigen Bebauungsplan aus den 70er Jahren

Da, wie Knitsch erläuterte, aber niemand die Planung aus den 70ern will, wird die Planung im Juni oder August beginnen. “Wie das aussieht ist noch nicht bekannt”, erklärte Peter Knitsch. Zuerst würde die Erschließung des Gebiets erfolgen. “Das wir Grünen gegen eine weitere Versiegelung von Flächen sind, ist bekannt. Wir sind nicht gegen Wohnbebauung. In Erkrath sind derzeit rund 1.000 zusätzliche Wohneinheiten geplant. Er nennt die Düssel-Terrassen, die weiteren Planungen Pose-Marré, Kreuzstraße, Maiblümchen in Unterfeldhaus oder die Hasenwiese in Hochdahl. “Das führt zu 20 Prozent Zuzug und es ist nicht sicher, ob die Infrastuktur mit Schulen, Kitas usw. dafür ausreicht.”

Probleme sieht Knitsch bei der verkehrlichen Erschließung, die schon bei Neubau des Gymnasiums schwierig sei. Er erklärt, dass eine relativ schmale Brücke ohne Fahrradstreifen mit schmalem Fußweg von der Bachstraße aus zum Schulgelände führen soll. Die Haupterschließung erfolge über die Friedrichstraße und den Heiderweg. Etwa drei Hektar stehen im Baugebiet zur Bebauung zur Verfügung. Die ursprüngliche Planung aus den 70er Jahren sah 150 bis 200 Wohneinheiten vor. “Die Verkehre können möglicher Weise gar nicht aufgenommen werden”, äußert er Bedenken, dass sich ein solcher Plan umsetzen lässt.

Baugebiet Erkrath-Nord. Links mit Markierung sichtbar die Friedrichstraße und der Heiderweg. Karte hergestellt aus OpenStreetMap-Daten | Lizenz: Open Database License (ODbL)

Ein weiteres Problem sehen die Grünen in den Hochwasserrisiken, führte Knitsch aus. Unter den Besuchern wurde es teils unruhig. Es war zu bemerken, dass viele Fragen mitgebracht hatten und etwas sagen wollten. Knitsch bat abzuwarten, er wäre mit dem Vortrag gleich am Ende, dann kämen die Besucher zu Wort.

Auf der Homepage der Bezirksregierung Düsseldorf dargestellte Überschwemmungsgebiete in Erkrath. Quelle: Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz. Bezirksregierung Düsseldorf.

Die Fläche (das Baugebiet) stünde nach Bebauung nicht mehr als Retentionsfläche zur Verfügung und durch die weitere Versiegelung sei zu befürchten, dass mehr Wasser in die Düssel gelange und dadurch die nachfolgende Wohnbebauung in Erkrath bei Hochwasser umso mehr betroffen seien könnte. “Im Gutachten zur Erstellung eines Hochwasserschutzkonzeptes wurde festgestellt, dass es im Neandertal keine geeigneten Retentionsflächen gibt. Die Fläche des Baugebiets Erkrath-Nord wurde nicht betrachtet, weil die Stadt Erkrath das nicht wollte”, berichtete Knitsch den Besuchern. Eine Hochwasserschutzmauer bedeute indes eine Gefahr für die Mühlenstraße und die anderen betroffenen Straßen in dem Gebiet, führte er aus. “Man muss Retentionsflächen schaffen.”

Der Bebauungsplan 2A für das Baugebiet Erkrath-Nord
aus den 70er Jahren. Foto: RG
(Hier als PDF auf der Homepage der Stadt Erkrath.)

Die Besucher kommen zu Wort

“Wie ist das in Bezug auf mögliche Hochwasser mit dem Gymnasium Neubau?”, will ein Besucher wissen. Knitsch antwortete, dass die Verwaltung gesagt hätte, der sei geschützt. Andere wollten wissen, was mit dem Gebäude des bisherigen Gymnasiums geschehen soll und erfuhr, dass es übergangsweise für die Realschule genutzt werden solle, damit diese saniert werden kann. Was danach mit dem Gebäude beziehungsweise der Fläche geschehen solle, sei noch nicht beschlossen. “Wir wollten nicht, dass Beschlüsse gefasst werden und die Bürger nichts oder zu spät davon mitbekommen”, erklärte Knitsch den Besuchern noch einmal den Grund für die Info-Veranstaltung.

