
Premium | Seit Anfang Juni ist die sogenannte Spiegelbildlichkeit von Rat und Ausschüssen nicht mehr in allen Ausschüssen gegeben. Wir versuchen zu erklären, warum das so ist.
Mit dem Partei- und Fraktionsübertritt von Julia Götte und Marc Hildebrand kam es Anfang Juni zu einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse im Rat, nach stärker traf es einige Ausschüsse. Die hätten theoretisch in Teilen neugebildet werden müssen, wenn man die Spiegelbildlichkeit hätte wieder herstellen wollen. Spiegelbildlichkeit bedeutet, dass sich das Kräfteverhältnis der Fraktionen im Rat auch in den Ausschüssen wiederfindet.
Zu einer Änderung in den Ausschüssen kam es dennoch nicht, was zum Einen dem aufwändigen und schwierigen Verfahren und zum anderen der kurz bevorstehenden Kommunalwahl geschuldet ist. Die Fraktionsvorsitzenden von BmU und CDU haben sich kurz verständigt und auf eine Neubildung der Ausschüsse verzichtet. „Grundsätzlich kann man eine Entscheidung, bei der es zu Unstimmigkeiten hätte kommen können, ja in den Rat schieben“, erklärte uns Bernhard Osterwind (BmU) den Pragmatismus, mit dem die beiden Fraktionen bis zur Neubildung des Rats und der Ausschüsse nach der Kommunalwahl mit dem Thema umgehen.
Wir versuchen hier einmal für unsere Leser am Beispiel der letzten und der noch laufenden Wahlperiode das Besetzungsverfahren und mögliche Änderungen zu erklären, denn Fraktions- oder Parteiaus- und übertritte sind während einer Wahlperiode gar nicht so selten.
Das komplizierte Verfahren der Ausschussbesetzung
Von der Kommunalwahl bis zur konstituierenden 1. Ratssitzung vergeht einige Zeit, in der sich die Fraktionen bilden und in interfraktionellen Gesprächsrunden mit dem gewählten Bürgermeister und der Verwaltung die Sitzung vorbereiten. Darin wird über zu bildende Ausschüsse, die Ausschussvorsitze und die Besetzung der Ausschüsse mit Mitgliedern der einzelnen Fraktionen entschieden. Pflichtausschüsse wie Haupt- und Finanzausschuss, Rechnungsprüfungsausschuss, Wahlausschuss, Wahlprüfungsausschuss und Jugendhilfeausschuss werden immer gebildet. Die Zahl und Ausrichtung weiterer Ausschüsse liegt im Ermessen des jeweils neu gewählten Rats.
Bei der Besetzung der Ausschüsse in die sachkundige Bürger entsandt werden können, ist darauf zu achten, dass die Zahl der sachkundigen Bürger die Zahl der Ratsmitglieder im jeweiligen Ausschuss nicht überschreitet, andernfalls wäre der Ausschuss nicht beschlussfähig. Für die Berechnung der Sitze in Ausschüssen können unterschiedliche Berechnungsverfahren (Hare-Niemeyer, d’Hondt, Sainte-Laguë/Schepers) angewandt werden. Zum Einsatz kommt meist Hare-Niemeyer. Nicht immer geht das Berechnungsverfahren auf und manchmal muss ein Ausschusssitz dann per Losverfahren vergeben werden. Entschieden wird in der konstituierenden Sitzung auch über die Entsendungsrechte von Beiräten und Institutionen in die einzelnen Ausschüsse.
Die Besetzung der gebildeten Ausschüsse ist nach der Wahl meist wenig im Fokus der Öffentlichkeit. Bei vielen Bürgern erschöpft sich das Interesse nachdem sie wissen, wer Wahlsieger ist und wie die Sitzverteilung im Rat ist. Welche Auswirkungen Partei- und Fraktionsaustritte und der Wechsel in eine andere Fraktion haben, ist den meisten nicht bewusst.
Das Ding mit dem Wechsel: It’s complicaded
Wechsel in der Wahlperiode 2014-2020
Mit ihrem Partei- und Fraktionsaustritt aus der SPD machte Sabine Lahnstein 2016 den Anfang. Zu einem „Übertritt“ in eine andere Fraktion oder Partei kam es nicht. Konsequenter Weise trat Lahnstein auch von ihren Ausschusssitzen zurück und überließ diese, als nunmehr fraktions- und parteiloses Mitglied, der SPD zur Nachbesetzung. Sie erhielt auf eigenen Wunschen einen Sitz als beratendes Mitglied im Haupt- und Finanzausschuss und sie blieb bis zum Ende der Wahlperiode zweite stellvertretende Bürgermeisterin.
