Wie klappt’s denn mit der Quarantäne?

Symbolbild: Engin Akyurt / Pixabay

Die Antwort auf diese Frage lautet im Kreis Mettmann in vielen Fällen: Chaotisch.

In den letzten Monaten befinden sich allein in Erkrath regelmäßig 500 bis 600 Menschen in Quarantäne. Uns hat interessiert, wie es ihnen in dieser Zeit ergeht, welche Informationen und Hilfen sie bekommen. In Gesprächen erfuhren wir von der oftmals Nichterreichbarkeit des Gesundheitsamtes. Auch Quarantäne-Anordnungen, die Betroffene als Nachweis für den Arbeitsgeber bräuchten, treffen meist nur sehr verspätet, manchmal erst am Ende der Quarantäne ein. Wir erfuhren von erhaltenen SMS mit Links zu Symptomtagebüchern ohne vorherige Aufklärung über den Datenschutz und Abfrage der Einwilligung zur Datenverarbeitung. Der Frust vieler von Quarantäne Betroffener ist groß. Unsere Recherche begann im November und wir greifen hier thematisch auf, was uns Betroffene schilderten.

Climedo

Ausgerechnet ein IT-Consultant erhielt als Haushaltsangehöriger eines Infizierten nach Ausfüllen des Fragebogens des Gesundheitsamts ohne vorherige Mitteilung oder Aufklärung über Datenschutz plötzlich morgens eine SMS von Climedo. Darin ein Link, der auf den Kreis Mettmann schließen ließ und ihn zu einem Symptomtagebuch führen sollte. “Dass man nicht ohne Hintergrundinformationen auf irgendwelche Links klicken sollte, dürfte auch in Behörden bekannt sein”, sagte uns der betroffene IT-Consultant im Gespräch. Den unbekannten Link ohne weitere Erklärung einfach anzuklicken sei ungefähr so naiv und gefährlich für die genutzte IT, wie als wenn man den Link ‘aktualisieren sie jetzt ihre Zugangsdaten bei der Bank’ in Spammails klicken würde. Er ignorierte die SMS also. Am gleichen Tag kam eine zweite SMS und so ging es auch an Folgetagen.

Am dritten Tag entdeckte unser IT-Consultant eine Email im Spamordner. Absender: Climedo ePRO <no-reply@climedo.de>. Screenshots der Mail fügen wir anonymisiert hier ein:

“Ich schrieb eine Email an die genannte Emailadresse des Kreises Mettmann und bat um Erklärung. Eine Antwort habe ich nie erhalten”, schildert er. Vorher hatte er auf der Corona-Informationsseite des Kreises Mettmann versucht Informationen zu Climedo zu erhalten. Fehlanzeige.

Der zeitliche Ablauf vom positiven Testergebnis an

Angefangen hatte alles mit einem positiven Schnelltest eines Haushaltsangehörigen. Der wendete sich pflichtschuldig ans Gesundheitsamt. Das war an einem Freitag. Positiv überrascht waren alle, dass das Gesundheitsamt noch am Sonntag ein mobiles Testteam für einen PCR-Test vorbeischickte. Bis dahin also sicher alles so, wie man es erwartet hätte. Montagabend traf dann das positive PCR-Testergebnis ein. “Sind wir jetzt alle in Quarantäne?”, fragte sich unser IT-Consultant. Eine Erklärung vom Gesundheitsamt gab es nicht. Eigene Recherchen zeigten, dass – weil alle anderen doppelt geimpft waren – für die Haushaltsangehörigen keine Quarantänepflicht bestand. Freiwillig schränkten sie dennoch vorsichtshalber ihre Außenkontakte ein.

Eine Woche lang hörten weder der Infizierte (der sich vorsichtshalber krankschreiben ließ und die Krankmeldung an den Arbeitgeber übermittelte), noch die Haushaltsangehörigen etwas vom Gesundheitsamt. Dann traf eine Email des Gesundheitsamts ein, die folgende Einleitung enthielt:

Bitte beachten Sie: Aufgrund der hohen Inzidenz können wir nicht umgehend jede Bürgerin, jeden Bürger sofort telefonisch kontaktieren. Entnehmen Sie alle nötigen Informationen bitte aus dieser Email. Die Quarantänebescheinigung erfolgt automatisch nach Erhalt und Prüfung aller notwendigen Informationen.

