
Am 7. Januar ist die Bezahlkartenverordnung in NRW in Kraft getreten. Auch in Erkrath müssen sich Verwaltung und Rat damit auseinerander setzten. Bedeutet die Karte höhere Kosten und Personalmehraufwand für die Stadt? Entstehen Nachteile für Geflüchtete?
Einer der Tagesordnungspunkte im Integrationsrat und im Ausschuss Soziales und Wohnen ist in dieser Woche ‚Einführung Bezahlkarte für geflüchtete Menschen in NRW‘. Auf vier Seiten berichtet die Verwaltung über den derzeitigen Wissensstand, über die Teilnahme von Verwaltungsmitarbeitern an einer Informationsveranstaltung des Landes, über die Möglichkeit der Kommunen die Opt-Out-Regelung (sich gegen die Einführung zu entscheiden) Gebrauch zu machen und darüber, dass viele Fragen noch offen sind. Bisher lautet der Beschlussvorschlag deshalb auch lediglich den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.
12 Millionen Euro hat das Land NRW in diesem Jahr für die Einführung und den Betrieb in den Haushalt eingestellt. Nach dem 7. Januar sollte die SocialCard, wie sie genannt wird, zuerst in den fünf Regierungsbezirken in je einer Landeseinrichtung eingeführt werden und so die bisher einmal in der Woche erfolgte Bargeldausgabe ersetzten. Innerhalb von drei Monaten soll der Prozess dann über die 50 derzeit betriebenen Landeseinrichtungen ausgerollt werden. Mit Blick auf die bisher wöchentlich erfolgten Bargeldauszahlungen dürfte die Bezahlkarte auf Landesebene eine Entlastung darstellen. Ab dem zweiten Quartal soll die Bezahlkarte dann in den Kommunen eingeführt werden. Anders als in den Landeseinrichtungen dürfte die Einführung der Bezahlkarte in den Kommunen zu Mehraufwand führen.
Opt-Out-Regelung für Kommunen
In der Pressemitteilung der Landesregierung heißt es: „Kommunen haben gleichwohl die Möglichkeit, an vor Ort bereits etablierten Systemen festzuhalten. Dies ermöglicht die sogenannte Opt-Out-Regelung.“ Hier mag man sich fragen, warum diese Opt-Out-Regelung vorgesehen wurde. Liegt es am Konnexitätsprinzip, das vereinfacht besagt „Wer bestellt, bezahlt“? Anders formuliert, ist die Staatsebene, die über eine Aufgabe entscheidet auch für die Finanzierung zuständig. Schreibt das Land also den Kommunen die Einführung vor, müsste es – theoretisch – auch für entstehende Mehrkosten aufkommen. Bei ProAsyl ist nachzulesen, dass in Berlin Kosten von fünf Millionen Euro statt wie bisher 366.000 Euro für die Ausgabe der Sozialleistung veranschlagt werden.
Bereits im Februar 2024 hatte die FDP Fraktion das Thema Bezahlkarte mit einem Antrag in die Gremien gebracht und die Erstellung eines Konzepts für die Einführung der Bezahlkarte angeregt. Darin hieß es unter anderem: „Die Pilotversuche sind ermutigend und die Bezahlkarten können gegenüber der Bargeldauszahlung Bürokratie einsparen.“ Der Sachdarstellung der Verwaltung war jedoch zu entnehmen, dass es in Erkrath eigentlich keine Bargeldauszahlungen gibt und die ‚Pilotversuche‘ mussten sich teils schon mit Klagen auseinandersetzen, wie an zwei Beispielen im Bericht der Verwaltung nachzulesen war.
