Braucht Erkrath eine Gesamtschule?

von Ria Garcia

Symbolbild Klassenzimmer - Foto: Wokandapix / Pixabay

25 Plätze an der Gesamtschule in Hilden sind seit 2018 für Erkrather Kinder in jedem neuen Schuljahr sichergestellt, aber diese Vereinbarung soll nun laut mehrheitlich gefasstem Beschluss gekündigt werden.

Im Rahmen des freiwilligen Haushaltssicherungskonzeptes, mit dem eine Anhebung der Grundsteuer verhindert werden sollte, steht aktuell vieles auf dem Prüfstand. Zwar ist eine Beratung mit der Erarbeitung von Vorschlägen beauftragt, aber schon jetzt bemüht sich die Verwaltung Sparpotentiale ausfindig zu machen. Die Vereinbarung mit der evangelischen Landeskirche, die seit 2018 in jedem Jahr 25 Plätze für Erkrather Kinder an der Gesamtschule in Hilden sicherstellt, ist eine solche Sparmöglichkeit.

Vor der Sommerpause wurde bereits im Schulausschuss heftig diskutiert. Schließlich entschloss sich eine Mehrheit dazu, den Sparvorschlag abzulehnen. Im Haupt- und Finanzausschuss tauchte der Tagesordnungspunkt schließlich wieder auf der Tagesordnung auf, da sich die Fraktionsmitglieder und sachkundigen Bürger der BmU nicht einige waren. Mit den Stimmen der BmU fand der Vorschlag dann im Haupt- und Finanzausschuss eine Mehrheit. Dagegen legte wiederum ein Teil der Ausschussmitglieder Widerspruch ein, sodass das Thema schließlich im Rat erneut auf der Tagesordnung stand.

„Das Angebot ist heute vollkommen anders, als bei Abschluss der Vereinbarung“ argumentierte Bernhard Osterwind von der BmU im Haupt-und Finanzausschuss, warum seine Fraktion nun doch der Verwaltungsvorlage aus dem Schulausschuss zustimmen wolle. Damals hätte es die Gesamtschulen in Haan und Mettmann noch nicht gegeben, führte er aus. Dadurch hätte sich die Situation entspannt und es gäbe genügend Plätze für Erkrather Kinder an umliegenden Gesamtschulen. Peter Knitsch erinnerte noch einmal daran, warum es in Erkrath keine Gesamtschule gibt: „CDU, FDP und BmU haben eine verbindliche Elternbefragung abgelehnt.“ Die Vereinbarung sei geschlossen worden, um Eltern und Schülern eine Sicherheit zu geben, was Plätze an der Gesamtschule in Hilden beträfe. „Wenn es nach mir ginge, würden wir die Eltern befragen.“

Argumente für die Kündigung der Vereinbarung waren unter anderem auch, dass die Gelder nicht der Gesamtschule in Hilden zu Gute kämen, sondern bei der Landeskirche verbleiben. „Wenn wir die Diskussion jetzt schon so führen, wird das mit der freiwilligen Haushaltssicherung nie etwas. Es wird kein Auge trocken bleiben“, warnte Bernhard Osterwind nicht die Sparpotentiale zu nutzen, die sich anbieten. Im Haupt- und Finanzausschuss stimmten dann schließlich, außer Grünen und SPD alle für die Aufkündigung der Vereinbarung zum Schuljahr 23/24.

Der Widerspruch und das Thema in der Ratssitzung

Der Widerspruch einiger Ratsmitglieder brachte die Entscheidung dann im Rat erneut auf die Tagesordnung. Barbara Geiss-Kuchenbecker hatte sich inzwischen mit dem Schulträger der Gesamtschule in Hilden ausgetauscht und berichtigte die Aussage, dass das Geld der Stadt Erkrath nicht bei der Gesamtschule ankäme. Sie hatte mit der Juristin der Landeskirche gesprochen, die 2018 den Vertrag aufgesetzt hatte. Da kirchliche Schulen nicht gesamt durch den Staat finanziert werden, hätte man die Gelder natürlich zu Refinanzierung der Kosten eingesetzt, die der Schulträger, die Evangelische Landeskirche, selbst tragen muss. „Sie war erstaunt, dass niemand das Gespräch mit dem Vertragspartner gesucht habe“, berichtete Geiss-Kuchenbecker aus dem Gespräch. Beigeordneter Michael Pfleging erwiderte darauf, dass man ‚keine Pferde habe scheu machen wollen‘, weil die Entscheidung ja erst im Ausschuss, bzw. im Rat hätte getroffen werden müssen. Das allerdings, so äußerten sich einige Ratsmitglieder, hätte bedeutet, dass man den Schulträger vor vollendete Tatsachen stellt.