Mit den aufkommenden Fragen zum Baulastverkehr beim Schulneubau über Friedrichstraße und Heiderweg oder wie überhaupt bei einer Wohnbebauung Erkrath-Nord der Verkehr zunehmen werde und ja keine Erweiterung der genannten Straßen geplant bzw. zu realisieren sei, wurde schnell deutlich: Hier saßen fast ausschließlich Anwohner und die machen sich große Sorgen und das nicht nur über den Verkehr im Wohngebiet. Dass allerdings der Baulastverkehr schon eine große Belastung darstellen wird, ist sicher allen klar, die die Friedrichstraße und den Heiderweg kennen.

“Wir haben ja den Vorschlag gemacht, die Baustellenzufahrt von Haus Brück aus kommend einzurichten”, berichtete ein Anwohner. Viele von den Anwesenden hatten sich tatsächlich erst über das gemeinsame Anliegen kennengelernt, für das eine Anwohnerin sogar Unterschriften gesammelt hatte. Ihr wurde an diesem Abend noch einmal für ihr Engagement gedankt. Auf den Vorschlag sei man bei der Stadt gar nicht wirklich eingegangen. Er wurde abgelehnt, ohne – aus Sicht der Anwohner – überhaupt ernsthaft geprüft worden zu sein. “Wahrscheinlich zu teuer”, kommentierte jemand. Die Anwohner bemängelten, dass sie nicht ernst genommen würden und man mit ihnen nicht angemessen über die Vorhaben rede.

Info zu alternativen Baustellenzufahrten: In einer Email an einen Anwohner, der uns den Inhalt übermittelte, erklärte die Verwaltung, warum die Zuwegung von Haus Brück aus nicht möglich sei. Die Brücke über die Düssel auf diesem Zuweg ist auf 30 Tonnen Last beschränkt, sodass ohne Erneuerung der der Brücke ein Baustellenverkehr dort nicht möglich sei. Planung und Umsetzung würden allerdings ebenso viel Zeit in Anspruch nehmen, wie der Brückenbau zur Schulzuwegung an der Bachstraße. Die Brücke an der Bachstraße soll nach Fertigstellung den Baustellenverkehr für den Schulneubau aufnehmen, sodass Friedrichstraße und Heiderweg wieder entlastet werden.
Ein vorhandener Weg im weiteren Verlauf über den Hof Haus Brück läge darüber hinaus nicht im Eigentum der Stadt. Hier wären, neben einer notwendigen Zustimmung des Eigentümers, die beengten Hofverhältnisse zu bedenken, sodass auch diese Möglichkeit ausschied. Andere Lösungen, wie eine Zuwegung direkt unter der Autobahnbrücke beginnend oder auch über die vorhandene Brücke Bachstraße würden auf der weiteren Zuwegung im Hochwasserschutzgebiet liegen und / oder entlang des Umspannwerks liegen. In Bezug auf das Hochwasserschutzgebiet hatte die Untere Wasserbehörde in der Vergangenheit schon einen Fuß- und Radweg abgelehnt, teilte die Verwaltung mit, sodass eine befahrbare Straße dort erst recht nicht genehmigungsfähig sei. Zudem lägen auch bei diesen Alternativen die nachfolgenden Grundstücke nicht im Eigentum der Stadt.