Aktuelle Situation in Erkrath
In Erkrath werden die Leistungen nach dem AsylbLG größtenteils direkt auf die Girokonten der Leistungsberechtigten überwiesen. Sollte noch kein Girokonto zur Verfügung stehen, werden die Leistungen per Scheck ausgezahlt. Für besondere Leistungen werden in Einzelfällen Warengutscheine ausgestellt, was mit den Leistungsberechtigten vorab abgestimmt wird. Diese können dann in Geschäften
eingelöst werden. | Beschlussvorlage 58/2024 vom 13.02.2024
Der Antrag wurde schließlich in der Ratssitzung im Juli 2024 zurückgezogen, um die weitere Entwicklung in Bund und Land abzuwarten. Mit der Verordnung zur flächendeckenden Einführung einer Bezahlkarte im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) (Bezahlkartenverordnung NRW-BKV NRW) die Voraussetzungen für die mögliche Einführung auch in Erkrath jetzt vor, aber es sind immer noch viele Fragen offen und einiges in der Verordnung selbst lässt ahnen, dass es ’schwierig‘ wird. Neu zugewiesene Geflüchtete kommen künftig mit der vom Land ausgestellten Bezahlkarte nach Erkrath, während die, die schon länger hier sind, in der Regel ein Girokonto (Basiskonto) haben, für das Kontogebühren anfallen, ob nun Überweisungen darauf erfolgen oder nicht.
Wenn diese Menschen dann aufgrund der Bezahlkarte ihr Konto kündigen, um Kosten zu vermeiden, wird es spannend, wenn sie eine Beschäftigung aufnehmen, bei der sie die Gerinfügigkeitsgrenze erreichen und mehr als drei Monate arbeiten oder wenn sie eine Ausbildung aufnehmen. Dann würden sie aus der Bezahlkarte ‚herausfallen‘ und bräuchten auf jeden Fall wieder ein Konto. Es ist schwer abzuschätzen, wie sich die Geflüchteten hier verhalten. Sie müssten, um das Konto zu erhalten, ja regelmäßig Geld darauf überweisen, um die Kontogebühren zu decken. Können sie mit der Bezahlkarte überweisen? Oder müssen sie dann von dem wenigen, ihnen zustehenden Bargeld etwas auf das Konto einzahlen?
Barleistungsgrenzen und Mehrbedarfe
Schon das Beispiel zur Beschäftigung zeigt auf, dass es nicht wirklich danach aussieht, dass die Verwaltung durch die Bezahlkarte entlastet wird. Eines der Hauptargumente in der Diskussion um die Einführung der Bezahlkarte war die Sendung von erhaltenen Leistungen ins Ausland. ‚Die Zeit‚ berichtete über eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, das herausfand: „Nur sieben Prozent der Geflüchteten senden Geld aus Deutschland ins Ausland – Tendenz sinkend.“ Auch die Süddeutsche Zeitung berichtete darüber und zitierte: „Die Vorstellung, „dass Geflüchtete, die auf Grundsicherung angewiesen sind, in großem Umfang Geld ins Ausland schicken, entbehrt jeder empirischen Grundlage“.
Was sagt die Verordnung des Landes zu Bargeld?
§ 5 Bargeldauszahlung
(1) Bei der Leistungsgewährung gemäß § 3 ist es jedem und jeder Leistungsberechtigten zu ermöglichen, sich je Kalendermonat eine Summe in Höhe von 50 Euro als Barleistung auszahlen zu lassen (Barleistungsgrenze). Hiervon kann zu Gunsten des oder der Leistungsberechtigten bei Vorliegen berechtigter Mehrbedarfe nach oben abgewichen werden.
(2) Sofern die Aufwandsentschädigung nach § 5 Absatz 2 AsylbLG auf die Bezahlkarte ausgezahlt wird, erhöht sich die Barleistungsgrenze entsprechend.
„Als Barleistung auszahlen zu lassen …“ Wo das erfolgt, legt die Verordnung nicht fest. Inhaber der Bezahlkarten können sich die 50 Euro am Automaten oder an der Kasse bei Discounter auszahlen lassen. Das monatliche Limit ist über die Karte geregelt. Allerdings kann es auch ‚begründete Mehrbedarfe‘ geben, die dann wohl im Einzelfall beantragt und gewährt werden müssen. Für Barabhebungen fallen möglicher Weise auch Gebühren am Automaten an oder es ist ein Mindesteinkaufswert im Geschäft zu erreichen, damit an der Kasse Bargeld ausgezahlt wird.
