„Wir brauchen Sie hier nicht“

von Ria Garcia

Annegret Pollmann, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erkrath bei einer Veranstaltung zum Thema Loverboy in 2022. Foto: RG

Diesen Satz richtete der damalige Bürgermeister von Erkrath an Annegret Pollmann, als diese sich vorstellte und vom damaligen Rat in ihr Amt, das sie nun seit 35 Jahren ausübt, gewählt wurde.

Wie sehr sie gebraucht wurde und wird, zeigen nicht zuletzt auch immer wieder die Zahlen zu Gewalt gegen Frauen, denn Annegret Pollmann kümmert sich längst nicht nur darum, dass Frauen in der Stadtverwaltung gleichgestellt sind. Nun steht sie bald vor dem Ruhestand. Anlässlich der dann notwendigen Nachbesetzung hat sich die Verwaltung mit der Hauptsatzung befasst und Änderungen in Bezug auf das Verfahren der Neubesetzung und der Teilnahme an Verwaltungskonferenzen, Sitzungen des Rates und der Ausschüsse im Entwurf vorgelegt. Nicht alle Ausschussmitglieder sind mit den geplanten Änderungen einverstanden.

Detlef Ehlert (SPD) merkte an, dass es früher bereits heftige Diskussionen gegeben hätte und man zu einem breiten gemeinsamen Kurs gefunden hätte. Die Gleichstellungsbeauftragte habe man immer als Fachbereichsleitung gesehen (Anm. d. Redaktion: Der Rat entscheidet bei der Besetzung von Fachbereichsleitungen mit.) Auch bei Absatz 2 plädierte er dafür, die ursprüngliche Fassung beizubehalten.

Andrea Stracke-Knitsch (Grüne) fragte: „Was können wir hier machen?“ Die Praxis in Bezug auf die Gleichstellungsbeauftrage bestehe schließlich seit 35 Jahren und sei nie beanstandet worden. Deshalb solle man „wird vom Rat bestellt“ beibehalten, um der Gleichstellungsbeauftragten ein Unabhängigkeitsgefühl zu geben. „Das bisher immer eine Stabsstelle“, gab sie zu bedenken. Sie sah keinen Änderungsbedarf für die Satzung und reklamierte, dass in den vorgeschlagenen Änderungen das Rederecht nicht mit aufgenommen worden sei. Das Rederecht hatte die Verwaltung zwar in ihrer Vorlage aus § 5 Abs. 3 bis 5 der GO NRW unter Abs. 4 aufgeführt, in den eigenen Satzungsentwurf jedoch nicht übernommen.

Aus der GO NRW zitierter Absatz in der Verwaltungsvorlage: (4) Die Gleichstellungsbeauftragte kann in Angelegenheiten ihres Aufgabenbereiches an den Sitzungen des Verwaltungsvorstands, des Rates und seiner Ausschüsse teilnehmen. Ihr ist auf Wunsch das Wort zu erteilen. Sie kann die Öffentlichkeit über Angelegenheiten ihres Aufgabenbereichs unterrichten.

Ralf Lenger (FDP) bezeichnete die Diskussion als anarchistisch. „Wir versuchen die Rechte der Gleichstellungsbeauftragen zu beschneiden“, warnte er. Die FDP werde den Änderungen auf keinen Fall zustimmen. Zu den Änderungen wolle er eine zweite Meinung hören. Es sei ein deutlicher Unterschied, ob der Rat oder der Bürgermeister die Gleichstellungsbeauftragte bestellt. „Wir wollten die Stelle eigentlich im Sommer ausschreiben, um nahtlos nachbesetzen zu können“, gab Bürgermeister Christoph Schultz zu bedenken. Eine Vertreterin des Fachbereichs Recht zitierte Gesetzestexte, in denen die Stellenbesetzung dem Bürgermeister zugeordnet ist, woraufhin Detlef Ehlert bemerkte, dass diejenigen die die Gesetze machen, keine Freunde der Gleichstellung sind. „Egal ob sie rot, grün oder schwarz sind“, fügte er ergänzend hinzu.