Planungsmöglichkeiten Baugebiet Erkrath-Nord

Im alten Plan sei eine Ringstraße für das Gebiet vorgesehen, erklärte Peter Knitsch den Besuchern. Es bestünde Planungsfreiheit für die Stadt, wenn Lärmschutz und alle Gesetze des Baugesetzbuchs eingehalten würden. Im ersten Schritt würde bei einer neuen Planung das Verfahren eingeleitet. Die Bürger würden eingebunden und es müsse auch eine förmliche Bürgerbeteiligung geben. “Nach etwas ein bis zwei Jahren wäre dann ein abschließender Beschluss zu einer Bebauung Erkrath-Nord möglich”, erklärte er das Verfahren. “Wir wollen versuchen die Versiegelung zu verhindern, aber die Erfolgschancen sind nicht groß. Dann bleibt uns nur Einfluss auf die Planung zu nehmen.”

Ein Besucher, der seit 2006 in Erkrath wohnt, berichtete, er habe sich einmal kritisch gegenüber dem Bürgermeister geäußert und eine ‘unterirdische’ Antwort erhalten. “Was kann man als Bürger eigentlich tun, wenn der Rat beschließt?” Er hatte den Bürgermeister gefragt, was mit den Hochspannungsmasten geschehen könne. Die Alternative sei unterirdisch und das sei zu teuer.

Geplanter achtspuriger Ausbau der A3

Sorgen macht den Anwohnern auch der geplante achtspurige Ausbau A3. “Die Lärmbelastung ist trotz Flüsterasphalt und Lärmschutz bei uns schon jetzt groß. Wie soll das nach einem Ausbau werden?”, merkte eine Besucherin an. Und ob ein Ausbau ohne Abriss und Neubau der Brücke überhaupt möglich sei, konnte sich auch niemand vorstellen. Annerose Rhode, die ebenfalls an der Veranstaltung teilnahm, wies auf eine online Veranstaltung der grünen Landtagsabgeordneten hin, die das Thema aufgreift und erklärte, dass die Grünen im Kreis weiter am Thema dran seien. “Ich kann Ihnen allen nur empfehlen: Gehen Sie ihren Landtags- und Bundestagsabgeordneten ‘auf den Geist'”, regte sie an sich ‘einzumischen’. Eine andere Besucherin wollte wissen, was eigentlich mit der Gink sei. “Der Platz wurde vor Jahren still gelegt und da passiert überhaupt nichts.” Genauso sähe es doch mit dem Gelände der alten Schule in der Freiheitsstraße aus.

“In den Besprechungen unter den Fraktionen war auch die Gink Thema. Sie wurde von den anderen Fraktionen aber nicht forciert”, berichtete Knitsch daraufhin. Das Mehrheitsvotum sei erst einmal auf Erkrath-Nord gefallen. Die Hauptschule sei auch erst einmal kein Thema. Sie sei nach dem Hochwasser als Überschwemmungsgebiet erkannt und ein breiterer Streifen entlang der Düssel könne künftig nicht mehr bebaut werden. Der Ausbau der A3 sei Teil des Bundesverkehrswegekonzepts, ging er auf die Fragen zum Autobahnausbau ein. Das Planfeststellungsverfahren dauere mindestens fünf bis zehn Jahre und es gäbe erheblichen Widerstand.

Wo sind die Pläne für den Hochwasserschutz?

“Ich wundere mich, dass es keine wirklichen Pläne zum Hochwasserschutz gibt. Ich habe auf mehrfache Nachfrage keine Antwort erhalten” äußerte sich ein Besucher. Er wollte wissen, wie es mit der Infrastruktur (Schulen, Kitas u.a.) bei der Beplanung des Gebiets aussähe. Und wie man sich den Baustellenverkehr vorstelle. “Ich hab das Gefühl in Erkrath wird immer alles ‘von Hinten’ aufgezäumt.” Die Verwaltung behaupte ja, den Baustellenverkehr von Haus Brück aus aufs Baugebiet zu führen, ginge nicht. “Ich kann Ihnen nur raten: Lassen Sie uns mit dieser Verwaltung nicht allein”, merkte Peter Knitsch an. Entscheidungen würden in Ausschüssen und Rat vielleicht anders ausfallen, wenn 40 oder 60 entrüstete Besucher den Sitzungen beiwohnen. “Es ist auch den anderen Parteien nicht egal, wenn viele Bürger sich einmischen.”

