Wenn Not zusammenschweißt

von Ria Garcia

Entspannte Stimmung beim Picknick im Park. Foto: Lutz Wulfestieg

Am letzten Samstag, beim Picknick im Park, kamen nicht einfach nur Nachbarn, auch von der Flut Betroffene und Helfer kamen ein Jahr danach zusammen.

“So viele waren noch nie beim Picknick im Park”, freute sich Monika Thöne, Leiterin der Caritas Begegnungsstätte in der Gerberstraße und tatsächlich: Bis zu 150 Menschen tummelten sich zeitweise im Bavierpark hinter der Begegnungsstätte und an der Boulebahn. Sogar aus Coesfeld waren Helfer des THWs, die in der Flutnacht hier in Erkrath geholfen haben, angereist. Es war eine entspannte und lockere Atmosphäre, die – erfreulicher Weise – einen krassen Kontrast zur Flut vor einem Jahr darstellte.

Neben Nachbarn und von der Flut im letzten Juli betroffenen waren auch viele Helfer vor Ort. “Wir haben THW, Johanniter, DRK und Helfer per Email angeschrieben”, erzählt Andrea Bleichert, Kassiererin im Verein ‘Erkrath hält zusammen’, der wichtige Anlaufstelle nach der Flut war. ‘Flutgeschichten’ gab es an diesem Tag einige zu hören. Und einige Mitglieder des Vereins ‘Erkrath hält zusammen’ sind sich an diesem Nachmittag zum ersten Mal im wirklichen Leben und nicht in einem Videomeeting begegnet. Der Verein hatte nach der Flutnacht Spenden gesammelt und schnelle Hilfen organisiert. “Insgesamt sind so rund 170 Tsd. Euro zusammengekommen”, berichtete Yannick van der Heide, 2. Vorsitzender des Vereins. 136 Tsd. Euro seien bereits zugunsten der von der Flut Betroffenen ausgegeben worden. 35 Tsd. Euro stehen noch für Hilfen zur Verfügung und das sei auch gut so, sagt er uns.

“Manche wollen auch erst einmal gar keine Hilfe annehmen”, weiß Andrea Bleichert. Um den Betroffenen nach der Flut Hilfe anbieten zu können, hat der Verein Flyer in die Briefkästen der überfluteten Straßen geworfen. “Wir wollten nicht, dass jemand durchs Raster fällt, also haben wir das Raster enger gezogen”, so Bleichert. Direkt nach der Flut habe man überwiegend erst einmal eine Soforthilfe von 1.000 Euro gewährt. Im Verein galt für die jeweilige Entscheidung das ‘Vier-Augenprinzip’, wenn bekannt war, dass jemand schnelle Hilfe brauchte. Inzwischen seien es meist größere Summen, wenn die Versicherung einen Schaden nicht übernimmt oder eine Förderung übers Land NRW nicht möglich ist. Manchmal fehlen auch einfach die 20 Prozent Eigenanteil, die Betroffene übernehmen müssen, da das Land nur 80 Prozent übernimmt. “Wir haben Beispielsweise unterstützt, als weder die Versicherung noch das Land für den zu erneuernden Zaun um ein Gelände zahlen wollte. Oder bei einem Klettergerüst auf dem Gelände eine Sportvereins”, nennt Yannick van der Heide Fälle, in denen es von anderer Stelle keine finanzielle Unterstützung für den entstandenen Schaden und dessen Beseitigung gab. “Bei vielen Betroffenen ist auch ein Trauma zurückgeblieben”, ergänzt Andrea Bleichert. Deshalb sei es wichtig miteinander zu reden. “Dafür wollen wir solche Termine wie heute nutzen.”

Gute Laune trotz Fluterinnerungen

Für gute Stimmung sorgte unter anderem auch Norbert Koch mit seinen Ukulele-Workshops, die er stündlich abhielt. Ein ‘Ständchen’ zum Picknick und eine Ukulele-Kostprobe gab es zwischendurch auch gleich noch dazu.”20 Minuten, dann könnt Ihr drei Lieder spielen”, prophezeite er den Picknick-Besuchern und zog damit jede Menge Interessenten an. Bis zu 20 pro Workshop.