Inzwischen waren seit dem ersten positiven PCR-Test 8 Tage vergangen. Das hinderte das Gesundheitsamt jedoch nicht, dem Betroffenen und seinen Haushaltsangehörigen eine Frist zur Beantwortung der per Link übermittelten Fragebögen zu setzen:

Das genannte Formular ist umgehend binnen 24 Stunden vollständig unter Angabe aller relevanten Daten auszufüllen!
Bei fehlender Mitwirkung binnen der oben genannten Frist müssen Sie damit rechnen, dass Vollstreckungsmaßnahmen gegen Sie eingeleitet werden bzw. ein Zwangsgeld in empfindlicher Höhe festgesetzt wird.
Ihre Verpflichtung zur Auskunft folgt aus §16 Infektionsschutzgesetz.

Infizierter und Haushaltsangehörige füllten die Fragebögen online aus und übermittelten diese ans Gesundheitsamt. Tags darauf erhielt der IT-Consultant schließlich oben beschriebene SMS von Climedo. Seine Frau allerdings nicht. Auch sie hatte im Fragebogen Email und Mobilnummer angegeben.

An Tag 12 erhielt der Infizierte eine Email, die ihn berechtigte sich in einem der Testcenter des Kreises testen zu lassen. Am vorletzten Tag der Quarantäne traf dann auch endlich die Quarantäne-Anordnung ein, während das Gesundheitsamt in einer Pressemitteilung mitteilte:

Angesichts der anhaltend hohen Corona-Infektionszahlen konzentriert sich das Kreisgesundheitsamt ab sofort bei der Kontaktaufnahme und der Kontaktermittlung im Wesentlichen auf die Infizierten, auf vulnerable Kontaktpersonen sowie auf Ausbruchsgeschehen in Einrichtungen.

Nachfrage beim Kreis und Erfahrung anderer Menschen in Quarantäne

Abgesehen von fehlenden Informationen und fehlender Quarantäne-Anordnung für den Arbeitgeber interessierte uns besonders das Symptomtagebuch Climedo. Wir sprachen Mitte Dezember mit der Pressesprecherin des Kreises Mettmann, die uns erklärte, das Climedo im Zusammenhang mit der Software SORMAS eingesetzt werde. Datenschutzrechtlich wäre Climedo unbedenklich. Davon hätte sich der Datenschutzbeauftragte des Kreises vorher überzeugt. Dass es keinerlei Informationen dazu auf der Corona Seite des Kreises gibt und dass die Empfänger der SMS und Emails keinen Hinweis zum Datenschutz erhalten, war ihr nicht bewusst. Sie wollte das ans Gesundheitsamt weitergeben, damit hier Abhilfe geschaffen würde. “Das Climedo-Symptomtagebuch ist erst wenige Wochen im Einsatz. Die Nutzung ist natürlich freiwillig. Aber schon viele Menschen in Quarantäne füllen es täglich aus”, freute sie sich, dass das Tool offensichtlich so gut angenommen wird.

Das so viele das Symptomtagebuch nutzen, mag an der Wortwahl in der versandten Email liegen. Gestern telefonierten wir mit einer Erkratherin, die sich gerade in Quarantäne befindet. “Ich dachte, das sei Pflicht. Da stand drin, dass man das bis 14 Uhr des jeweiligen Tages vollständig ausfüllen soll”, erzählte sie uns. Das hätte sie verunsichert. Sie und ihr Lebenspartner befinden sich nach einem positiven Test seit 8 Tagen in Quarantäne. Eine Quarantäne-Anordnung haben beide noch nicht erhalten, obwohl sie diese dringend für den Arbeitgeber bräuchten. Die beiden sind vor einiger Zeit zugezogen, haben noch keinen Hausarzt in der Stadt. Als nach einem Familientreffen ein positiver Fall auftrat, machten beide bei einem vertrauten Arzt am Arbeitsort einen PCR-Test, der positiv ausgefallen ist. “Wir dachten bis dahin, dass wie schnell eine Quarantäne-Anordnung vom Gesundheitsamt erhalten und dann hatte der Arzt auch erst einmal zu”, schilderte uns die Betroffene. Auf Emails an die beim Gesundheitsamt angegebene Mailadresse erhält das Paar keine Antwort, telefonisch sei niemand zu erreichen. Seit letzten Donnerstag laufe dort immer nur ein Anrufbeantworter. Lebensmittel lassen sich die beiden momentan von einem Lieferservice bringen, obwohl das natürlich teurer sei, als vor Ort einzukaufen.