„Ich möchte vor dem möglichen Klagerecht unterlegener Bewerberinnen warnen“, meldete sich Bernhard Osterwind (BmU) zu Wort. Die Gefahr sahen andere Ausschussmitglieder als vernachlässigenswert an. Peter Knitsch (Grüne) wandte ein, dass mit der geplanten Satzungsänderung die Rechte der Gleichstellungsbeauftragten geschwächt werden und beantragte, dass die Gleichstellungsbeauftragte weiter vom Rat bestellt werden solle und weiterhin an allen Sitzungen teilnehmen soll. Außerdem solle „Auf Wunsch ist ihr das Rederecht zu gewähren“ eingefügt werden. Für seinen Antrag stimmten Grüne, Linke und FDP. Die AfD enthielt sich, der Rest stimmte dagegen.

Die geplante Satzungsänderung steht im heutigen Rat noch einmal auf der Tagesordnung. Den entsprechenden Teil der bisherigen Hauptsatzung und die geplante Änderung haben wir unterhalb eingefügt. Annegret Pollmann ergriff zum Ende des Tagesordnungspunktes auch noch einmal das Wort: „Der damalige Bürgermeister, neben dem ich in der Sitzung saß, sagte mir: Sie brauchen wir hier nicht. Ich war damals sehr froh, dass der Rat mich gewählt hat.“

Aus der bisherigen Satzung

§ 3 Gleichstellung von Frau und Mann

(1) Die Gleichstellungsbeauftragte wird vom Rat bestellt. Sie ist dem Bürgermeister direkt
zugeordnet. Sie nimmt ihre Aufgaben hauptamtlich und fachlich selbständig wahr.

(2) Sie ist in allen gleichstellungsrelevanten Angelegenheiten unverzüglich zu beteiligen. Sie
nimmt an den Sitzungen der Verwaltungskonferenz teil.
Sie hat ein Mitzeichnungsrecht zu Rats- bzw. Ausschussvorlagen, die ihren Aufgabenbereich berühren. In allen Personalangelegenheiten, die die Gleichstellung von Frauen und Männern berühren, ist sie zu beteiligen.

(3) Sie ist berechtigt, in den Sitzungen des Rates und der Ausschüsse ihre abweichende Meinung in Angelegenheiten ihres Aufgabenbereiches vorzutragen. Dieses soll sie dem Bürgermeister vorab mitteilen.

(4) Sie wirkt bei allen Vorhaben und Maßnahmen der Gemeinde mit, die die Belange von Frauen und Auswirkungen auf die Gleichberechtigung von Frau und Mann und die Anerkennung ihrer gleichberechtigten Stellung in der Gesellschaft haben. In den Angelegenheiten ihres Aufgabenbereiches führt sie ihre Öffentlichkeitsarbeit eigenständig.

Geplante Änderungen

§ 3 Gleichstellung von Frau und Mann

(1) Die Gleichstellungsbeauftragte wird vom Bürgermeister bestellt. Sie ist dem Bürgermeister direkt zugeordnet. Sie nimmt ihre Aufgaben hauptamtlich und fachlich selbständig wahr.

(2) Sie ist in allen gleichstellungsrelevanten Angelegenheiten unverzüglich zu beteiligen. Sie kann, soweit Beratungsgegenstände ihres Aufgabenbereiches behandelt werden, an den Sitzungen der Verwaltungskonferenz, des Rates und seiner Ausschüsse teilnehmen. Sie hat ein Mitzeichnungsrecht zu Rats- bzw. Ausschussvorlagen, die ihren Aufgabenbereich berühren. In allen Personalangelegenheiten, die die Gleichstellung von Frauen und Männern berühren, ist sie zu beteiligen.

(3) Die Gleichstellungsbeauftragte kann in Angelegenheiten, die ihren Aufgabenbereich berühren, den Beschlussvorlagen des Bürgermeisters widersprechen; in diesem Fall hat der Bürgermeister den Rat zu Beginn der Beratung auf den Widerspruch und seine wesentlichen Gründe hinzuweisen.

(4) – keine Änderungen benannt –

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