
Mit der Vernissage am vergangenen Freitag öffnet im KunsTHaus Erkrath die neue Ausstellung der Künstlerinnen Anna Owsiany-Masa und Elisabeth Lasche. Die Ausstellung mit dem Titel ‚Zeit zur Neige‘ ist eine Hommage an unseren blauen Planeten.
„Mit diesem Titel haben die Künstlerinen Elisabeth Lasche und Anna Owsiany-Masa in ihrer gemeinsamen Ausstellung den Nerv der Zeit getroffen. Nicht nur, dass das Thema aufgrund der Wetterkapriolen aktueller nicht sein kann, sie liefern mit ihrer Ausstellung auch viel Gesprächs- und Diskussionsstoff“, ließ Wolfgang Sendermann die zahlreichen Besucher am Freitagabend in seiner Begrüßungsrede wissen. Der Kontakt zwischen Elisabeth Lasche und Anna Owsiany-Masa entstand durch den ‚Künstleraustausch der Produzentengalerie Bielefeld und dem KunsTHaus Erkrath‘. Nach einer Gastausstellung Kunstschaffender der Produzentengalerie Bielefeld im Mai 2022, die den passenden Titel ‚Nicht nur Pudding‘ trug, revanchierten sich fünf Kunstschaffende des Förderkreis Kunst und Kulturraum Erkrath bereits mit einer Ausstellung mit dem Titel ‚Kunstfrisch vom Neandertal‘ in Bielefeld. Darüber kamen Anna Owsiany-Masa und Elisabeth Lasche näher in Kontakt. „Anna und ich korrespondieren unglaublich gut“, sagt uns Elisabeth Lasche später während der Vernissage und das wird in der Ausstellung auch sichtbar.
Musikalische Begleitung der Vernissage
Passender zur Ausstellung der beiden Künstlerinnen hätten sie die Musik kaum wählen können. Wir haben für alle, die am Freitag nicht dabei sein konnten, zwei Stücke von Amber in ‚t Veld (Gesang & Gitarre), Marieke Werner (Klarinette & Gesang) und Matensz Malcharek (Kontrabass) im Video festgehalten. Eins fügen wir hier ein, das zweite kann über unseren YouTube-Kanal aufgerufen werden.
Die Künstlerinnen und der Titel der Ausstellung
In Ihrer Rede greift die Künstlerin und Kunsthistorikerin Mona Schäfer den Titel der Ausstellung auf, spricht von der verbleibenden Restzeit, die Mensch und Natur noch verbleiben, vom Einfluss des Menschen auf die Erde. „Als Gast auf dem Blauen Planeten ist der Mensch schon lange dabei, seinen biblischen Auftrag (Genesis 1 ,28) im Umgang mit der Erde so überbrieben und falsch auszuführen, dass er –bedingt durch seinen ewigen Fortschrittsglauben– neben der Vernichtung von Tieren und Pflanzen auch für seinen eigenen Suizid die Verantwortung trägt.“

zur Vernissage. Foto: RG
Während der erste Teil Ihrer Rede sich vor allem dem Einfluss des Menschen auf die Entwicklung unseres Planeten widmet, geht sie im weiteren Verlauf auf die Beziehung und Sprache von Kunst zur Reflektion menschlichen Handeln und der Möglichkeit dies zu verändern ein. Als Beispiel nennt sie Joseph Beys und die Documenta 2022 in Kassel. Dann kommt sie auf die beiden ausstellenden Künstlerinnen, deren Kontakt sich nach den Gemeinschaftsausstellungen im KunsTHaus Erkrath und der Produzenten-Galerie Bielefeld vertieft hatte. Anna Owsiany-Masa nahm als Gastkünstlerin auf dem Atelierplatz von Elisabeth Lasche 2023 an den offenen Ateliers in Bielefeld teil und wurde dort auf das von Elisabeth Lasche im Coronajahr 2020 geschriebene Buch ‚Zeit zur Neige‘ aufmerksam. Der Buchtitel, so Lasche, war wiederum inspiriert durch ein Gedicht von Antje Doßmann, das diesen Titel trug.
Dass die beiden Künstlerinnen, wie Elisabeth Lasche sagte, so unglaublich gut korrespondieren, mag auch an einigen Parallelen liegen. Beide sind 1953 geboren, beide entschieden sich für ein Kunst- bzw. Designstudium und beiden gemeinsam ist ein thematisches Interesse an zeitlichen Übergängen, die von Vergänglichkeit und Abschied erzählen, gleichzeitig aber auch Hoffnung beinhalten. ‚Zeit zur Neige‘ auch als Titel für die gemeinsame Ausstellung, die die beiden selbst kuratiert haben, zu wählen, war deshalb naheliegend.