Das Paar ist verwundert darüber, wie die Quarantäne hier im Kreis Mettmann abläuft. Da die beiden mit infizierten Familienangehörigen aus Düsseldorf in Kontakt stehen, haben sie auch erfahren, wie viel anders man in der Stadt Düsseldorf damit umgeht. “Dort sind im Haushalt auch Kinder betroffen. Das Gesundheitsamt war bis jetzt dreimal vor Ort und hat auch die Kinder getestet. Bescheinigungen zur Quarantäne gab es dort umgehend”, weiß sie. “Man fühlt sich hier sehr, sehr allein gelassen”, beschreibt sie die Quarantäne im Kreis Mettmann.

Anmerkung der Redaktion: Beim schreiben dieses Artikels haben wir noch einmal auf der Homepage www.kreis-mettmann-corona.de nach Hinweisen zu Climedo und zum Datenschutz gesucht. Wir konnten immer noch nichts dazu finden. Dort findet sich immer noch nur ein Symptomtagebuch, das sich Betroffene als PDF herunterladen und am eigenen Rechner oder ausgedruckt per Hand ausfüllen können. Wer Symptome entwickelt, findet auf den Hinweisen unter Quarantäne auf oben genannter Homepage dann einen Link zu einem Corona-Meldebogen. Der wiederum hat eine Datenschutzeinwilligung vorgeschaltet.

4 Kommentare

  1. …..ich kann das nur Unterschreiben. Man wird einfach allein gelassen. Symptomtagebuch kam erstmals an Tag 7 der Quarantäne. Wir haben nicht mal Symptome gehabt. Kinder können sich nicht freitesten und müssen gesund 14 Tage in Quarantäne sitzen weil sie positiv waren. Aber schon lange nicht mehr ansteckend. Sämtliche Unterlagen hochgeladen und Dokumente online ausgefüllt wie es auf der Seite des Gesundheitsamtes steht. Damit man nach 4 Tagen Quarantäne einen Anruf bekommt, man muss jetzt alles nochmal machen über den upload Link den man jetzt in der E Mail bekommen hat. Auf Nachfrage wird einem dann erklärt, das es quasi eine Nebenstelle ist und diese keinen Zugriff auf die Dokumente beim Gesundheitsamt hat. Man kann einfach nur noch den Kopf schütteln und wütend sein. Sind offiziell 8 Tage in Quarantäne, aber tatsächlich sind es 11 Tage. Da man ja die Anweisung hat sich sofort nach positiven Schnelltest in Quarantäne zu begeben. Und wir an dem WE keine Stelle gefunden haben die einen PCR kostenlos machen wollte. Allerdings rechnet das Gesundheitsamt erst den Tag nach dem positiven PCR Ergebnis als 1.Quarantänetag. Bei uns herrscht einfach nur noch pure Hilflosikeit und Verzweiflung. Die neuen Quarantäneregeln sind mehr als nötig und hätten längst umgesetzt werden müssen. Was bringt es gesunde Menschen zuhause festzuhalten?

  2. Duisburg: Bei unseren zwei infizierten Kindern erhielten wir nach 9 Tagen EIN Symptomtagebuch!
    Wobei der Symptomverlauf völlig unterschiedlich war. Wie soll der kooperative Bürger hier denn bitte verwertbare Daten eintragen. Wir konnten unmöglich nachvollziehen wann genau Halzschmerzen, glasige Augen, Erbrechen, Übelkeit, Gliederschmerzen, …….
    Zudem erfahre ich erst auf dieser Internetseite, dass es keine Pflicht gibt, dieses Tagebuch zu führen.