Recherchierter Mindesteinkaufswert für Bargeldabhebungen laut Homepage der Ketten:
Rewe: ab 0,01 Euro Einkaufswert | dm: „ab dem ersten Produkteinkauf“ | Aldi und Lidl: ab 5 Euro Einkaufswert | netto und Rossmann: ab 10 Euro Einkaufswert | Edeka: ab 20 Euro Einkaufswert
Allerdings sind auf der SocialCard-Homepage Rewe und Lidl noch nicht für Bargeldabhebungen aufgeführt. Dort sind lediglich Netto, Markant, Familia, Aldi Süd und Aldi Nord im Lebensmittelbereich genannt und die Drogeriemärkte dm, Müller und Rossmann.
Klagen gegen die Bezahlkarte
In einigen Bundesländern ist die Bezahlkarte schon länger ‚Alltag‘. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF, Berlin) und ProAsyl haben nach der Einführung verschiedene Klagen eingereicht, von denen einige erfolgreich waren. Auf der Homepage der GFF finden sich FAQs zur Bezahlkarte und eine Übersicht zu den geführten Klagen. In den FAQs wird unter Punkt 9 mit der Frage „Führt die Bezahlkarte zu einer Verwaltungserleichterung?“ auch auf Mehraufwand in den Kommunen eingegangen.
Die gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender in Münster hat sich inzwischen mit der Verordnung hier in NRW befasst und ‚Schwachstellen‘ benannt.
Entscheidungsfindung in Erkrath
Gestern wurde Beschlussvorlage 28/2025 zur Einführung der Bezahlkarte im Integrationsrat diskutiert. In der Sachdarstellung weist die Verwaltung darauf hin, dass etwaiger Opt-Out-Beschluss des Rates bis zu den Osterferien erfolgen sollte. Den Antrag für eine Opt-Out-Regelung stellte Detlef Ehlert (SPD) noch bevor Peter Knitsch (Grüne) ihn äußern konnte. Mit zwei Gegenstimmen entschied sich der Integrationsrat für die Opt-Out-Regelung. Allerdings fehlten Vertreter einiger Parteien. Heute steht die Beschlussvorlage auf der Tagesordnung des Ausschuss für Soziales und Wohnen. „Wir wiederholen den Antrag gleich im Ausschuss für Soziales und Wohnen. Der Rat soll dann später beschließen, dass die Bezahlkarte hier nicht eingeführt wird“, sagte uns Detlef Ehlert heute.
Eine Opt-Out-Regelung müsste der Rat bis zu den Osterferien beschließen, wie der Verwaltungsvorlage zu entnehmen war. Es wird spannend zu verfolgen sein, wie sich die einzelnen Fraktionen positionieren.
Kommentar: Mehr Personalaufwand und zusätzliche Kosten ist eigentlich etwas, was die Stadt Erkrath aktuell nicht wirklich brauchen kann. Um nicht in die Gefahr eines Haushaltssicherungskonzept zu geraten wird bereits vom möglichen globalen Minderaufwand in Höhe von 2 Prozent (pauschale Kürzung aller Leistungen, bei denen das möglich ist) Gebrauch gemacht und die steigende Kreisumlage aufgrund Gewerbesteuerausfälle in der Stadt Monheim machen einen ausgeglichenen Haushalt auch für die kommende Zeit schwierig.
Abgesehen von der Stigmatisierung, die die Bezahlkarte allein dadurch auslöst, dass Menschen künftig an der Kasse beim Einkauf als Asylbewerber erkennbar sind, gibt es offensichtlich auch für die Kommunen wenig bis gar keine Vorteile durch die Einführung.
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