Die restlichen Picknick-Teilnehmer verteilten sich auf Decken oder an Bierzeltgarnituren und genossen Sonne und jede Menge mitgebrachter Leckereien von süß bis herzhaft. Dabei wurde viel erzählt, auch von der Flutnacht. “Alle Fotos, alle Erinnerungen und auch alle Daten auf dem Rechner waren auf einen Schlag weg”, erzählt Michael Floeth, der mit Frau und direkten Nachbarn am Tisch sitzt. Sie wohnen in der Freiheitstraße 8 und 10. “Das Wasser stand 80 Zentimeter hoch im Keller”, erinnert er sich. Schnelle Hilfe gab es durch den Verein Erkrath hält zusammen erst einmal durch Bautrockner, die schnell besorgt wurden. In den beiden Häusern wurden auf der einen Seite acht bis neun Trockner und auf der anderen vier bis fünf benötigt, nachdem das Wasser abgepumpt und der Schlamm beseitigt war. “Ich wohne 40 Zentimeter tiefer. Bei mir stand das Wasser im Keller 1,40 Meter hoch”, erzählt seine Nachbarin Christiane Kutil-Bleiborn. Im ‘Keller’ befindet sich ihr Büro und ein Freizeitraum. “Das ist alles komplett abgesoffen”, berichtet sie rückblickend. Als sie aus dem Keller ein lautes Klopfen hörte, waren es die schweren Büromöbel, die im Wasser schwimmend, gegen die Tür und gegen Wände stießen.

“Meine Frau hatte Geburtstag und wir waren an diesem Abend in Wülfrath”, erinnert sich Michael Floeth, als sei es gestern gewesen. Irgendwann als das Wetter immer ungemütlicher zu werden schien, hätten sie sich auf den Rückweg gemacht. “Ich hab vorsichtshalber am Rathelbecker Weg geparkt. Meine Frau meinte, ich sei ja verrückt”, erzählt er. Als dann der Tennisplatz unter Wasser gestanden habe, hätten sie gewusst, dass es jetzt ernst werde. Ein bisschen Glück hatten sie dann, dass Freunde mit einer Pumpe kamen, denn ein Anruf bei der Feuerwehr hatte die Information ‘Wir können frühestens Freitagmittag vorbeikommen’ erbracht. “Als ich in der Flutnacht im Flur stand und von rechts und links das Wasser herein strömte, da hatte ich wirklich Tränen in den Augen”, denkt Michael Floeth noch an die Flutnacht zurück. Aber dann hätte sie später Bilder aus dem Ahrtal gesehen und gedacht “Das hier ist doch alles Peanuts”. Angst hätten sie bei Schlechtwetterlagen nicht, berichten die beiden Nachbarsfamilien. “Ich gehe dann schon mal in der Keller und schaue, ob alle in Ordnung ist”, berichte Christiane Kutil-Bleiborn.

“Wir haben ja viele Frauen im Haus”, liegt Michael Floeth noch ein Lob auf der Zunge und er ergänzt bewundernd “die haben während und nach der Flut so richtig kräftig angepackt”. Seine Frau Ute gibt uns noch auf den Weg, dass sie das Picknick im Park ‘als gute Aktion’ empfindet. Auch die Unterstützung durch die freiwilligen Helfer nach der Flut, loben die Nachbarn und sind dankbar. “Innerhalb von vier Tagen hatten wir alles raus.”

Von Coesfeld nach Erkrath

Eine besondere Freude machten die Helfer des THW in Coesfeld, die in der Flutnacht Erkrathern zur Hilfe eilten, damit, dass sie auch zum Picknick im Park kamen. Tobias Pierick und Justus Timmermann hatten sich in der Flutnacht auf den Weg gemacht, um in Erkrath zu helfen. Am Tag darauf folgte ihnen Justus Bruder Dominik Timmermann, der auch gleich Kleidung mitbrachte, denn insgesamt waren die drei zehn Tage lang in Erkrath im Einsatz. Dass die drei von Coesfeld nach Erkrath gekommen waren, dass sie vorher nicht kannten, war Mathias Mauermann zu verdanken. Er ist selbst beim Ortsverein Haan des THW aktiv und wohnt auf der Falkenstraße. Auch sein Haus war von der Flut betroffen. “Ich bin aber direkt zum Helfen ins Dorf geeilt und habe Meldung bei der Einsatzleitung gemacht”, berichtet er. Die habe dann die Kollegen in Coesfeld und Dülmen alarmiert. Ein Jahr später gab es nun ein Wiedersehen. „Wir haben uns sehr über die Einladung gefreut und sind heute gern gekommen“, sagt Tobias Pierick.

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