Im September des gleichen Jahres folgte der Partei- und Fraktionsaustritt von Peter Sohn, der sein Ratsmandat behielt. Da eine Fraktion aus mindestens zwei Mitgliedern bestehen muss, kam es zur Auflösung der FDP-Fraktion. Fraktionslosen Ratsmitgliedern steht eigentlich lediglich ein beratender Sitz in einem Ausschuss zu, die bis dahin bestehende Fraktion hatte aber stimmberechtigte Sitze in den Ausschüssen. Die Verwaltungsvorlage 144/2016 für den Haupt- und Finanzausschuss (HFA) sowie den Rat im September 2016 enthielt Berechnungen für die mögliche Sitzverteilung in den Ausschüssen. Wie „schwierig“ das Verfahren an sich ist, zeigen die Beschlüsse aus dem HFA und der darauf folgenden Ratssitzung. Obwohl noch rund vier Jahre der Wahlperiode vor dem Rat lagen, entschied man sich am Ende mehrheitlich die Ausschüsse in ihrer bisherigen Form zu belassen, weil ein einheitlicher, einstimmiger Beschluss für eine Neubesetzung, der nötig gewesen wäre, nicht zustande kam.
Peter Sohn hat dann später zunächst bei der BmU- Fraktion hospitiert. „Hospitanten“ sind sozusagen Gäste in der Fraktion und zählen bei der Fraktionsstärke (Zahl der Fraktionsmitglieder) nicht mit. Einige Monate später ist Peter Sohn dann Mitglied der BmU-Fraktion geworden, wodurch die Fraktion auch offiziell gewachsen ist. Um in einer laufenden Wahlperiode Mitglied einer anderen Fraktion zu werden, muss das wechselwillige Ratsmitglied zuerst einen entsprechenden Antrag stellen und die Mehrheit der Fraktionsmitglieder entscheidet über die Aufnahme. Die Gemeindeordnung regelt, dass der Fraktionsvorsitzende der aufnehmenden Fraktion dies formlos dem Bürgermeister mitteilt.
Als es dann in der Wahlperiode 2014 bis 2020 zu einer dritten Veränderung kam, hat offensichtlich kaum jemand darüber gesprochen. Ein Jahr vor der letzten Kommunalwahl wechselte Wolfgang Cüppers von der BmU-Fraktion zur CDU und nahm seine zwei Ausschusssitze im Planungs- und im Feuerwehrausschuss mit. In der Niederschrift der Ratssitzung vom 24. September 2019 findet sich unter Berichten der Verwaltung lediglich der Satz: „Er informiert zudem darüber, dass RM Cüppers in die CDU-Fraktion aufgenommen wurde.“ (Anm. der Red.: Mit „Er“ ist hier der Bürgermeister gemeint.)
Wechsel in der Wahlperiode 2020 bis 2025
In der konstituierenden Sitzung des Rates am 3. November 2020 gab es einen einstimmigen Beschluss über die Besetzung der Vorsitzenden der jeweiligen Ausschüsse. Auch die Besetzung der Ausschüsse mit Ratsmitgliedern und sachkundigen Bürgern der einzelnen Fraktionen wurde einstimmig beschlossen. Die beiden Abstimmungen erfolgten „im Block“, also jeweils für alle Ausschüsse zusammen in einer Abstimmung. Genau das macht es aber bei einem Wechsel einzelner Mitglieder zu einer anderen Fraktion schwierig Änderungen herbeizuführen. Eine erste Veränderung gab es in der Wahlperiode bereits mit dem Austritt von Uli Schimschock aus der SPD-Fraktion und der Partei. Er verblieb als fraktionsloses Einzelmitglied im Rat, in dem die SPD dadurch eine Stimme weniger hatte, als zu Beginn der Ratsperiode. Die Sitze in Ausschüssen überließ er der SPD und erhielt einen beratetenden Sitz in einem Ausschuss seiner Wahl.