“Bei Fragen zum Hochwasserschutz gibt der Bürgermeister nur pampige Antworten”, drückte ein Besucher seinen Unmut aus. Bei der Infoveranstaltung in der Stadthalle sei das Credo ‘hilf Dir selbst sonst hilft Dir keiner’ gewesen. Er wohne in der Heinrichstraße und befürchte, dass durch die Geländeanhebung für den Neubau des Gymnasiums künftig sein Keller ‘absaufe’. Ein Anwohner der Friedrichstraße erklärte, dass Gespräche mit dem Bürgermeister frustrierend seien. “Wir werden nicht gehört.” Auch über den Ausbau des Rastplatz Stinderhof sorgten sich die Besucher. Die Grünen im Kreis wollen prüfen, ob das Regenrückehaltebecken ausreichend ist.

Aus den Schilderungen der Besucher war jede Menge Frustration zu entnehmen. Die Verwaltung sperre, öffne sich nicht für mögliche andere Lösungen. Erkrath sei sehr gut im Ignorieren von Gutachten, das Haushaltsoptimierungskonzept werde genauso ignoriert, wie der Schulentwicklungsplan und das Hochwasser sei ja schließlich ein 100jähriges gewesen, also weiter so … Das Motto der CDU sei: “Wir marschieren so lange es noch geht.” Den Bebauungsplan Wimmersberg bezeichnete man als ‘schöne heile Welt, die keiner bezahlen kann, abgesehen von den preisgedämpften Wohnungen’. “Im Schönreden sind die hier Weltmeister.” Von den ‘Betonparteien’ war die Rede. Die SPD gehe ja in der CDU auf.

Wie geht es weiter?

Ein Besucher ergriff beherzt das Wort und fragte in die Runde: “Und wie geht es jetzt weiter?” Er erklärte, dass es zwischen allen Sorgen und Bedenken den gemeinsamen Nenner Hochwasserschutz gäbe und der betreffe eben alle Alt-Erkrather, die 2021 vom Hochwasser betroffen waren. “Da ist doch bisher nicht wirklich etwas zum Hochwasserschutz geschehen.” Man kam überein, dass sich die Bürger zum Thema Hochwasserschutz zusammenschließen und versuchen wollen sich für einen besseren Hochwasserschutz in Alt-Erkrath einzusetzen. Peter Knitsch bot an, dass die Grünen bei Fragen gerne unterstützen und erklärte, dass ganz viele Informationen zu dem was beschlossen wurde oder künftig auf den Tagesordnungen von Ausschüssen und Rat stehe, im Ratsinformationssystem zu finden sei.

Initiative für mehr Hochwasserschutz in Alt-Erkrath: Einer der anwesenden Bürger erklärte sich bereit per Email erst einmal Ansprechpartner für alle zu sein, die sich einer Initiative für mehr Hochwasserschutz in Alt-Erkrath anschließen wollen. Ein weiterer bot Unterstützung an, um den Informationsfluss aufrecht zu erhalten und gemeinsam zu überlegen, wie man sich einsetzen kann. Interessenten, die mitwirken möchten, können sich per Email an nobby.voss@t-online.de melden.

2 Kommentare

  1. Vielen Dank für den ausführlichen Bericht über diese Veranstaltung. Es zeigt sich leider, die Grünen sind die einzige Partei im Stadtrat die den Bürgern ein Forum bieten um sich über den mangelnden Hochwasserschutz in Alt-Erkrath auszutauschen und sich zu organisieren. Bis zur nächsten Kommunalwahl haben die Bürger der Stadt Erkrath Zeit sich zu überlegen wen sie wählen sollten um beim Hochwasserschutz in Zukunft besser zu werden. Leider setzt sich nur eine Partei ernsthaft damit auseinander. Das was im Juni 2021 passiert ist wird uns schneller nochmal passieren als sich viele vorstellen wollen.

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