Wohlfühlen in der Innenstadt?

Bahnstraße Foto: tb/Archiv

Um diese Frage ging es in der letzten Woche in einer Impulsveranstaltung in der Realschule Hochdahl. Um das zu erreichen, braucht es neue Wege und klare Ideen, verdeutlichten die Vertreter von Stadt+Handel.

Die Besucher, die der Einladung zur Impulsveranstaltung gefolgt waren, waren bunt gemischt aus Handel, Handwerk, Anwohnern und Jugendarbeit in Alt-Erkrath. Auch Vertreter der Politik nahmen teil. “Ich hätte mich gefreut, wenn noch mehr gekommen wären, aber ich sehe viele Gesichter aus Alt-Erkrath”, begrüßte Wirtschaftsförderer Vincent Endereß die Besucher, bevor Jens Nußbaum und Friederike Blum von Stadt+Handel in einer Präsentation allgemeine Entwicklungen, wie verändertes Kaufverhalten und Ideen, mit denen man Innenstädte dennoch wieder neu beleben kann, vorstellten. Friederike Blum wohnt selbst in Haan und kennt sich gut in der Region aus.

Jens Nußbaum zeigte, wie sich der Konsumklimaindex mit Corona entwickelt hat. Längst ist er noch nicht wieder auf dem Niveau, den er vor der Pandemie hatte. Der Lockdown hat den Onlinehandel beschleunigt. Viele, die vor der Krise noch nie von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hatten, haben zum ersten Mal online bestellt und, so Nußbaum, es sei auch nicht zu erwarten, dass sie künftig nicht mehr tun. Um die Innenstädte und im Fall von Erkrath die Bahnstraße wieder zu beleben, braucht es also ein Konzept, dass sich nicht allein an der Angebotsvielfalt des Einzelhandels orientieren kann.

“Es hat eine starke Individualisierung stattgefunden. Junge Menschen konsumieren anders, als noch ihre Eltern und Großeltern”, führte Nußbaum aus. Besitz sei nicht mehr so wichtig, was sich gut an den Beispielen Netflix oder Spotify für Filme und Musik ablesen lasse. Auch Carsharing sei ein Trend dieser Zeit. Insgesamt habe sich das Einkaufsverhalten verändert. Statt täglich für den Lebensbedarf einzukaufen, wird heute der Wocheneinkauf geplant, bei dem dann der Lebensmitteleinkauf vielleicht mit dem Besuch des Drogeriemarkts gekoppelt wird. Hinzu käme, dass der Online-Handel die Einkaufszeiten entkoppelt habe. Hier könne der Einkauf dann auch zwischen 11 Uhr abends und 2 Uhr nachts bequem von zu Hause erledigt werden.

Inzwischen liegt der Anteil des Onlinehandels bei 12,4 Prozent. “Es ist ein Trugschluss zu Glauben, dass sei ja nicht viel”, nahm Jens Nußbaum den Besuchern die Vorstellung, es sei ja gar nicht so schlimm. Allein Amazon habe im ersten Quartal 2021 seinen Gewinn verdreifacht. Der Zug, die Innenstädte über Produktvielfalt beleben zu können, sei abgefahren. Allein Amazon biete 229 Millionen Artikel an. Jens Nußbaum erklärte, dass Corona nur ein Trendbeschleuniger sei, der den Strukturwandel beschleunigt habe.

Was also muss geschehen, um auch die Bahnstraße wieder zu beleben?

Etwas Gutes habe diese Trendbeschleunigung mit Corona dennoch gehabt: Die Menschen zöge es weniger in die Großstadt. Der Blick fiele wieder mehr auf die eigenen Innenstädte. Nicht jeder werde zu 100 Prozent zu seinem alten Kaufverhalten zurückkehren, deshalb sei jetzt Anpassungsfähigkeit gefragt. Man müsse sich neuen Herausforderungen stellen. Das gelte insbesondere für Immobilienbesitzer und Gewerbetreibende. Mieten, wie sie bisher durch den Handel erzielt worden seien, können künftig kaum noch erzielt werden und in den Innenstädten müssen neue Prioritäten gesetzt werden. So sei denkbar, dass künftig neben dem Handel mehr Gastronomie, Kultur und auch Soziales in der Innenstadt angesiedelt wird, um für mehr Belebung zu sorgen.