Julia Götte und Marc Hildebrand haben sich entschieden aus der CDU (Partei und Fraktion) auszutreten und sich der BmU-Fraktion anzuschließen. Götte hat über die CDU zu Beginn der Wahlperiode den Ausschussvorsitz für den Ausschuss für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung übernommen. Die GO NRW sagt unter § 58 Absatz (5) Satz 5: „Scheidet ein Ausschußvorsitzender während der Wahlperiode aus, bestimmt die Fraktion, der er angehört, ein Ratsmitglied zum Nachfolger.“ Nun sind aber Julia Götte und Marc Hildebrand nicht „ausgeschieden“, sie sind weiterhin Mitglieder des Rats und in den Ausschüssen. Nur jetzt eben nicht mehr für die CDU, sondern für die BmU. Sie sind auch nicht über die Reserveliste der CDU in den Rat eingezogen, sondern haben ihre Wahlkreise direkt gewonnen. An den veränderten Mehrheiten im Rat hätte sich auch mit einer Neubildung der Ausschüsse und deren Besetzung nichts verändert. Die Fraktionen verzichteten, wie eingangs erwähnt, für die verbliebene Zeit auf die Neubildung der Ausschüsse.
Zusammensetzung des Rats nach der Wahl 2020

Quelle: votemanager.de
Veränderungen der Sitzverteilung und Stimmen im Rat innerhalb der Wahlperiode



Sitzberechnung bei Neubildung der Ausschüsse
Die Ausschüsse des Rats haben 19 Sitze. Der Austritt von Uli Schimschock aus der SPD Fraktion hätte keine Auswirkungen auf die Sitzverteilung gehabt. Anders sieht es durch den Aus- und Übertritt von Julia Götte und Marc Hildebrand aus.
Quelle: wahlsitze.de
Die Rats- und Ausschussbesetzung vor und nach dem Wechsel von Julia Götte und Marc Hildebrand


Verbliebene Rats- und Ausschusssitzungen, die davon betroffen waren und noch sind

Finanzielle Auswirkungen auf die Fraktionen, die von Aus- oder Eintritten betroffen sind
Fraktionsein- und/oder Austritte können die Mehrheiten im Rat empfindlich verändern. So hat etwa die CDU mit dem Bürgermeister und der häufigen Unterstützung der SPD seit dem Austritt von Julia Götte und Marc Hildebrand allein keine Mehrheit mehr, um Entscheidungen gegen den Willen der übrigen Fraktionen durchzusetzen. Aber die Aus- und Eintritte haben noch ganz andere Auswirkungen, nämlich finanzielle. Zwar fällt die Fraktionsfinanzierung in Erkrath vergleichsweise gering aus, was sicher auch der klammen Haushaltskasse geschuldet ist, aber sie richtet sich auch nach der Größe der Fraktion, also nach der Zahl der Mitglieder. Eine Fraktion, die Mitglieder verliert, bekommt also fortan weniger Fraktionszuwendungen, während die, die neue Mitglieder gewinnt, entsprechend mehr erhält.
Anders als bei den Fraktionszuwendungen, die die jeweilige Gemeinde den Fraktionen für ihre Arbeit gewährt und die von Gemeinde zu Gemeinde ganz unterschiedlich ausfallen kann, sieht es mit den Aufwandsentschädigungen für Fraktionsvorsitzende und deren Stellvertreter aus. Sie erhalten neben der in der Entschädigungsverordnung des Landes NRW festgelegten Aufwandsentschädigungen für ihr Ratsmandat eine zusätzliche Aufwandsentschädigung für ihre Arbeit als Fraktionsvorsitzender oder Stellvertreter. Für Fraktionsvorsitzende ist das der zweifache Wert der Aufwandsentschädigung, die Ratsmitglieder erhalten. Die Stellvertreter erhalten den einfachen Wert zusätzlich. Bei großen Fraktionen mit acht und mehr Mitgliedern, gilt ein erhöhter Satz. Fraktionsvorsitzende erhalten den dreifachen Wert zusätzlich, ihre Stellvertreter den eineinhalbfachen Wert.
Die konstituierende Sitzung des neuen Rats nach der Wahl im September ist am 6. Novemer 2025. Wie Rat und Ausschüsse sich dann zusammensetzen, entscheiden die Wähler am 14. September 2025 bei der Kommunalwahl und der dann frisch gewählte Rat in Bezug auf die zu bildenden Ausschüsse.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar