
Eines von Hobbyhistoriker Karl-Heinz Kieckers Steckenpferden ist die Militärgeschichte. Bei seinen Recherchen stieß er auf einen kleinen Schatz, eine mehrseitige handschriftliche Akte zu einer Kaserne. In einem Kurzvortrag erfuhren die Besucher des BGV-Stammtischs im März mehr darüber.
Für den Stammtisch des Bergischen Geschichtsvereins Erkrath hatte Karl-Heinz Kieckers die Inhalte der Akte mit Konstruktionsplänen von 1808, die Hanna Eggerath freundlicher Weise für ihn transskribiert hatte, aufbereitet und mit allerhand Wissen ums Militär und die Gendarmerie dieser Zeit bereichert. Gefunden hatte er die Akte im Stadtarchiv in Wuppertal. Sie enthielt die Konstruktionspläne für den Umbau des Elberfelder Amtshauses auf der Aue, das 1809 in eine Kaserne für die berittene Gendarmerie umgebaut und dabei auch erweitert wurde.
Mit Landjägern sind nicht die Würstchen gemeint
Zuerst einmal tauchte Kieckers mit seinen Zuhörern tief in die damalige Zeit ein. „Als Joachim Murat 1806 durch Napoléon zum Großherzog von Berg ernannt wurde, herrschte im Land ein ziemliches Durcheinander und die Innere Sicherheit war kaum gewährleistet. Die Polizeitruppe bestand aus Bergischen Landjägern, Jülicher Landdragonern, einigen Pensionären und zwei Offizieren“, berichtete er. Mit Landjägern seien dabei nicht die Würstchen gemeint, erklärte er den Stammtischbesuchern, was promptes Gelächter zur Folge hatte. Zur genannten bunten Truppe seien später noch 25 Dillenburger Husaren gekommen, sodass die Truppe aus knapp 100 Mann bestanden habe, von denen ein Drittel beritten war.
Eigentlich wollte Murat die Gruppen zu einer einheitlich uniformierten und organisierten Gendarmerie zusammenführen, aber bereits Mitte 1808 wurde er von Napoléon zum König von Neapel ernannt. Gleichzeitig wurde Napoléon als französischer Kaiser nominell auch Großherzog von Berg, was zur Folge hatte, dass überwiegend französische Beamte die Staatsgeschäfte in Berg übernahmen. „Noch waren die Gendarmen in kleinen gemischten Gruppen im ganzen Land verstreut stationiert und logierten dort auf Kosten der Gemeinden. Zunächst wurde die Gendarmerie personell aufgestockt und nach französischem Vorbild uniformiert“, erklärte Karl-Heinz Kieckers den Zuhörenden. Es habe aber eine schnelle Eingreiftruppe gefehlt. Ab 1808 wurden dann rein berittene Einheiten gebildet und in den wichtigsten Städten stationiert. Dies geschah aufgrund einer Ministerialverordnung. Geeignete Unterkünfte für diese Truppen fehlten indes und so wurden die Provinzialräte der Bezirke mit dem Ankauf und Umbau solcher Unterkünfte betraut.
So kam es auch in Elberfeld. Stadtdirektor Schleicher erhielt die Anforderungen. Das ehemalige Amthaus auf der Aue sollte künftig als Verwaltungssitz und Unterkunft für bis zu acht Reitern unter einem Brigadier dienen. „Mit seiner Nähe zur Stadtmitte einerseits und der Lage an der Wupper andererseits waren die Gegebenheiten theoretisch ideal. Ob sich der Fluss allerdings als Pferdetränke eignete, ist zu bezweifeln. Lagen doch flussaufwärts zahlreiche Bleicherbetriebe und Färbereien, welche ihre Abwässer direkt in die Wupper leiteten“, führte Kieckers in seinem Vortrag aus. Karl-Heinz Kieckers beschrieb die Umbaumaßnahmen, die der gefundenen Akte zu entnehmen waren. Das Untergeschoss war davon offensichtlich nicht betroffen, denn es ist in den Plänen nicht näher beschrieben. Das Obergeschoss sollte in vier Räume eingeteilt werden, das Dachgeschoss war in zwei Räume und zwei Gefängniszellen unterteilt. „Das war natürlich schlau. Wenn Gefangene ausbrechen wollten, mussten sie erst ungesehen ins Untergeschoss gelangen“, erklärte Kieckers. Er beschrieb noch notwendige Materialen und Arbeiten für den Umbau. Auch die Kosten konnte er, dank der Akte, nennen. 160 Reichstaler waren veranschlagt. „Das entspricht heute etwa 2.000 Euro, den rapiden Wertverfall des Bergischen Talers kurz vor Einführung des Franc 1809 nicht eingerechnet“, ließ er seine Zuhörer wissen.
Neben dem Umbau des Amthauses war auch der Neubau von Stallungen im hinteren Teil des Grundstücks geplant, denn die Einheit sollte beritten sein. Zwei detailgetreue Entwürfe lagen dafür vor, in die sogar die Tröge für die Pferde eingezeichnet waren. Sie enthielten im Zwischengeschoss Lagermöglichkeiten für Futter und im Dachgeschoss für Heu. Sogar eine Klappfalltür, durch die der Pferdemist direkt in eine außenliegende Düngegrube geschoben werden konnte, war geplant. Im hinteren Teil war auch ein Abort für die Mannschaften geplant, der weniger komfortabel erreichbar war. „Die mussten um die Stallungen herumgehen, um dort hinzugelangen“, erklärte Kieckers, der noch weitere Details der beiden Entwürfe verriet. Aufgefallen war ihm, dass es keine Halterungen für Sättel oder eine Sattelkammer gab. „Da die Reiter dafür persönlich verantwortlich zeichneten, nahmen sie diese vermutlich zur Sicherheit mit in ihr Quartier.“
Verriet die Akte auch viel über die Planung, ob sie in die Realität umgesetzt wurden und welcher Entwurf der Stallungen übernommen wurde, ist nicht bekannt. Der gesamte Gebäudekomplet sei leider nicht erhalten geblieben, erklärte Kieckers. Wie berittene Gendarme in der Folgezeit eingesetzt wurden, ist indes überliefert. Sie waren überwiegend für die Ergreifung von Deserteuren und Refraktären (Personen, die sich durch Flucht der Rekrutierung entzogen) zuständig. „Die Elberfelder Gendarmen machten von sich reden, als sie gemeinsam mit 50 Mann der regulären Kavallerie im Januar 1813 die Zusammenrottung von rund 1.000 sogenannten ‚Knüppelrussen‘ und aufgebrachten Bürgern auf dem Elberfelder Neumarkt ohne größeres Blutvergießen zersprengten“, schloss Karl-Heinz Kieckers seinen unterhaltsamen Vortrag.
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