Elisabeth Lasches Werke in der Ausstellung
Elisabeth Lasche hat Ihr Großbuch ‚Suchet der Stadt Bestes‘ für die Ausstellung ausgewählt, das eine ganz eigene Geschichte zum Zeitgeschehen hat. 2001 stellte sie in der Kirche St. Jakobi in ihrer Heimatstadt Hildesheim auf 100 Quadratmetern in A0 Format Siebdrucke von je einem Kanaldeckel aus der Stadt aus. Den Ausstellungstitel steuerte der hiesige Pfarrer bei: Suchet der Stadt Bestes. „Mit dem ironisch-schmutzigen Hintergedanken, dass wir nicht unter die Kanaldeckel schauen, um unsere Hinterlassenschaften zu bestaunen, können wir ja mit unseren Füßen einfach drüber laufen“, beschrieb Mona Schäfer in ihrer Rede. Als „Gehvorlage“ gestartet, wurde die Installation quasi „Zeitzeuge“ von 9/11 später zur Kunstaktion. „Wir haben sie am Tag nach dem 9.11.2001 als Malvorlagen für Kinder, Jugendliche und Auszubildende genutzt“, erzählt uns Elisabeth Lasche. Aus den Bildern entstand schließlich das Großbuch, ergänzt um Texte, deren Herkunft im vorderen Buchteil erklärt ist. „Ich bin Linkshänderin und kann deshalb nicht kaligrafieren“, erklärt uns Elisabeth Lasche, dass andere die Niederschrift übernommen haben und sie dann die Gestaltung des Buchs vorgenommen hat.
Elisabeth Lasches Bodenbilder lenken den Blick von den Kanaldeckeln auf den Flickenteppich asphaltierter Straßen. Es war der Blick auf die Straße vor ihrem ehemaligen Atelier, der Inspiration für diese Werke war. In einem Projekt mit dem Namen Straßenbilder hat die Künstlerin über Jahre Untergründe fotodokumentiert. Später entstanden daraus unter anderem die in der Ausstellung präsentierten Bilder.
Die Waldstücke, insgesamt fünf Bilder, die bereits 2016 entstanden, zeigen auf eine ganz eigene Art Veränderung. Ursprünglich waren sie in eher dunklen Brauntönen aus Sand und Acrylfarbe entstanden. In Form eines Kreuzes waren sie in einer Kapelle der Neustädter Kirche in Bielefeld ausgestellt. Später, mit helleren Farben übermalt, haben die Bilder einen hoffnungsvolleren Charakter erhalten und lassen sich mehr mit dem in den Wald einziehenden Frühling assoziieren. Wie sehr das Großbuch und die Waldstücke mit dem eigenen künstlerischen Weg verwoben sind, zeigt sich am ehesten darin, dass beide unverkäuflich sind, wie Elisabeth Lasche uns verriet. Käuflich erwerben können Ausstellungsbesucher indes die Bodenbilder.
Das Innenleben der Bäume und On the Way – Anna Owsiany-Masa
Mit dem Innenleben der Bäume, einer Serie von Bildern, gezeichnet mit Holzkohle, hat Anna Owsiany-Masa 2023 schon die Jury der Erk@Art überzeugt und erhielt den Jurypreis. Die Motive greifen das Holz der Bäume mit seiner Verletzlichkeit und Vergänglichkeit. Mal sind es sichtbare Schäden durch Menschenhand und schweres Gerät, mal Sturmschäden und mal der natürliche Alterungsprozess des Baumes, die detailgetreu in den schwarz-weißen Kohlezeichnungen zur Geltung kommen.
Mit ihrem etwa vier Meter langem Leporello, das auf einer langen Platte gestützt durch Packkartons zur einer gesamt Installation verschmilzt, präsentiert Owsiany-Masa ein Werk, das schon wieder preisverdächtig erscheint. Die Seiten eines zerfledderten Buchs, dessen Worte von Flucht erzählen, werden zur Leinwand für ausdrucksstarke Bilder und Kollagen, die den Faden aufgreifen und selbst wiederrum von Flucht und Vertreibung erzählen. Magisch ziehen die situativen Bilder der Flucht den Blick an, der unwillkürlich auch den dahinter liegenden Worten folgt.
‚On the way‘ erlaubt mit seinem Einband die Lesart von links nach rechts oder von rechts nach links. Die Gesamtinstallation lädt allerdings dazu ein auch von ‚oben nach unten‘ zu lesen, denn auch die Packkartons darunter, die als stützende Säulen dienen, erzählen von Flucht und Vertreibung. „Ich habe Packzettel darauf angebracht und sie ins Deutsche übersetzt“, erzählt Anna. „Es rührt schon sehr, wenn man liest, dass fünf Rasierklingen mitgenommen werden durften.“ In einer Gesellschaft, in der vieles im Überfluss vorhanden ist, sind die Packlisten eine Erinnerung an ganz andere Zeiten und so setzt sich das Thema der Ausstellung in jedem ausgestellten Detail fort.
Die Ausstellung ‚Zeit zur Neige‘ kann noch bis einschließlich 14. Juli 2024 im KunsTHaus Erkrath in der Dorfstraße 9 besichtigt werden. Sie endet am Sonntag den 14. Juli mit einer Matinee um 11.30 Uhr mit einer Lesung von Elisabeth Lasche und der Finissage um 16 Uhr.
Öffnungszeiten: Samstags: 14:00 – 18:00 Uhr, Sonntags: 11:00 – 18:00 Uhr und nach Vereinbarung
www.elisabeth-lasche.de | ania@aom-design.com
Mit einem Gruß an die Künstlerin Mona Schäfer, die während der Vernissage fragte, ob wir Lokaljournalisten immer noch über Kaninchenzüchtervereine schreiben:
„Wenn es die Kaninchenzüchtervereine noch gäbe, würden wir wohl auch über sie schreiben, denn sie sind bzw. waren Teil dieser Gesellschaft, Teil des Lebens der Menschen. Lokaljournalismus beherrscht die Kunst über alles schreiben zu können, was in einer Stadt geschieht, angefangen bei Politik und Stadtplanung über Sport, Brauchtum und Soziales bis hin zu Kunst und Kultur.“
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