Vielleicht hätten wir blau machen sollen?

von Ria Garcia

Ökumenischer Ratsgottesdienst vor der Ratssitzung. Foto: RG

Die Frage stellte sich nach drei Stunden Ratssitzung. ‘Mach mal blau, spricht Gott’, war das Motto des diesjährigen Ökumenischen Ratsgottesdienst, der vor der Sitzung stattfand.

Rund 25 Vertreter aus Rat und Verwaltung besuchten den Gottesdienst vor der Ratssitzung. ‘Blau machen’ stand hier, für innehalten, für die Überlegung vom Sollen oder Müssen zum Wollen zu kommen. Regina Wedding und Annette Kirchhoff, griffen die Frage des ‘blau machens’ in einem Impulsdialog auf und Pfarrer Volker Horlitz erklärte ‘sich einmal Zeit zu nehmen, blau zu machen’ in seiner Ansprache mit dem Beispiel von Maria und Martha und mit einer kleinen Geschichte, in der verständlich wurde, wie oft wir alle ‘aber ich muss noch …’ nutzen, um zu erklären, warum wie keine Zeit haben. “MUSS ist ein Wichtigtuer. MUSS ist ein Schutzschild. MUSS ist eine Universalentschuldigung”, verdeutlichte er in seiner Ansprache und lenkt die Frage darauf, wie wir vom Müssen zum Wollen kommen.

Regina Wedding (CDU, stellv. Bürgermeisterin) hatte die Tradition vor Jahren mit nach Erkrath gebracht. Immer aktiv mit dabei: Wolfgang Schriegl (BmU). In dieser Wahlperiode unterstützt auch Marc Göckeritz (Grüne, stellv. Bürgermeister) die Tradition. Was im Rat oft nicht gelingt, sich parteiübergreifend für eine Sache einzusetzen, ist beim Ök. Ratsgottesdienst selbstverständlich.

Um 17.15 Uhr begann dann schließlich die Ratssitzung in der Stadthalle, zu deren Beginn Bürgermeister Christoph Schultz noch einige Worte aus dem Ökumenischen Ratsgottesdienst an die Ratsmitglieder richtete.

Markus Lenk bemängelte zu Beginn der Sitzung, dass ‘ohne Not’ Stühle und Tische in der Stadthalle für die Sitzung deutlich zu nah beieinander stünden. Die Pandemie sei noch nicht vorbei. Dem schloss sich Regina Wedding an und auch Ralf Lenger stimmte dem zu. Abgesehen von der Pandemie ermögliche ein ‘so enges nebeneinander sitzen’ auch keine vernünftige Arbeit am Platz. Und wie zur Bestätigung dieser Kritik erhielt die Autorin gestern eine Warnung über die Corona-WarnApp. Da der ökumenische Ratsgottesdienst und die Ratssitzung die einzigen Außentermine an diesem Tag waren, ist davon auszugehen, dass bereits jemand – ohne es zu wissen – infiziert bei den anderen saß.

Taubenhaus (Einspruch gegen den Beschluss)

Bürgermeister Christoph Schultz kündigte zu Beginn der Sitzung an, dass der Tagesordnungspunkt 7 (Einspruch gegen den Beschluss zur Errichtung eines Taubenhauses) vertagt werden soll. Ende des Monats werde er noch ein Gespräch mit den Tierschützern führen, bei dem auch ein Taubenhaus thematisiert werde. Peter Knitsch äußerte, dass er nicht vertagen will. Das Thema solle zumindest ‘andiskutiert werden’ und dabei ein Verfahren vereinbart werden, wie etwa ein ‘Runder Tisch’ zum Thema. Durchsetzen konnte er sich damit nicht. Gegen die Stimmen von Grünen und Linken wurde die Vertagung beschlossen.

Genossenschaftliches Wohnen Schmiedestraße – Einleitungs- und Aufstellungsbeschluss

Dass sich an der im Ausschuss für Umwelt- und Planung (AUP) am 17. August getroffenen Entscheidung noch etwas ändert, hatte sicher niemand erwartet und so resümierte Peter Knitsch (Grüne) im Rat: “Es wird viel über Klima und Umwelt gesprochen, dann aber anders gehandelt. Das Ziel Klimaschutz zu betreiben wird verfehlt. Die Zahl der Hitztage, mit 40 Grad oder mehr wird zunehmen. Unsere Kinder werden die Entscheidungen büßen müssen.” Bernhard Osterwind (BmU) wies darauf hin, dass die Frage, warum man der Genossenschaft nicht alternativ zum Schulgebäude die bereits versiegelte Fläche an Gink angeboten habe, nicht beantwortet worden sei. Die Maßnahme werde kontrovers diskutiert und eine deutliche Mehrheit der Bürger sei gegen die Bebauung der sogenannten ‘Hasenwiese’. Er vermisse in der Vorlage auch die mehrheitlich beschlossenen Punkte eines Antrags aus dem AUP (Offenlage nicht in den Ferien, Vorstellung der Planungen in einer Veranstaltung für Bürger). Er kritisierte noch einmal das verkürzte Verfahren und die fehlende Umweltprüfung, bei der auch der Artenschutz (drei Fledermausarten, eine sehr seltene) gewichtet werden würden.