“Flexibilität ist gefragt. Wir müssen Storytelling in die Städte bringen”, beschrieb Nußbaum den Prozess, der zur Belebung stattfinden sollte. “Welche Geschichte erzählt Ihre Innenstadt? Womit können Sie sich abheben?” Nußbaum erklärt, dass auch die Stadt dafür Sorge tragen muss, dass Dinge einfacher geändert werden können. Dazu müsse man sich die Fragen stellen: “Wie sind wir eigentlich aufgestellt? Wo sollen wir uns verbessern?” Die Prozess würde nie abgeschlossen sein, den Fragen müsse man sich immer wieder aufs Neue stellen.

Nußbaum präsentierte noch einige gute Beispiele aus anderen Städten. Die ‘Fleischboutique’, in der es neben Fleisch auch Grills und das passende Besteck zu kaufen gäbe, während Grill-Neulinge auch gleich einen Kurs buchen können. Oder das Fashion-Café, in dem Kaffee und Kuchen mit der Suche nach einem neuen Outfit verbunden werden und Läden, in denen Regale ‘gemietet’ werden können, in denen lokale Produzenten ihre Waren anbieten können. Er stellt auch die Idee eines Restaurant vor, in dem man nicht nur Essen kann, sondern einen großen Teil des Inventars auch käuflich erwerben kann. Es gilt also Ideen zu entwickeln.

‘The Flying Doctor’

Friederike Blum stellte anschließend den Prozess vor, der in der nächsten Zeit folgt. Mit dem Bild des ‘Flying Doctors’, der erst einmal eine Diagnose für den Patient Innenstadt stellt, verdeutlicht sie, welche Schritte notwendig sind. Im ‘Patientengespräch’ werde dann der Therapieplan erarbeitet. Der beginne möglicher Weise bei der Schaufenstergestaltung und der deutlichen Ausschilderung der Innenstadt vom Bahnhof aus. “Wie finde ich vom Bahnhof in die Innenstadt? Wo finde ich innenstadtnah Parkplätze? Wo gibt es vor Ort sichere Fahrradabstellplätze?” All das seien Fragen, die für Besucher wichtig seien. Sie verdeutlichte auch, dass das Baviercenter für Ortsunkundige von der Bahnstraße aus kaum wahrnehmbar sei. Mehrfach betont sie, dass Stadt+Handel gemeinsam mit dem Citymanager, der seitens der Stadt diesen Prozess künftig aktiv begleiten wird, schnell in die Umsetzung eines neuen Konzepts gehen wolle.

Folie aus Friederike Blums Vortrag zum gesamten Prozess.

Aktuell müsse man sich die Fragen stellen: Was können wir direkt umsetzen, was erst später. “Wir sind nur vorübergehend da. Es braucht ‘Macher’, die den Prozess langfristig begleiten”, erklärte Friederike Blum.

Gespräche mit den Besuchern

Nach den Vorträgen hatten die Besucher der Impulsveranstaltung noch die Gelegenheit mit Jens Nußbaum und Friederike Blum ins Gespräch zu kommen. “Ich befürchte, dass es die, die es brauchen könnten, vielleicht nicht wirklich interessiert”, zeigte Stephan Karrasch, der als Händler an der Veranstaltung teilnahm, sich ein wenig pessimistisch. Er griff das Beispiel eines Verkaufsoffenen Sonntags auf, bei dem nach ESKA Optik der nächste offene Laden erst nach Markthalle anzutreffen war. Friederike Blum erklärte noch einmal, dass gerade über den künftigen Citymanager, sehr viel mehr persönlicher Kontakt hergestellt werden soll, in dem auch gemeinsame Ideen entwickelt werden.

Morgen, am 2. November 2021, schließt sich der Impulsveranstaltung noch ein Innenstadtspaziergang an, bevor weitere Schritte im Prozess der Wiederbelebung folgen.

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