Wie viel Bürgerbeteiligung braucht es?

von Ria Garcia

Foto: LW

Die Frage beschäftigte am Donnerstag den Haupt- und Finanzausschuss beim Thema freiwilliges Haushaltssicherungskonzept.

Zur Erinnerung: Bei den Haushaltsplanberatungen im Februar 2022 fand weder der Vorschlag der Verwaltung die Grundsteuer A und B um 50 Prozentpunkte anzuheben, noch der Antrag der SPD für einen Haushaltsausgleich die Grundsteuer A und B um 100 Prozentpunkte anzuheben, eine Mehrheit im Rat. Nachdem Wolfgang Jöbges von der CDU die Aufstellung eines freiwilligen Haushaltssicherungskonzeptes beantragte, zog die SPD ihren Antrag, der keine Mehrheit gefunden hätte schließlich zurück. Mit dem Beschluss des freiwilligen Haushaltssicherungskonzeptes wurde auf die Erhöhung der Grundsteuer verzichtet. Den Auftrag Einsparpotenziale in der Stadt zu ermitteln, erhielt schließlich die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Bevor gespart wird, entstehen Kosten, wie einige Kommunalpolitiker durchsickern ließen, rund 100 Tsd. Euro. Während die Prüfung möglicher Sparpotentiale bei PwC lief, waren auch die Bürger gefragt: Mehr als einen Monat lang konnten sie ‘Sparideen’ einsenden, deren Machbarkeit im weiteren Prozess geprüft wird.

Antrag Bürgerbeteiligung

Am letzten Donnerstag lagen die Ergebnisse ermittelter Sparpotentiale noch nicht vor. Auch die Ideen der Bürger waren den Ausschussmitgliedern nicht bekannt. All das soll in einer Sonderausschusssitzung am 27. September 2022 präsentiert werden. Dafür gab es einen kurzen Sachstand im Verfahren und einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, den diese bereits im Juni gestellt hatte:

„Im Rahmen der Beratung und Verabschiedung eines Haushaltsoptimierungskonzeptes ist neben einer digitalen Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger auch eine Präsenzveranstaltung vorzusehen, in der die Vorschläge vorgestellt und diskutiert werden können.“

Peter Knitsch appellierte an die Fraktionen dem Antrag zuzustimmen. “Das soll in Schweinsgalopp durch gejagt werden. Da werden Maßnahmen drinstehen (Anm. der Redaktion: Im freiwilligen Haushaltssicherungskonzept), die Bürger in hohem Maße betreffen”, begründete er den Antrag seiner Fraktion. Natürlich entscheide am Ende der Rat, welche Maßnahmen umgesetzt werden, aber die Bürger müssen zumindest ihre Meinung äußern können, so Knitsch. Bernhard Osterwind regte an, dass der Bürgermeister ja möglicher Weise in den anstehenden Stadtteilkonferenzen darauf eingehen und Meinungen einholen könne. Bürgermeister Christoph Schultz verwies darauf, dass das Haushaltssicherungskonzept und die Verfahrensweise in den Händen der Politik liegt, die am Ende darüber entscheidet. Da die Stadtteilkonferenzen vor der Sondersitzung Ende September stattfinden, sei es auch vom zeitlichen Ablauf her nicht möglich, das thematisch zu verbinden.

Ralf Lenger (FDP) befürchtete, dass zu einer Präsenzbürgerveranstaltung wieder ‘nur Wutbürger’ kämen und man damit zu wenige erreiche. Peter Knitsch empfahl er, dass dieser nicht nur bei Wahlen Mehrheiten suchen solle, sondern auch im Rat. “Sie konterkarieren und akzeptieren Mehrheitsentscheidungen nicht”, warf er ihm vor. Knitsch konterte: “Ihr Bild von Bürgern verwundert mich nicht. Wir haben ein anderes.” Seine Fraktion glaube, dass interessierte Bürger mitreden. “Man sollte sie auf jeden Fall fragen.”

“Sie erwecken hier den Eindruck, als wenn im stillen Kämmerlein entschieden werden solle. Alle Einsparvorschläge werden öffentlich im Ratsinformationssystem auch für die Bürger einzusehen seien. Außerdem werden sie sicher auch von der Presse veröffentlicht”, richtet Wolfgang Jöbges (CDU) sich an Peter Knitsch. Er verweist auf die repräsentative Demokratie, mit der der Wähler bei den Wahlen bestimmt hätte, in welchem Verhältnis Kommunalpolitiker im Rat anstelle der Bürger entscheiden. “Als Politiker muss man abwägen, was das beste für die Stadt ist.”

“Das war vor zwei Jahren so noch nicht abzusehen. Wir repräsentieren hier nicht den Durchschnitt der Bevölkerung”, entgegnet Annerose Rohde (Die Grünen). Nicht einmal der Anteil Frauen im Rat spiegle den Durchschnitt der Bevölkerung. “Deshalb sollten wir den Bürgern die Möglichkeit geben und die Sparmöglichkeiten vorstellen, damit sie gegeneinander abgewogen werden können.” Jan Wiertz wirft den Grünen vor, sie würden bereits trommeln und das ganze zu einer vorgezogenen Wahlkampfveranstaltung, vielleicht sogar zum Bürgermeisterwahlkampf machen. “Am Haupt- und Finanzausschuss können die Bürger teilnehmen. Außerdem hat doch jeder von uns Kontakte in die Stadtgesellschaft und erfährt darüber was gewünscht wird.”

Dennis Saueressig (AfD) ist zwar grundsätzlich auch der Meinung, dass man die Bürger fragen solle, schlägt aber vor, dass man die Sparvorschläge danach sortiert, ob sie direkte Auswirkungen auf die Bürger haben und nur zu letzteren die Meinung der Bürger abzufragen. “Wir sind uns doch alle einig, dass das schwere Entscheidungen sind. Was spricht dagegen Bürger nach ihrer Meinung zu fragen?”, wirft Markus Lenk (Die Linke) ein. Schließlich steht der Vorschlag im Raum erst nachdem die Vorschläge vorliegen über den Antrag der Grünen zu entscheiden. Reinhard Knitsch sorgt sich, dass die Politik Vertrauen verspiele. “Beteiligung mach vor allem am Anfang Sinn, damit Verständnis erzeugt wird.” Er befürchtet, dass Politikverdrossenheit einsetzt und beim nächsten Mal noch weniger Bürger zur Wahl gehen. Peter Sohn (BmU) befindet den Vorschlag der Grünen für gut, überlegt aber, wie das zu einem gemeinsamen Vorschlag aller Fraktionen werden könne. “Wir wissen doch alle noch nicht was kommt”, gibt er zu bedenken. “Wäre der Haupt- und Finanzausschuss mit anschließender Bürgerfragestunde denkbar?”

Bürgermeister Christoph Schultz beantragt schließlich den Antrag der Grünen in die Sondersitzung des Haupt- und Finanzausschuss am 27. September zu vertagen. Gegen die Stimmen von Grünen und Linken folgt die Mehrheit des Ausschusses dem Antrag und so wird erst Ende des Monats darüber entschieden ob und wie die Bürger weiter an der Entscheidung zu Einsparmöglichkeiten beteiligt werden.

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