Wolfgang Jöbges (CDU) wies darauf hin, dass eine erhebliche Nachfrage nach Wohnraum, auch bei Senioren, bestehe. “Ich begrüße es, dass sich hier Senioren selbst organisieren.” Die Fläche eigne sich für Kinder und Senioren. Ralf Lenger (FDP) begrüßte, dass sich Investoren nicht abschrecken ließen und war erstaunt, dass die BmU auf dem alternativen Standort Gink ‘herumreitet’. “Wollen wir Bürgern vorschreiben wo sie bauen sollen?”, fragte er und erntete Gelächter und den Hinweis, dass genau das Aufgabe des Rats über den Flächennutzungsplan sei. Christian Ritt wies noch einmal darauf hin, dass man die Fläche künftig möglicher Weise auch als Ausweichfläche für die Schulen brauche. Reinhard Knitsch machte darauf aufmerksam, dass das Vorhaben nicht nur die Wiese, sondern auch einen Teil des Spielplatzes tangiere. “In den Plänen ist nur erwähnt, dass eine kleinere Fläche im südlichen Bereich betroffen ist. Der Spielplatz hat eine Fläche von 2.118 m². Wie viel Quadratmeter genau sind betroffen?”, fragte er. Bisher hätte der Spielplatz im Spielplatzbedarfsplan die Möglichkeit zur Erweiterung gehabt, das falle ja dann künftig auch weg. Die Frage, wie groß die Spielplatzfläche ist, die von der Maßnahme betroffen ist, blieb unbeantwortet.

Ein Antrag der BmU, die Entscheidung zu vertagen, weil Abstimmungen aus dem AUP nicht in der Vorlage enthalten waren, wurde abgelehnt. Daraufhin wurden Teile des Antrags aus dem AUP nochmals abgestimmt und anschließend über den Beschlussvorschlag der Verwaltung abgestimmt, der mit den Stimmen aus CDU, SPD, FDP und Linke eine Mehrheit fand.

Lange Diskussion zu einem Einspruch

Während weitere Tagungsordnungspunkte mit Nachfragen der Ausschussmitglieder vergleichsweise schnell zur Abstimmung kamen, führte ein Einspruch zu langen Diskussionen. Im Haupt- und Finanzausschuss (HFA) wurde ein Antrag der Grünen bezüglich Bürgerbeteiligung beim Haushaltsoptimierungskonzept der Stadt nach längerer Diskussion schließlich in die Sondersitzung des Haupt- und Finanzausschuss am 27. September 2022 vertagt (wir berichteten). Gegen diese Entscheidung legte ein Teil der Ausschussmitglieder Einspruch ein und dieser Einspruch landete schließlich auf der Tagesordnung des Rats.

Peter Knitsch argumentierte, dass es nicht nötig gewesen sei, die Entscheidung über den Antrag zur Bürgerbeteiligung zu schieben. Die Verwaltung habe vorgeschlagen, dass in der Sitzung am 27. September 2022 Beschlüsse gefasst werden könnten, die noch in den kommenden Haushalt einfließen. “Dann können Bürger möglicher Weise nicht mitreden, wenn es um eine Sparentscheidung zur Stadtbücherei oder zur Musikschule geht. Die Bürger sollten aber auf jeden Fall vor einer Beschlussfassung gehört werden”, argumentierte er, warum die Bürgerbeteiligung im Rat beschlossen werden sollte. Bürgermeister Christoph Schultz entgegnete, dass seien alles noch Spekulationen, weil noch niemand, einschließlich ihm selbst die Vorschläge kenne, die die Beratung (Pricewater Coopers) machen werde.

Was dann über die Zeit von deutlich mehr als einer Stunde folgte, ist schwer zusammenzufassen, da die Diskussion neben den schon in der Ausschusssitzung genannten Argumenten, zum Teil in gegenseitigen Unterstellungen mündete, oder gar ganz vom eigentlichen Thema abdriftete. So unterstellte Detlef Ehlert (SDP), dass die Grünen vielleicht nur ‘die Bürger torpedieren wollten’, um später die eigene Ablehnung des Haushaltsoptimierungskonzepts begründen zu können. Beschlüsse würden aus seiner Sicht nicht gefasst werden, denn die müssten ja erst im Rahmen des Haushaltsplans beschlossen werden. Auch Gebührenerhöhungen müssten ja grundsätzlich auch noch im Rat beschlossen werden. Er mahnte die Grünen, dass sie ob ihres Verhaltens künftig auch für andere Entscheidungen keine Mehrheiten mehr finden könnten.

