Von der Pflicht zur Kür

Pfarrer Lutz Martini inmitten der Umzugsvorbereitungen Ende August in der Hans-Sachs-Str. 1. Foto: RG

Heute wird Pfarrer Lutz Martini ein letztes Mal Teil eines Gottesdienstes in Hochdahl sein. Dabei erfolgt seine Entpflichtung.

Der Ruhestand, der offiziell am 1. Oktober 2020 beginnt, ist für Lutz Martini und seine Frau erst einmal mit ganz viel Veränderung verbunden. Von Ruhe also erst einmal keine Spur. Im Haus in der Hans-Sachs-Str. 1 wird seit Wochen gepackt und geräumt. 35 Jahre war dieses Haus Zuhause für die Familie. Pflegesohn, Tochter und Sohn sind in diesem Haus aufgewachsen. Lutz Martinis Oma und auch die Schwiegermutter wurden hier auf ihrem letzten Weg gepflegt. Ganz viele Erinnerungen stecken in diesem Heim, im Geiste, wie Ende August auch noch im Mobiliar. Nicht alles findet im künftigen Zuhause Platz. Viele Bücher wandern ins Antiquariat und auch einige Möbel suchen einen neuen Besitzer. Irgendwann in den kommenden Wochen oder Monaten wird hier sein Nachfolger in der Gemeinde einziehen.

Für die Martinis geht es nun nach Düsseldorf. Auf die Frage, warum die beiden nicht in Hochdahl bleiben, antwortet Lutz Martini: “Wir sind beide Großstadt-affin und man sollte einem Nachfolger auch eine Chance geben.” Mitten in der lebendigen Carlstadt haben sie in Düsseldorf eine schöne Altbau-Wohnung gefunden. Fußläufig können sie den Markt am Carlsplatz, verschiedene Kultureinrichtungen und die ökumenische Kirchenlandschaft, zu der vier Kirchen zählen, erreichen. Dazu zählt auch die Johanneskirche, in der Lutz Martini einst Vikar war. “Das eröffnet uns auch die Möglichkeit irgendwann in nächster Zeit ganz auf ein Auto verzichten zu können.”

Freiheit, Freude, Wehmut?

Auf die Frage, ob es denn schwerfalle dieses Haus nach so vielen Jahren zu räumen, erzählt Lutz Martini von dem ‘besonderen Abschied’. Während des ‘Lockdowns’ war die Familie Martini noch einmal im Haus vereint. Für den Sohn, der noch studiert, fiel das Präsenzstudium weg und die Tochter verlegte ihr Home Office ins Elternhaus. “Das war schön, noch einmal zusammen hier im Haus”, sagt Lutz Martini über den Corona-bedingten gemeinsamen Abschied von dem Ort, der der Familie über so viele Jahre Heimat war.

Corona bescherte Pfarrer Lutz Martini insgesamt einige Erfahrungen, von denen er im letzten Jahr noch nichts geahnt hatte. Martini selbst zählt, nicht nur wegen seines Alters, zur Risikogruppe. Vor 12 Jahren hatte er im Urlaub in Portugal eine schwere Lungenentzündung, lag wochenlang im Krankenhaus. Das machte zu Beginn der Corona-Krise klar, dass er in der kommenden Zeit auf gar keinen Fall einen Gottesdienst in geschlossenen Räumen abhalten würde können. Schnell war ganz viel Kreativität gefragt. “Ich habe in den vergangenen Monaten sehr viel Telefonseelsorge gemacht. Mit dem Gottesdienst im Autokino haben wir dank Thomas Rüttgers auch eine schöne Alternative gefunden, die mit den Gottesdiensten im Pfarrgarten eine Open-Air-Fortsetzung gefunden haben”, nennt er einige Beispiele aus den vergangenen Monaten. Als die Corona-Krise begann sei für ihn klar gewesen “Ich muss noch etwas tun”. Dass die Gemeindemitglieder alles so positiv angenommen hätten und er noch einmal ‘so richtig Gas geben konnte’, hätte ihn mit dem Abschied versöhnt.

Für Lutz Martini und seine Frau beginnt nun eine neue Zeit der Zweisamkeit. Mit der Entpflichtung am Sonntag sind die Worte verbunden “Heute endet Dein Dienst als Pfarrer der Gemeinde. Du bist nun frei von allen damit verbundenen Pflichten”. Mit dieser ‘Lossprechung’ hat sich Martini erst in den letzten Wochen befasst. Die Worte ‘Du bist nun frei’, haben für ihn auch etwas sehr Schönes. Es ist ein wenig wie ‘Von der Pflicht zu Kür’, denn er kann auch künftig zum Beispiel Taufen abhalten oder predigen, aber er muss nicht mehr. Der offizielle Dienst ist beendet.

Was kommt jetzt?

“Werden Sie sich weiter in der Kirche engagieren?”, wollten wir wissen. “Zuerst einmal werden meine Frau und ich ein Sabbatical nehmen”, sagt Martini. Gemeinsam werden sie die Kulturszene in der neuen Heimat erkunden, Kirche erst einmal als Besucher genießen und der Orgel lauschen. Öfter mal spontan verreisen, auch für Buchrecherchen, denn Dorothea Kühl-Martini ist auch Schriftstellerin. “Wenn sie zur Bestsellerautorin wird, kann ich Manageraufgaben übernehmen. Das liegt mir mehr als ihr”, verrät Lutz Martini augenzwinkernd. Im kommenden Jahr will er erst einmal alles auf sich zukommen lassen. Wo Lutz Martini sich künftig engagiert, wird sich ergeben. “Ich bin im Moment noch sehr weit offen.” Langeweile wird bei den Martinis sicher nicht aufkommen. Ihre Interessen im Bereich Kunst, Kultur und Musik sind vielfältig und ganz nebenbei spielt die Autorin Dorethea Kühl-Martini auch noch selbst Cello. Beide freuen sich darauf mehr Zeit für Kinder, Familie und Freunde zu haben und wenn in einer Gemeinde doch einmal ‘Not am Pfarrer’ ist, kann Lutz Martini auch immer noch kurzfristig einspringen und helfen.

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