Das störte auch Bernhard Osterwind, was aber letztendlich nichts an der Entscheidung der BmU entgegen dem Abstimmverhalten im Schulausschuss für die Kündigung des Vertrages zu stimmen, änderte. „Sollte sich im nächsten Jahr wieder eine Knappheit andeuten, können wir eine neue Kooperationsvereinbarung schließen“, hielt er die Option offen, dass man zu einem späteren Zeitpunkt erneut entscheiden könne. Detlef Ehlert empfand das Verhalten und die Kündigung der Vereinbarung als ‚unanständig‘. Auch er kritisierte, dass es nie eine verbindliche Elternbefragung zur Gesamtschule gegeben hätte.

Ralf Lenger bezeichnete die noch bestehende Vereinbarung als Subventionierung einer Schule. „Wir kaufen uns frei.“ Er glaube nicht, dass Hilden Schüler aus Erkrath künftig ablehne, nur weil es keine Vereinbarung mehr gäbe. Sandra Gehrke erinnerte daran, dass die inhaltliche Diskussion des Tagesordnungspunkts im Schulausschuss stattfinden sollte. „Jetzt sitzen wir hier und die BmU erweist sich als das ‚Zünglein an Waage‘, dessen Stimmen über Kündigung oder Erhalt der Kooperation entscheiden.“ Erkrath sei fast die letzte Stadt im Kreis, die keine eigene Gesamtschule bietet und jetzt solle auch noch die Sicherheit genommen werden, einen Gesamtschulplatz in Hilden zu bekommen. „CDU, FDP: Sie wollen den Elternwillen ja gar nicht wissen.“ Wolfgang Cüppers wies darauf, dass das bestehende Schulsystem zerschlagen werde, wenn bei einer Elternbefragung 112 Eltern sich für eine Gesamtschule entscheiden. „Die Hauptschule würde kippen“, prognostizierte er.

Der Widerspruch gegen die Entscheidung aus dem Haupt- und Finanzausschuss wurde schließlich mit einer Mehrheit von CDU, BmU, FDP und AfD zurückgewiesen, was bedeutet, dass die Kooperation mit Hilden aufgekündigt wird.

Anmeldezahlen an Erkrather Schulen

Im Schulausschuss wurden Zahlen präsentiert, die auch die Anmeldezahlen Erkrather Schüler für das kommende Schuljahr an den Gesamtschulen in Hilden (11), Haan (11) und Mettmann (3) enthalten. Die Summe der Gesamtschulanmeldungen entspricht den bisher sichergestellten Plätzen in Hilden, nur verteilen sich die Schüler jetzt auf die drei Städte im Umkreis. Die Wahl der unterschiedlichen Gesamtschulen sei auch der räumlichen Nähe geschuldet, hieß es in der Ratssitzung.

Wie viele Eltern versucht haben, ihre Kinder an Düsseldorfer Gesamtschulen anzumelden und vielleicht keinen Platz erhalten haben, bleibt darin offen. Im letzten Schuljahr fanden zwei Kinder aus Erkrath einen Platz an einer Düsseldorfer Gesamtschule.

Michael Pfleging machte in der Ratssitzung darauf aufmerksam, dass sich die Zahlen bis Schuljahresbeginn durch Umzüge oder spätere Anmeldungen noch verändern können.

Trend der Schulentwicklung in Deutschland

Die Zahl der Hauptschulen hat sich von 5.387 in 2002 auf 1.818 im Jahr 2020 verringert. Die Zahl der Realschulen hat im gleichen Zeitraum von 3.014 auf 1.752 abgenommen. Zwar gab es auch bei den Gymnasien vorübergehend einen Trend zu Abnahme (von 3.154 im Jahr 2002 auf 3.074 im Jahr 2008), aber mit 3.146 Gymnasien erweist sich die Schulform, als einzige im dreigliedrigen Schulsystem als relativ stabil. Die Zahl der Gesamtschulen ist im gleichen Zeitraum förmlich ‚explodiert‘. Waren es 2002 noch 777 Gesamtschulen, sind es 2020 schon 2.141. (Quelle der Zahlen: Statistisches Bundesamt, aufbereitet durch de.statista.com)

Und wie ist der Trend in Erkrath?

Mit jeweils zwei Gymnasien und zwei Realschulen und darüber hinaus der letzten Hauptschule im gesamten Kreis Mettmann ist Erkrath im bisherigen dreigliedrigen Schulsystem gut aufgestellt. Dass sich die Hauptschule hier weiterhin gehalten hat, spricht sicher für die Qualität der Schule, aber der allgemeine Trend in Deutschland spricht gegen die Schulform. Auch die Realschulen in Erkrath und Hochdahl müssen sich aufgrund der Anmeldezahlen noch keine Sorgen, um den weiteren Bestand machen. Und die Gymnasien erreichen, wie auch im Deutschlandtrend, genügend Anmeldungen, sind nicht zuletzt auch von Schülern aus Nachbarstädten gefragt.

Eine Gesamtschule gibt es in Erkrath nicht. Schlüsse darauf, wie viele Eltern sich einen Platz an einer Gesamtschule für ihre Kinder gewünscht hätten, lassen sich aus den Vorlagen der Verwaltung nicht wirklich ziehen, denn sie enthalten keine Zahlen dazu, ob Kinder an Düsseldorfer (oder anderen) Gesamtschulen abgelehnt wurden und nun alternativ hier in Erkrath eine der weiterführenden Schulen besuchen. Zahlen gibt es nur über angenommenen Schüler in Haan, Hilden und Mettmann.

Braucht Erkrath eine eigene Gesamtschule?

Die Frage lässt sich wohl ohne verbindliche Elternbefragung nicht beantworten. Mit insgesamt fünf weiterführenden Schulen ist Erkrath gut aufgestellt und Kinder müssen nicht auspendeln, um einen Platz an einer weiterführenden Schule zu finden, es sei denn … sie möchten eine Gesamtschule besuchen.

In Mettmann ging im letzten Jahr eine Gesamtschule an den Start. 2013 lief aufgrund sinkender Anmeldezahlen die Hauptschule aus. Der Rat hatte es so beschlossen. Ziel war es alternativ eine Sekundarschule zu gründen. Die erreichte schließlich aber nicht die notwendigen Anmeldungen. Fortan mussten Jahr für Jahr Schüler, die zwei bis drei Schulklassen gefüllt hätten, in andere Städte auspendeln, weil sie keinen Platz an einer weiterführenden Schule in Mettmann fanden. Mettmanner Eltern mussten dennoch viele Jahre darauf warten, dass die Gesamtschule an den Start gehen konnte. Erst nachdem sich eine Bürgerinitiative dafür eingesetzt hatte, ging es voran. Die Ausgangssituation war also eine deutlich andere, als sie sich heute in Erkrath darstellt.

Braucht Erkrath also mittel- bis langfristig gar keine Gesamtschule?
Je nach Wohnort innerhalb von Erkrath sind die Gesamtschulen Haan, Hilden und Mettmann mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar. Auch einige Gesamtschulen in Düsseldorf sind gut erreichbar, deren Aufnahmekapazität, so hört man, sei aber inzwischen auch sehr begrenzt.
Wünschen sich die Eltern in Erkrath eine Gesamtschule in der Stadt?
Die Fragen können ohne eine verbindliche Elternbefragung wohl nicht beantwortet werden, aber vielleicht mögen uns ja einige Eltern, deren Kinder demnächst eine weiterführende Schule besuchen werden, ihre Meinung dazu schreiben.

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