Auch Wolfgang Jöbges (CDU) argumentierte, er gewinne den Eindruck, dass die Grünen nur vorbereiten ‘gegen alles sein zu können’. Man solle am 27. September überlegen, wie Bürger beteiligt werden können. Bernhard Osterwind brachte den Vorschlag ein, die Sondersitzung des Haupt- und Finanzausschusses so zu gestalten, dass erst die Liste möglicher Maßnahmen vorgestellt wird, dann die Bürger dazu angehört werden und die Politik erst anschließend darüber diskutiert. “Bürgeranhörungen werden gerne gefordert, wenn man selbst dagegen ist. Ich mache das auch so”, verriet er. Er erinnerte auch daran, bei welchen Bürgeranhörungen die Grünen nicht unterstützt hätten. “Es gibt aber einen Unterschied: Wir sind auch dann für eine Bürgeranhörung, wenn wir selbst für etwas sind”, bestätigte er ein wenig den Verdacht seiner Vorredner.

“Wir müssen doch für die Bürger sein, nicht gegen sie. Es geht hier doch überwiegend um freiwillige Leistungen, die das Leben der Bürger lebenswert machen”, meldete sich Michaele Gincel-Reinhard (Die Linke) zu Wort. Ihre Fraktion hätte gegen den Einsatz einer Beratung (Pricewater Coopers) gestimmt, weil sie es für ein Armutszeugnis halte, dass erst 100 Tsd. Euro ausgegeben werden. “Liebe Leute: Wisst ihr wie viel wir einsparen müssen, um diese 100 Tsd. wieder einzusparen?”, machte sie deutlich, was ihrer Fraktion daran nicht gefällt. “Wenn wir kein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept hinbekommen, wird es uns aufgezwungen”, erinnerte Marcel Stritzelberger (BmU). Die Sparvorschläge müssen den Bürgern aus seiner Sicht transparent vorgestellt werden. “Nichts anderes fordern wir”, entgegnete Peter Knitsch (Grüne). Seine Fraktion habe ja Sparvorschläge gemacht, erinnerte er, dass die Grünen gefordert hatten auf das eine oder andere teure Bauprojekt zu verzichten, da hätten die großen Fraktionen sich ja verweigert.

Ralf Lenger (FDP) erinnerte daran, dass seine Fraktion die einzige war, die zum letzten Haushaltsplan Sparvorschläge vorgelegt hatte, die die anderen Fraktionen dann abgelehnt hätten. Bürgerbeteiligung hält er für sinnvoll, tendiert aber zu einer Online-Beteiligung, die er einer ‘aufgeheizten Stimmung in der Halle’ vorziehe. Er fragte in diesem Zusammenhang nach der Beteiligungssoftware Consul. Bürgermeister Christoph Schultz informierte, dass die Möglichkeit in der Verwaltung weiter verfolgt werde.

Peter Sohn (BmU) erläuterte noch einmal den Vorschlag zur Bürgerbeteiligung in der Sondersitzung. “Der Vorschlag der BmU ist kein guter”, entgegnete Peter Knitsch und wies darauf hin, dass er das vom zeitlichen Ablauf der Sitzung für nicht umsetzbar halte. Eine Bürgerbeteiligung zwischen Haupt- und Finanzausschuss und Beschlussfassung wäre die einzig sinnvolle Beteiligung. Den Vorschlag der BmU lehnte er als Pseudo-Beteiligung ab.

Die Diskussion zog sich noch eine Weile hin, bis Ralf Lenger darauf hinwies, dass es an dieser Stelle einzig um die Entscheidung gehe, ob man den Einspruch gegen die Entscheidung aus dem HFA zulasse und die ganze Diskussion deshalb nicht angebracht sei. Schließlich kam es zur Abstimmung und die Mehrheit entschied gegen die Stimmen der Grünen, Linken und BmU den Einspruch abzulehnen.

Es bleibt also am Ende dabei, dass erst in der Sondersitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 27. September 2022 über die Bürgerbeteiligung entschieden wird. Und an dieser Stelle erklärt sich unseren Lesern vielleicht, warum wir als Überschrift ‘Vielleicht hätten wir blau machen sollen?’ gewählt haben …

1 Kommentar

  1. Der Bürger wählt seine Vertreter nämlich die jetzt regierenden Politiker. Einmal auf Position wird der Wähler von SEINEN Vertretern nicht mehr gewählt und ernstgenommen. Bürgerforen und Anhörungen enden doch als Schauveranstaltung. Mehr mit sich selbst beschäftigt, wird der Bürger in soweit fortgeschrittenen Planungsprojekten doch als lästig wahrgenommen. 100.000 € für eine Unternehmensberatung, die brutal wirtschaftlich argumentieren wird, ist Geld vom Bürger und es wird kein bürgerfreundliches Ergebnis geben. Das sind Sanierer, ohne persönlichen Bezug. Ehrlich wäre, die explosiven Kosten z. B. von Bauvorhaben offen zu legen und dem Bürger vorher ausreichend Informationen zu geben, damit er sich gezielt, vor einem runden Tisch damit auseinandersetzen kann. Dann Wird sich zeigen, ob die Entscheidungen mitgetragen werden. Einmal ernst genommen, geht der Bürger so manchen Weg mit. Vieles erstickt im Partei Geplänkel und man bekommt den Eindruck es geht nicht mehr um die Sache.

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