    Ich empfinde blankes Entsetzen wenn ich an den Herbst/Winter 2022 denke. Sollte doch noch eine aggressive Virus Mutation entstehen, sind die Bürger auf sich allein gestellt. Von den meisten Gesundheitsämtern ist keine Unterstützung zu erwarten. (Hier wird weiterhin um 16:00 Uhr Feierabend gemacht bei einer Inzidenz von aktuell 1300).

  3. Meiner Frau und mir geht es ganz genau so wie oben beschrieben. Nach einem positiven Schnelltest am Montagvormittag zu Hause, haben wir uns an die Vertretung des Hausarztes gewandt, da dieser auch PCR Tests durch führt. Dieser nahm dann auch am selben Tag noch den PCR-Test vor. Die Ärztin war sehr freundlich und gab uns auch noch einen Zettel mit einem QR-Code zum Einscannen in die Corona Warn-App mit. Code ein gescannt und es gab den Hinweis dass das Testergebnis noch nicht vorliege. Klar, war ja auch am selben Tag wie der Test. Am nächsten Tag wurden wir dann von den Test-Arzt telefonisch über das positive Ergebnis informiert. Kurzer Zeit später meldete sich das Gesundheitsamt Mettmann telefonisch bei und und teilte meiner Frau mit, dass Sie sich in Quarantine begeben muss. Das haben wir aber eh schon von selbst so gemacht. Es wurde dann noch nach einer E-Mail Adresse gefragt an die alle weitergehenden Informationen gesendet werden würden. Auf Nachfrage wie es denn jetzt weiter gehe wurde auf di3 kommende E-Mail verwiesen. Als dann am nächsten Vormittag immer noch keine E-Mail angekommen war, hab ich beim versucht beim Gesundheitsamt Mettmann anzurufen, dort lief nur eine Ansage man solle sich bitte per Mail melden. Gesagt getan, uns am Nachmittag kam dann auch endlich die erwartete Mail und sogar zweifach. Wir haben dann in den in der Mail angebenden Links die entsprechenden Daten angegeben und abgesendet. Seit dem haben wir von dem Gesundheitsamt Mettmann weder per Mail noch telefonisch etwas gehört. Und dann kam am darauffolgenden Tag noch einem Mail mit einem Link zu besagtem Gesundheitstagebuch. Diese Mail ist so verfasst als ob das Verpflichtend wäre. Diese Mail und auch die Mail des folgenden Tages zu den Gesundheitstagebuch haben wir aber erst heute, am Freitag gesehen. Ich habe mich dann erstmal im Internet schlau machen müssen was es damit auf sich hat und das es nicht verpflichtend ist. Es scheint so, dass das Gesundheitsamt seiner Verpflichtung zur täglichen Nachfrage des Gesundheitszustandes, auf das versenden dieser Mail zum Gesundheitstagebuch beschränkt. Ohne jeglichen Hinweis, oder der Überprüfung oder weiterer Information. Ich bin beruflich als Dienstleister tätig und kenne daher solche hoch Last Situationen. Und genau in solchen Situationen ist ein gutes Prozessmanagement wichtig. Wenn wir uns in unserem Betrieb jedoch so wie das Gesundheitsamt verhalten würden, wären unsere Kunden ganz schnell nicht mehr unsere Kunden. Es ist mir bis heute nicht klar, wie wir uns bezüglich eines möglichen frei Testens verhalten müssen/können. Müssen wir beim Gesundheitsamt eine Freigabe anfragen damit meine Frau den Arzt aufsuchen darf um den PCR Test machen zu lassen. Und wenn dieser dann negativ ist, ist dann damit auch die Quarantäne zu Ende oder bedarf es dann noch mal einer gesonderten Freigabe vom Gesundheitsamt. Das ist eine Unmögliche Informationspolitik. Ach so, das Positive Ergebnis ist nicht in der Corona Warn-App angekommen. Ich habe dann aber nach Recherche im Internet eine Telefonnummer gefunden wo man eine Tan zur Eingabe in der App bekommen kann. Und auch das war wieder super.

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